Vor zwei Jahren kassierten Ferrari und Bridgestone in Ungarn die schwerste Niederlage ihrer fünfjährigen Titel-Dominanz. Michael Schumacher wurde damals aber nicht nur abgeschlagener Achter, sondern auch vom überlegenen Sieger Fernando Alonso überrundet. Dennoch stellte dies für die Roten eine Art Wende dar: Nach der Schmach von Budapest verloren sie in jenem Jahr kein einziges Rennen mehr und verteidigten abermals beide WM-Titel.

Während ihnen ein solches Kunststück, trotz der verbesserten Vorstellung in Ungarn, in dieser Saison nicht mehr gelingen wird, könnte der Ungarn GP trotzdem wieder den Anfangspunkt einer Aufholjagd dargestellt haben. Diesmal allerdings des Finnen Kimi Räikkönen, der seinerseits den einstigen Debütsieger Fernando Alonso überrundete. Es bleibt also die Frage: Folgt im WM-Kampf das Comeback der Silbernen oder kann Renault wie einst Ferrari nach der Niederlage von Budapest zurückschlagen?

Die silberne Wende?

Ist Kimi seit diesem Moment zurück im Titelkampf?, Foto: Sutton
Ist Kimi seit diesem Moment zurück im Titelkampf?, Foto: Sutton

In den Reihen von McLaren Mercedes ist man sich natürlich sicher, dass ersteres der Fall sein wird. Jedenfalls wünscht man sich das. "Es sieht definitiv wieder besser aus", nuschelte der siegreiche Ice Man, so wenig euphorisch wie eh und je, in die Mikrofone. "Es sind noch sechs Rennen zu fahren und wenn wir diese Resultate aufrechterhalten können und vielleicht etwas mit ihm [Fernando Alonso, d. Red,] geschieht, dann sind wir eindeutig noch im Titelkampf."

Für Norbert Haug gibt es deshalb nur ein Wunschergebnis für die anstehenden Rennen nach der Sommerpause: "Drei Rennen wie dieses und dann sind wir vorne", träumt er von einer Fortsetzung der aktuellen "Trendwende". Unsere Fußballkollegen würden wohl davon sprechen, dass McLaren und Kimi diesen Erfolg so kurz vor der dreiwöchigen Pause zu einem 'psychologisch günstigen Zeitpunkt' erzielt haben.

In die silbernen Karten spielte ihnen die gelb-blaue Flaute auf einer Strecke, welche von Anfang an als Renault-Kurs und Lieblingsstrecke des spanischen WM-Leaders galt. Aber so ist der Motorsport nun einmal: Unberechenbar. Während Renault trotz seiner Bedenken in Silverstone gut abschneiden konnte, widerfuhr es ihnen in Ungarn genau umgekehrt. Statt wie erwartet mit McLaren um den Sieg zu kämpfen, waren sie eigenen Worten zu Folge "das gesamte Wochenende über nicht konkurrenzfähig".

Nachdem auch noch Pech, wie Alonsos Startunfall mit Ralf Schumacher, hinzugekommen war, reichte ihre enttäuschende Pace auf dem überholfeindlichen Hungaroring nicht aus, um wie einst beim Saisonauftakt in Melbourne durch das ganz Feld nach vorne zu fahren.

Fernando musste gegen die Minardi kämpfen., Foto: Sutton
Fernando musste gegen die Minardi kämpfen., Foto: Sutton

Aus dem erhofften Duell gegen Kimi, wurde also entgegen den Erwartungen und Hoffnungen der Franzosen ein Duell gegen die Hinterbänkler und Mittelfeld-Teams. Noch dazu ein Duell, welches für beide Renault-Fahrer außerhalb der Punkteränge endete und somit keine Schadensbegrenzung zuließ.

In der McLaren-Box sorgte das natürlich für fröhliche Gesichter. "Wir sind wieder zurück im Fight", trällerte Ron Dennis in die Mikrofone und Kimi Räikkönen entsandte noch vor dem Verstummen der Motoren und der anstehenden Pause eine Kampfansage in Richtung Renault: "Wir werden unser Bestes geben und können hoffentlich in den nächsten beiden Rennen die Lücke schließen."

Sollte es dem Ice Man tatsächlich gelingen seine Ankündigung in der Türkei und Belgien in die Tat umzusetzen, dann erwartet uns doch noch ein nach Hockenheim unerwartet spannender WM-Endspurt, dessen Ursprung in der Renault-Pleite von Ungarn zu suchen wäre. Aber vorerst ist dies alles nur graue Theorie. Oder besser gesagt: Silberne Theorie...

Die rote Auferstehung?

Der 20. Große Preis von Ungarn warf aber nicht nur die Frage auf, ob Kimi Räikkönen tatsächlich noch in den WM-Titel eingreifen kann oder ob Renault sich von seinem kleinen Waterloo triumphal zurückmelden wird. Der Jubiläums-GP im Monaco des Ostens sorgte auch noch für ein weiteres Fragezeichen: Kehrt Ferrari noch 2005 zu alter Stärke zurück?

Sind die Roten wieder da?, Foto: Sutton
Sind die Roten wieder da?, Foto: Sutton

Die erste Pole Position der Saison wollte Michael Schumacher am Samstag jedenfalls noch nicht überbewerten: "Es gibt keinen Grund nicht an ein Comeback von Ferrari zu glauben", gab sich der siebenfache Champion angriffslustig. "Allerdings müssen wir abwarten, ob dies nur daran liegt, dass diese Strecke den Reifen und dem Auto liegt oder ob es ein allgemeiner Trend ist."

Nach dem Rennen lässt sich sagen, dass wohl eine Mischung aus allen genannten Faktoren für die ungarische Wiedergeburt der Scuderia verantwortlich war. So betont Ross Brawn nicht umsonst die vielen aerodynamischen Veränderungen der vergangenen Wochen, welche sich irgendwann in der Performance widerspiegeln mussten. Aber auch die Bridgestone-Reifen zeigten auf der einen Qualifying-Runde sowie in der frühen Rennphase eine stark verbesserte Leistung. Allerdings waren sie sowohl in Hockenheim als auch in Budapest ab Rennmitte nicht mehr konkurrenzfähig, da sie zu stark abbauten.

Und drittens kam der Hungaroring als Fahrerstrecke mit vielen Kurven und keinerlei Überholmöglichkeiten Michael Schumacher und seinem F2005 entgegen. Interessanterweise holte der Champion auch seinen ersten Podestplatz des Jahres auf einer Strecke die als überholfeindlich gilt, was unter anderem auch einer der Gründe dafür war, dass Schumacher in Imola nicht vor Fernando Alonso auf dem obersten Podestplatz stehen durfte.

Ob Ferrari diese Form aber auch beim GP-Debüt in der Türkei wiederholen wird können, steht vorerst auf einem anderen roten Blatt Papier. Deswegen betont Schumacher ganz offen: "Wir haben einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Aber wir müssen dies nun auf anderen Strecken bestätigen."

Rot blieb nur zu Rennbeginn vor Silber., Foto: Sutton
Rot blieb nur zu Rennbeginn vor Silber., Foto: Sutton

Entsprechend muss auch Ross Brawn zugeben, dass man in Ungarn zwar teilweise "das zweitbeste Team" gewesen sei, man aber auch "noch nicht ganz" da stehe, "wo wir sein wollen". Denn dort ist man erst angekommen, wenn die beiden Ferrari-Piloten auch nach einem Rennen mit vollbesetzter Startaufstellung wieder gemeinsam von den obersten beiden Podestplätzen herunterwinken werden.

Die Teamanalyse

Renault Zum ersten Mal in dieser Saison war Renault nicht gut genug, um siegfähig zu sein. Und das ausgerechnet auf einer Strecke, auf welcher sie in den vergangenen Jahren immer besonders stark waren. Die Hoffnungen der Franzosen liegen nun darauf, dass dies ein einmaliger Ausrutscher gewesen ist, welchen sie sich dank ihres Vorsprungs in beiden WM-Wertungen durchaus leisten können. Nach dem Ende der Sommerpause müssen sie dann jedoch beim Debütrennen in Istanbul wieder vorne mit dabei sein. Ansonsten könnten die Nerven schon bald ebenso flattern wie ihr Punktevorsprung schmelzen würde.

McLaren Zum wiederholten Male konnte es niemand mit den Silberpfeilen aus Woking aufnehmen. Zwar war Michael Schumacher zu Rennbeginn mit funktionierenden Reifen dazu in der Lage Kimi Räikkönen hinter sich zu halten, doch war der Finne zu jedem Zeitpunkt des Rennens schneller als der Deutsche. Die große Schwäche der Silbernen ist allerdings ihre fehlende Zuverlässigkeit. Diesmal musste dies Juan Pablo Montoya am eigenen Leib erfahren. Dennoch stehen auch die Chancen in der Konstrukteurs-WM seit Ungarn wieder besser. Bei nur noch zwölf Zählern Rückstand, scheint McLaren angesichts seiner Hochform dort sogar zum Favoriten zu mutieren. Kimi braucht für eine solche Position noch etwas Schützenhilfe - entweder in Form von Fehlern und Defekten bei Fernando Alonso oder in Form einer starken Konkurrenz, die sich als Puffer verdient macht.

Die Tifosi freut das Comeback ihrer Stars., Foto: Sutton
Die Tifosi freut das Comeback ihrer Stars., Foto: Sutton

Ferrari In Ungarn zeigte Ferrari jedenfalls schon einmal wie es sich McLaren vorstellt: Langsamer als die Silbernen, aber immer schneller als Renault sein. Für die Scuderia war der Ungarn GP angesichts des katastrophalen bisherigen Saisonverlaufs auf alle Fälle eine Steigerung. Um von einem Comeback sprechen zu können, müssen Michael Schumacher und Rubens Barrichello ihre Leistungen erst noch auf anderen Strecken bestätigen. Sollte dies gelingen, könnte in diesem Jahr doch noch der ein oder andere Sieg drin sein.

Toyota Bei Toyota hatte man diesen ersten GP-Sieg zuletzt schon aufgegeben und auf das kommende Jahr verschoben. In Budapest zeigten die Japaner allerdings wieder jene Leistung, welche sie schon bei den Hitzerennen zum Saisonbeginn zum Überraschungs-Team des Jahres gemacht hatte. Angesichts der zuletzt vermehrten Kritik an der mangelnden Rennpace des TF105, stellte die doppelte Punkteankunft natürlich weiß-rotes Balsam auf die geschundenen Seelen der Köln-Marsdorfer dar. Wie für Ferrari gilt es nun auch für Toyota diese Performance in der Türkei zu bestätigen. Und wer weiß: Die Strecke in Istanbul ist bekanntlich Neuland für alle, wo alles möglich ist...

Williams Auch für BMW-Williams gab es nach drei frustrierenden Rennwochenenden einen versöhnlichen Abschluss vor der Sommerpause. Mit einer doppelten Punkteankunft übererfüllten die beiden Piloten die Zielsetzung für Budapest. Dabei profitierten sie natürlich von den Problemen der Renault oder Red Bull, weshalb auch in den kommenden Wochen des Testverbots noch viel Arbeit zu erledigen ist. Ein gewisser Aufwärtstrend ist immerhin vorhanden.

Nicht Red Bull, sondern JV verlieh Flügel..., Foto: Sutton
Nicht Red Bull, sondern JV verlieh Flügel..., Foto: Sutton

Red Bull Da nicht alle Teams einen versöhnlichen Start in die Pause haben können, muss es auch enttäuschte Gesichter wie jene bei Red Bull Racing geben. Denn obwohl die Dunkelblauen erneut ein passables Wochenende erlebten und sicherlich in den Kampf um WM-Punkte hätten eingreifen können, war ihr Rennen schon in der ersten Runde beendet. Und das ohne jegliches eigenes Verschulden. Für Christian Klien könnte der frühe Ausfall doppelt bitter sein: Denn schon in der Türkei könnte Tonio Liuzzi für seine zweite Chance ins Cockpit zurückkehren.

B·A·R Fröhlichere Mienen gab es hingegen bei British American Racing zu sehen. Zwar wir die allgegenwärtige Button-Affäre das Team noch länger beschäftigen, doch sorgte die erste gewertete doppelte Punkteankunft des Jahres nicht nur bei Takuma Sato für eine gewisse Erleichterung. Auf ihrem Weg die WM-Tabelle von unten aufzurollen, sind die Weißen damit bis auf vier Zähler an Red Bull herangerobbt. Nun heißt es dieses Minimalziel von Platz sechs in der Team-WM zu erreichen und vielleicht wieder an die Form von Hockenheim anzuschließen. Denn in Ungarn war Jenson Button nicht dazu in der Lage um einen Podestplatz mitzufahren.

Sauber Das gleiche galt auch für Sauber, deren Rennen durch technische Probleme gehandicapt wurde. Ansonsten hätten Felipe Massa und Jacques Villeneuve nach einem eher mittelmäßigen Rennwochenende möglicherweise sogar in die Punkte fahren können. So gibt es jedoch noch einige Arbeit in Hinwil zu erledigen, um beim nächsten Rennen wieder schneller und standfester zu sein.

Jordan/Midland fährt auch 2006 mit Toyota-Power., Foto: Sutton
Jordan/Midland fährt auch 2006 mit Toyota-Power., Foto: Sutton

Jordan Die Zuverlässigkeit ist bei Jordan und insbesondere bei Tiago Monteiro kein Problem - zumindest nicht in den Rennen. In den Qualifyings zählt der Portugiese hingegen zu jenen Fahrern, die gerne einmal mit einem neuen Aggregat an den Start gehen und somit um zehn Plätze nach hinten versetzt werden. Letzteres macht bei den Gelben allerdings kaum einen Unterschied aus, da hier nur die Zuverlässigkeit der Toyota-Motoren, aber nicht der Speed des Jordan Boliden konkurrenzfähig ist. In Ungarn konnte man immerhin einen weiteren Sieg im Hinterbänkler-Duell gegen Minardi einfahren.

Minardi Freitags und samstags sind die Minardi-Piloten mittlerweile immer öfter vor den Jordan-Fahrern anzutreffen. Am Sonntag fallen sie wegen technischer Probleme oder diverser Zwischenfälle aber meistens wieder hinter die Konkurrenz zurück. Nichtsdestotrotz ist der Aufwärtstrend des kleinen Teams auf Faenza und Ledbury inzwischen nicht mehr zu übersehen.

Der WM-Ausblick

Während in den kommenden für neun der zehn Teams testfreien Wochen viele Gerüchte und Wechselspekulationen die Runde machen werden, erwartet uns laut Flavio Briatore in der Türkei nur im Hinblick auf die Strecke Neuland. Die Favoriten sollen jedoch wieder die üblichen Verdächtigen sein.

"Ich gehe ganz sicher davon aus, dass es sich dabei um einen einmaligen Ausrutscher gehandelt hat", macht der Renault-Boss seinen Anhängern Mut. "Nach der dreiwöchigen Sommerpause werden wir ausgeruht und mit einem weiter verbesserten Renault R25 in der Türkei antreten. Heute hatten wir einfach nur Pech."

Schlagen die Franzosen bald zurück?, Foto: Sutton
Schlagen die Franzosen bald zurück?, Foto: Sutton

Und auch Fernando Alonso blickt dem Rest der Saison "optimistisch" entgegen: "Bei einem normalen Rennverlauf wären wir deutlich konkurrenzfähiger gewesen", betont der Spanier, der noch einen beruhigenden 26-Punktevorsprung besitzt.

Aber auch seine Verfolger ruhen in den kommenden drei Wochen nicht. Im Gegenteil: Sie möchten ihre derzeit einzige Schwäche eliminieren und die Zuverlässigkeit in den Griff bekommen. "Wir haben fünf der letzten acht Rennen gewonnen und haben dabei auch ein paar Siege und zweite Plätze weggeschmissen, aber der Trend spricht für unser Team", prophezeit Norbert Haug. "Wir müssen immer noch zuverlässiger werden. Trotzdem stimmt die Richtung und wenn ich die Wahl habe, ein sehr schnelles Auto zu haben und dieses dann zuverlässig zu machen, dann ist das sicherlich der bessere Weg."