"Da war definitiv kein Licht zu sehen. Es war sehr dunkel." Mit diesen poetisch anmutenden Worten beschreibt Ferrari-Teamchef Jean Todt die Situation der Scuderia Ferrari bei ihrem Auftritt in Istanbul. Dort sei jenes Licht am Ende des Tunnels verschwunden, welches man drei Wochen davor, in Budapest, noch ausmachen konnte. Und Michael Schumacher schreibt auf seiner Website: "Es ist traurig aber wahr, wir waren weder im Rennen noch im Qualifying noch in einer der Trainingssitzungen auch nur irgendwie dran. Den Aufschwung aus Hockenheim und Ungarn haben wir leider nicht bestätigen können – im Gegenteil, das war eher ein Rückschritt."

Doch woran lag es, dass die roten Renner am Bosporus derart zu Statisten verkommen konnten? Jean Todt: "Wir hatten eine komplett andere Reifenspezifikation im Gepäck. Eine ältere Reifengeneration. Denn jene Spezifikation, die wir noch in Budapest verwendet haben, konnte in Istanbul nicht verwendet werden." Man geht davon aus, dass der Budapest-Pneu von seiner Struktur her den harten Anforderungen des Istanbul Speed Parks nicht standgehalten hätte. Dieser neueste Reifentyp aus dem Hause Bridgestone bringt seine Performance auch in der ersten Runde - Todt: "Wir waren in Budapest sehr schnell im Qualifying [Schumacher stand auf der Pole-Position, d. Red.] und wir waren auch im ersten Renndrittel konkurrenzfähig."

Gripmangel

Das Hauptproblem der roten Boliden in der Türkei hieß schlicht und einfach Gripmangel. Wobei Todt nicht müde wird, hinzuzufügen, dass es natürlich nicht ausschließlich an den Reifen liegen würde: "Dieses Jahr haben wir eine andere Spezifikation der Aerodynamik, die Zweiwochenend-Motoren - ein totaler Unterschied zum letzten Jahr." Eine der Hauptursachen für das Reifendilemma ist sicher auch ein Mangel an Vergleichsmöglichkeiten, weil sämtliche Topteams zu Michelin abgewandert sind. "Wir versuchen hin und wieder, Vergleiche mit Minardi und Jordan anzustellen - doch sie verwenden nicht die gleichen Reifenspezifikationen."

Der Blick sagt alles - Jean Todt., Foto: Sutton
Der Blick sagt alles - Jean Todt., Foto: Sutton

Der allergrößte Unterschied zum Vorjahr sei die Reifenregel, sagt Todt. "Wenn wir in Budapest die Reifen wechseln hätten können, dann hätten wir das Rennen gewonnen. Ich will mich nicht über die Reifenregel beschweren - ich will es so sagen: Die Reifenregel ist uns sehr schlecht bekommen, da zahlen wir einen hohen Preis."

Noch gibt sich der "Napoleon" gutmütig, wenn es um Kritik am Reifenpartner geht: "Sie wissen, im Leben geht es um Plus- und um Minuspunkte. Und die Pluspunkte überwiegen derzeit immer noch, da gab es so viele Pluspunkte in den letzten Jahren..." Dass Toyota und Red Bull Racing zu Bridgestone wechseln, wie dies kolportiert wird, würde Todt begrüßen - die neuen Kollegen würden "auch einige Kilometer abspulen, davon würden wir definitiv profitieren", sagt der Franzose.

Abgang

Das Thema Profit hat auch Ferrari-Technikchef Ross Brawn angesprochen. Im Rahmen des Türkei-GP beklagte sich der Brite darüber, dass andere Teams vom Weggang einiger Ferrari-Teammitglieder profitiert hätten. Brawn gegenüber Autosport-Atlas: "Man muss auch sehen, dass einige unserer Konkurrenten in der Vergangenheit einen weniger guten Job erledigt haben und diese nun einen guten Job abliefern. Es gibt einen Prozess in der Formel 1, der dadurch hervorgerufen wird, dass Leute das Team wechseln und so Philosophie und Knowhow verstreut wird. Unser Aerodynamiker Nicolas Tombasis wechselte zu McLaren und das hatte sehr wohl einen Effekt. Der Wagen, den sie im letzten Jahr gezeichnet haben, war um vieles besser als der im Jahr zuvor."

Michael Schumacher denkt an seine Tifosi..., Foto: Sutton
Michael Schumacher denkt an seine Tifosi..., Foto: Sutton

Brawn fügt frustriert hinzu: "All unsere Arbeit, unsere Philosophien, unsere Kultur - all das war plötzlich einem anderen Team zugänglich. Nicht auf eine böswillige Art und Weise - aber Nicolas weiß, wie Ferrari funktioniert. Es ist sehr schwierig, über so lange Zeit einen Vorsprung zu bewahren. Die anderen Teams wollen deine Schlüsselfiguren..."

Motivator

Dem Frust möchte sich Michael Schumacher nicht hingeben. In seinem Wochenendrückblick bedankt er sich bei seiner Crew: "Wie schnell die Jungs die nach der Kollision mit Mark Webber angeschlagene Lenkung ausgetauscht haben, war klasse – aber auch typisch für diese Truppe. So konnte ich das Rennen noch einmal aufnehmen. Es ging uns darum, die anderen ausgefallenen Fahrer von der Anzahl der gefahrenen Runden her eventuell noch zu überholen, und das ist uns ja auch gelungen. Das war das Beste am gesamten Wochenende. Ich halte es für selbstverständlich, dass man in dieser Situation alles versucht. Das Rennen in Monza ist uns sehr wichtig, und auch wenn wir momentan nicht zu alter Stärke in der Lage sind, wollen wir unseren Tifosi doch das Bestmögliche bieten. Das sind wir uns und ihnen einfach schuldig."

Die aufkommenden Gerüchte rund um einen Wechsel zu McLaren-Mercedes kommentiert der Siebenfachweltmeister knapp: "Auf die Gerüchte über einen Weggang von Ferrari möchte ich gar nicht eingehen. Jeder weiß, wie eng Ferrari und ich verbunden sind."