Die Winterpause ist nicht nur die Zeit ausgiebiger Testfahrten und Fahrzeugpräsentationen, sondern auch die Zeit der großen Worte. In den Wochen und Monaten vor dem Saisonbeginn werden schier unzählige Prognosen erstellt, Ankündigungen gemacht und Ziele gesetzt. Nach 13 Rennen ziehen wir Bilanz und fragen uns: Welche Zielsetzungen der zehn F1-Teams sind bis zur Sommerpause tatsächlich in die Tat umgesetzt und erreicht worden?

Renault

"Mit regelmäßigen Podestplätzen werden wir uns nicht mehr zufrieden geben. In dieser Saison müssen wir ständig in der Lage sein, Rennen zu gewinnen. Wir müssen um die Weltmeisterschaft kämpfen und Rennsiege erzielen. Am Ende der Saison sollten wir gegen die Top 2 oder Top 3-Teams um den Titel kämpfen können. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch diesmal unser Versprechen halten werden." (Patrick Faure)

Fisico durfte nur in Melbourne jubeln., Foto: Sutton
Fisico durfte nur in Melbourne jubeln., Foto: Sutton

Große Worte entsandte RenaultF1-Präsidenz Patrick Faure bei der Präsentation des neuen R25 in Monaco in die weite Formel 1 Welt. Doch der Franzose ist ein Mann, der seine Versprechen für wahr einhält. Nach einem Traumstart in die Saison liegen die Gelb-Blauen auch nach dreizehn Saisonläufen in beiden WM-Wertungen an der Spitze. Damit übertraf die Truppe rund um Flavio Briatore sogar die Vorgabe ihres Präsidenten: Denn Fernando Alonso und Renault kämpfen sechs Rennen vor dem Saisonende nicht nur unter den besten zwei Teams um die WM - sie sind sogar Titelfavorit Nummer 1.

McLaren

"Mit dem McLaren Mercedes MP4-20 hoffen wir ein schlagkräftiges Paket aus Chassis, Motor und Reifen zusammengestellt zu haben, mit dem wir an die Leistungen und Resultate anschließen können, die unsere Mannschaft im zweiten Halbjahr und insbesondere im letzten Drittel der Vorsaison mit dem MP4-19B erzielt hat." (Norbert Haug)

Vorsichtig gab man sich bei den Silbernen mit großen Vorhersagen. Aber nach einem eher mäßigen Saisonstart sollten sich die Worte von Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug wahrlich bewahrheiten: Der MP4-20 ist auch in den Augen der Konkurrenz das momentan konkurrenzfähigste Paket. Leider ist er aus Sicht der Silberpfeilpiloten aber noch nicht das zuverlässigste Paket. Ansonsten konnte McLaren die Anforderung an die zweite Saisonhälfte 2004 anzuknüpfen übererfüllen und sich zum einzigen Titelrivalen der Franzosen von Renault emporschwingen.

Ferrari

"Der F2005 ist das beste Auto, das wir bislang produziert haben." (Ross Brawn)

Der beste Ferrari aller Zeiten wusste nicht zu überzeugen., Foto: Sutton
Der beste Ferrari aller Zeiten wusste nicht zu überzeugen., Foto: Sutton

Sollte der Technische Direktor der Scuderia mit dieser alljährlichen Aussage tatsächlich Recht gehabt haben, dann entlarvte Niki Lauda den "besten Ferrari aller Zeiten" bereits zur Saisonmitte als "schlecht". Aber auch wenn sich die Kritik am Nachfolger des Seriensiegers von 2004 von Rennen zu Rennen mehrte, so war bislang ein anderer Bestandteil des Autos der große Sündenbock: Die Bridgestone-Reifen. Denn diese sind vom Prädikat der besten Reifen, die die Japaner bislang produziert haben so weit entfernt, wie der Indianapolis GP von einem echten Formel 1 Rennen.

"Ist doch klar, dass wir die Titelverteidigung anstreben, selbst wenn wir wissen, dass es nicht einfach werden wird." (Michael Schumacher)

Anstreben durften die Roten die Titelverteidigung und schwer wurde es im wahrsten Sinne des Wortes. Erfüllen können sich die Italiener den Traum von den nächsten beiden WM-Trophäen im Schrank allerdings nicht. Nach fünf Jahren der roten Triumphe traf nun also tatsächlich ein, was Michael Schumacher, Jean Todt und Ross Brawn schon seit Jahren zu Saisonbeginn predigten: 'Wir können nicht immer gewinnen. Auch unsere Siegesserie wir einmal reißen.' Das sie gleich so tief abstürzen würden, konnten die Ferrari-Bosse ja nicht ahnen...

Toyota

"Unser ultimatives Ziel ist es, in der Formel 1 zu siegen, aber wir wissen, dass man dafür Zeit benötigt. Deshalb ist es in diesem Jahr unser Ziel mit dem TF105 einen bedeutenden Schritt in Richtung Siege zu machen" (Tsutomu Tomita)

Weiß und Rot waren die Überraschungsfarben der Saison., Foto: Sutton
Weiß und Rot waren die Überraschungsfarben der Saison., Foto: Sutton

Angesichts des evolutionären TF105 hat den Japanern die Erfüllung dieser Zielsetzung zu Jahresbeginn kaum jemand zugetraut. Ein Dreivierteljahr später wissen wir alle mehr: Toyota ist die Überraschung der Saison und konnte nicht nur einige Podestplätze und seine erste Pole Position einfahren, sondern auch die ersten Schritte in Richtung des ersten GP-Triumphes machen. Dieses Ziel wurde also erreicht. Der erste Sieg dürfte in diesem Jahr aber wohl kaum noch zu schaffen sein.

BMW-Williams

"Wir möchten wieder in die Erfolgsspur zurück. Die Fehler von 2004 dürfen nicht wiederholt werden. Wir müssen die neuen Regeln zu unserem Vorteil ausnutzen und wenn es soweit ist damit voll vertraut sein." (Frank Williams)

Leider konnte das Team von Frank Williams keine dieser beiden Zielsetzungen in die Tat umsetzen. Weder kehrte der erfolgreichste Rennstall der 90er Jahre auf jene gewohnte Erfolgsspur zurück, welche ihm Siege und Titel einbrachte, noch konnte man die Fehler des Vorjahres vermeiden. Denn auch der FW27 startete mit eklatanten aerodynamischen Schwächen in die neue Saison. Dennoch konnte vor allem Nick Heidfeld im ersten Saisondrittel mit Podestplätzen und seiner ersten Pole für Aufsehen sorgen. Seit der Einführung des neuen Aero-Pakets geht allerdings gar nichts mehr voran. Das Saisonziel wurde weit verfehlt.

"Vier Jahre lang haben wir unsere Ziele übertroffen. Dann fielen wir 2004 in ein Loch und konnten unsere Ansprüche zum ersten Mal nicht erfüllen. Nun versuchen wir die Erfolge mit vereinten Kräften zurück zu holen." (Mario Theissen)

Dieser Versuch, so wird auch Mario Theissen offen zugeben, muss leider als gescheitert angesehen werden. Doch statt eines weiteren Versuchs wird die britisch-bayrische Allianz sich am Ende des Jahres trennen, um dann im beschaulichen Hinwil einen neuen Anlauf zu nehmen.

Red Bull Racing

Red Bull brachte viel Spaß in den Paddock., Foto: Sutton
Red Bull brachte viel Spaß in den Paddock., Foto: Sutton

"Ich werde keine verrückten Vorhersagen machen, aber wir werden konkurrenzfähiger sein als manche Leute dies vielleicht glauben mögen. Ich bin davon überzeugt, dass wir mehr als nur ein paar Leute in der Startaufstellung überraschen werden." (David Coulthard)

Wenn man sich diese Aussage von David Coulthard aus dem Winter 2004 betrachtet, dann steht fest: David sollte vielleicht Lotto spielen. Jedenfalls könnte er es dabei mit solchen Vorhersagen zu viel Geld bringen. Denn obwohl niemand daran glauben wollte, entpuppte sich Red Bull Racing schon beim Saisonauftakt in Melbourne als die große Überraschung des Wochenendes. Und auch danach wussten die Dunkelblauen immer wieder zu überzeugen. DC & Co haben also mehr als nur Wort gehalten!

"Hoffentlich werden sich viele Leute mit Red Bull Racing identifizieren, da wir neue Ideen und einen neuen Geist in die F1 bringen möchten." (Christian Horner)

Und auch in diesem Punkt erfüllten die roten Bullen ihre Ankündigungen. Mit der Red Bull Energy Station hielt ein frischer Wind Einzug im F1-Paddock, welcher von selbst gedruckten Zeitungen über satirische Pressemeldungen bis hin zu unzähligen hübschen Damen reicht und die Formel 1 Welt wahrlich bereichert. Red Bull Racing hat als eines der wenigen Teams alle seine Zielsetzungen erfüllt.

British American Racing

"Jemand muss den Kampf gegen Ferrari aufnehmen und ich freue mich darauf. Wir haben unsere Ziele hoch angesetzt und wir möchten sofort gewinnen. Ich gehe mit der Absicht meinen ersten Sieg einzufahren nach Melbourne. Und ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen können." (Jenson Button)

Der 007 kam erst spät ins Rollen., Foto: Sutton
Der 007 kam erst spät ins Rollen., Foto: Sutton

Diese Zuversicht war fehl am Platz. Zumindest behielt Jenson damit Recht, dass die Ziele "hoch angesetzt" waren. In der ersten Saisonhälfte sogar zu hoch. Performance-Probleme des 007 sowie mangelnde Zuverlässigkeit und eine Disqualifikation samt folgender Rennsperre sorgten dafür, dass Button statt eines Sieges im ersten Rennen erst im zehnten WM-Lauf seine ersten Punkte holen konnte. Die Weißen sind also an der Zielsetzung meilenweit vorbeigeschossen.

"Wir müssen in diesem Jahr mit dem Siegen anfangen. Wir müssen aus eigener Kraft gewinnen. Nur so kommt man in die Lage um die Weltmeisterschaft kämpfen zu können." (Geoffrey Willis)

Auch nach 13 Rennen scheinen Siege für British American Racing in diesem Jahr utopisch zu sein. Vom WM-Titel ganz zu schweigen...

Sauber

"Unser Ziel ist, den Schwung aus der Saison 2004 beizubehalten und den Abstand auf die Spitze weiter zu reduzieren. Prognosen sind jedoch diesmal aufgrund der einschneidenden Reglementänderungen besonders schwierig." (Peter Sauber)

Peter Sauber wie er leibt und lebt: Eine besonnene, realistische und zurückhaltende Einschätzung einer Saison, die sich besonders zu Beginn als äußerst schwierig für die Hinwiler entpuppen sollte. Dennoch konnte man den verlorenen Schwung zur Saisonmitte wieder zurückgewinnen und nach anfänglichen Schwierigkeiten auch Jacques Villeneuve zu WM-Zählern verhelfen. Angesichts der vorsichtigen Prognose kann man zumindest nicht davon sprechen, dass die Schweizer ihre Ziele verfehlt hätten.

Jordan

Die Gelben müssen sich gegen Minardi zur Wehr setzen., Foto: Sutton
Die Gelben müssen sich gegen Minardi zur Wehr setzen., Foto: Sutton

"Wir möchten im Laufe der Saison konstante Verbesserungen erzielen und mehr über das Zusammenspiel des neuen Motors und des Chassis lernen. Wir möchten hin und wieder in die Punkte fahren und Red Bull schlagen." (Colin Kolles)

Wie viel Jordan bislang in dieser Saison lernen konnte, sei einmal dahin gestellt. Die anderen Ziele blieben unterdessen unerfüllt. Red Bull fährt in einer anderen Liga als die nicht weiter entwickelten gelben Boliden, konstante Verbesserungen am Auto können noch nicht einmal mit der Lupe gefunden werden und regelmäßige Punkteankünfte liegen in endlos weiter Ferne. Das überraschend gut gefüllte Punktekonto verdankt man unterdessen dem Indy-Fiasko und Tiago Monteiros drittem Rang.

Minardi

"Der PS05 sieht radikal neu aus, anders als jeder Minardi davor. Wir freuen uns darauf gegen die Jordan zu kämpfen." (Paul Stoddart)

Unglaublich radikal sieht der neue Minardi zwar nicht aus, aber zumindest die zweite Ankündigung konnte die kleine Truppe aus Faenza erfüllen: Seit dem Debüt des neuen Boliden rücken sie Rennwochenende für Rennwochenende näher an Jordan heran. Und auch wenn man ausgerechnet im entscheidenden 'Rennen' in Indianapolis den Kürzeren gegen die Gelben gezogen hat, dürfen sich die Italiener bislang als Gewinner des Hinterbänklerduells fühlen. Die Zielsetzung wurde demnach mehr als nur erfüllt.