Für Nico Hülkenberg wurde es im Formel-1-Qualifying von Silverstone nach 245 Tagen wieder ernst. Als Ersatz für den am Coronavirus erkrankten Sergio Perez griff er für Racing Point erstmals seit dem Finale 2019 in Abu Dhabi wieder in den Kampf um die besten Startpositionen ein. Als 13. blieb er zwar hinter den eigenen Möglichkeiten, angesichts seiner spontanen Rückkehr war das allerdings kein Grund für Frust.

"Die Bedingungen waren ohnehin nicht einfach. Kaltstart aus der kalten Hose dieses Wochenende und dazu hat es heute Nachmittag der Wind noch zusätzlich erschwert", darf ein markiger Hülk-Spruch beim Resümee seines ersten Zeittrainings mit dem RP20 natürlich nicht fehlen. Im Verlauf des Wochenendes hatte er sich Schritt für Schritt an Teamkollege Lance Stroll herangearbeitet.

Im Q1 kam er auf unter eine Zehntel an den Kanadier heran. Im zweiten Segment verpasste er jedoch den Anschluss. Das Team entschied sich für Medium-Reifen beim ersten Run. Stroll war als Zehnter zeitgleich mit Verfolger Pierre Gasly und kam nur weiter, weil er seine Runde vor dem Franzosen auf den Zeitenmonitor gezaubert hatte.

Hülkenberg schöpft Potential im Qualifying nicht aus

Hülkenberg lag nach dem ersten Schuss außerhalb der Top-10 und durfte für seinen letzten Versuch auf dem schnelleren Reifen ran. Doch die Taktik des Teams ging nicht auf. "Es war nicht einfach den Rhythmus zu finden, wenn du im ersten Teil auf Medium fährst und dann mit dem weichen Reifen", erklärt er.

Neben dem sprunghaften Kommandostand machten ihm außerdem die äußeren Bedingungen zu schaffen: "Es ging wirklich darum, die Runde zusammenzubringen. Aber es war heute ziemlich windig. Besonders im ersten Sektor in den Kurven drei und vier war es tricky. Da kommt es auf Erfahrung an, das Auto und seine Dynamik sind ganz anders zu dem was ich vor acht Monaten gewohnt war. Das war ein Schock für das System."

Die Winzigkeit von sechs Hundertstelsekunden trennte ihn schlussendlich vom Einzug ins Q3. "Es war nicht ideal, aber ich bin doch relativ zufrieden", so Hülkenberg, der nicht erwartet hatte, beim Sprung ins kalte Wasser gleich die Welt aus den Angeln zu heben. "Es war nicht optimal aber es wäre utopisch, zu erwarten, dass beim ersten Mal gleich alles glatt geht."

Hülkenberg kennt zwar einen Großteil des Teampersonals aus seiner Zeit mit Force India zwischen 2011 und 2016, doch nach drei Jahren mit Renault musste er bei der Bedienung des Autos und den Team-spezifischen Abläufen wieder bei Null anfangen. "Das sind neue Situationen im Qualifying und einige Sachen, die zu lernen sind. Team, Auto, Motor, das ist alles sehr speziell."

Hülkenberg beeindruckt: Formel 1 in Silverstone abartig schnell

Speziell ist für ihn auch ein Comeback auf einer Rennstrecke wie Silverstone. "Die Autos sind hier schon abartig schnell. Wirklich beeindruckend und Wahnsinn", sagt er. Die schnellsten Kurven des Kalenders forderten vom trainierten, jedoch nicht einsatzbereiten Hülkenberg ihren Tribut: "Du kannst so viel trainieren, wie du willst. Die Fitness für das Fahren ist eine ganz andere Fitness. Vibrationen, Fliehkräfte, das gibt dir kein Gym."

Der richtige Härtetest erwartet ihn erst am Sonntag im Rennen über 52 Runden. Dort will er im Gegensatz zum Qualifying das eigene Potential sowie das des Autos besser nutzen. "Wir haben ein schnelles Auto und eine ordentliche Ausgangsposition", orientiert er sich ganz klar nach vorne. "Das Auto gehört in die Top-10 und das werde ich morgen versuchen."

Einen einfachen Weg in die Punkte erwartet der Edelreservist allerdings nicht: "Die Konkurrenz ist nicht weit weg und es ist alles sehr eng beieinander", hat er McLaren, Ferrari, Renault & Co. auf dem Radar.