Noch vor gut einer Woche herrschte in der Formel 1 das blanke Chaos. Jeder gegen jeden. Alle gegen Max Mosley. Und keiner mag die FIA. So lauteten die schlimmsten Brandherde zwischen dem FIA-Präsidenten, Paul Stoddart, den Automobilherstellern, den Michelin-Teams, Bernie Ecclestone, Ferrari sowie Michelin.

Der Auslöser für all den Wahnsinn waren natürlich das Indy-Debakel sowie die dazugehörige Verurteilung der sieben Michelin-Rennställe in zwei Anklagepunkten.

Die große Frage die sich noch vor einer Woche viele neutrale Beobachter stellten war dabei: Wen um alles in der F1-Welt interessiert das überhaupt? Was sollen die Streitigkeiten zwischen den von überbeanspruchten Egos und zu viel Machtgier getriebenen F1-Oberen? Warum muss sich Mosley mit jedem und jeder mit Mosley anlegen? Und was haben die Fans letzten Endes davon?

Die Antwort ist einfach: Gar nichts. Aber es scheinen trotzdem noch immer Wunder zu geschehen. Eines scheint mit der Bekanntgabe der Ergebnisse der FIA-Fanumfrage seinen Lauf genommen zu haben...

Die Fans möchte Racing und keine Politik., Foto: Sutton
Die Fans möchte Racing und keine Politik., Foto: Sutton

Zwar mochte keiner Max Mosley so recht glauben, als dieser mehrfach betonte und ankündigte, dass die Ergebnisse der Umfrage in die Meinungsbildung für die F1 ab dem Jahr 2008 miteinbezogen werden würden. Aber nachdem Flavio Briatore dem zuletzt hart kritisierten FIA-Präsidenten in einem Interview die Friedenspfeife gereicht und einen "gemeinsamen Zug in die richtige Richtung" als Ziel vorgegeben hatte, überraschte auch Max Mosley, nein, nicht mit seinem neuerlichen Papierkram, sondern mit einer Trendwende.

Im Bereich der Technik könnte man fast von einer Art Zurückrudern oder 180 Grad Drehung sprechen. Vor ein paar Wochen war es für Mosley in seinen Regelvorschlägen noch wichtig die Kosten zu senken und deshalb die Technologie zu beschneiden. Einheitsreifen, Einheitsgetriebe, Einheitsbremsen und Einheitsmaterialien sollten die F1 aus dem Technologieschaufenster nehmen, als welches sie die Hersteller gerne sehen. Den Herstellern legte Mosley nahe zu gehen, wenn es ihnen nicht gefalle.

Jetzt mag man es glauben oder auch nicht: Die Ergebnisse der FIA-Umfrage und die mehrheitliche Aussprache der Fans brachten Mosley - zumindest offiziell und das bedeutet wohl nicht an erster Stelle - zum Umdenken. Diese Rückbesinnung veranlasste ihn dazu den Teams eine Hybrid-Technologie für die Motoren vorzuschlagen und gemeinsam weitere Ideen zu sammeln, wie man das High-Tech-Image der Königsklasse des Motorsports beibehalten könne. Die Low-Tech-Welt, die Mosley noch vor wenigen Wochen propagierte, war für ihn plötzlich gestorben. Die Hersteller werden es gerne gesehen und als Sieg verbucht haben.

Auch ein Max Mosley kann seine Meinung ändern..., Foto: Sutton
Auch ein Max Mosley kann seine Meinung ändern..., Foto: Sutton

Dies sollte aber nicht die einzige Rückbesinnung der vergangenen sieben Tage bleiben. Getrieben von einem Meeting mit Christian Horner und Ron Dennis, die angeblich 'neue' Beweise für die unumgängliche Nichtteilnahme am Indy-Rennen mitbrachten, sorgten Mosley und der FIA Senat in einer außerordentlichen Sitzung für die nächste Überraschung: Die beiden Schuldsprüche, für welche die Michelin-Teams am 14. September verurteilt werden sollten, wurden zurückgenommen und dem FIA World Motor Sport Council zu einer seiner legendären Faxabstimmungen vorgelegt.

Zwei Wochen nach dem für viele unverständlichen Urteil und dem Einspruch der Teams gegen ihre Verurteilung ohne Strafmaß ruderte die FIA also öffentlich zurück - denn ein negativer Ausgang der Faxabstimmung dürfte wohl kaum zu erwarten sein.

Für die sieben Teams bedeutet dies, dass sie nicht mehr mit dem Makel einer Verurteilung durch das Fahrerlager laufen müssen. Für Michelin bedeutet es einen nachträglichen Sieg gegen die FIA und Mosley. Und für die Herstellervereinigung ist es ein Anzeichen dafür, dass die zuletzt wieder vermehrt vernehmbaren Kriegstrommeln wieder mit einem deutlich langsameren Rhythmus geschlagen oder vielleicht sogar ganz zum Verstummen gebracht werden können.

Kommen wirklich die Fans zuerst oder doch die Angst?, Foto: Sutton
Kommen wirklich die Fans zuerst oder doch die Angst?, Foto: Sutton

Doch warum all dies? Wie kam es dazu und vor allen Dingen: Warum kam es erst jetzt dazu? Warum mussten vorher Imageschäden und schier unendliche Diskussionen in Kauf genommen werden? Warum wurden die dunklen Wolken nicht von Anfang an vertrieben, sondern zuerst sogar noch geschürt und bis Ende September auf Eis gelegt?

Manche behaupten, dass die mittlerweile immer mehr zur Flutwelle ansteigende Klagewelle in den USA, welche ihrerseits eine Klage der Teams gegen die FIA zur Folge hätte, dem Juristen Mosley nun doch zu starke nasse Füße bescherte und man mit allen Mitteln verhindern wollte, dass die durch den Schuldspruch des FIA World Motor Sport Council vor den amerikanischen Gerichten immer mehr in Bedrängnis geratenen Teams verklagt und dadurch in den Ruin oder die Arme der Herstellervereinigung getrieben würden.

Demnach wäre dies nach dem Entgegenkommen bei der Technologie der zweite Schritt von Mosley in Richtung Automobilhersteller.

Während sich nach der letzten Woche also eigentlich wieder alle in den Armen liegen sollten, bleibt wieder einmal ein schaler Beigeschmack haften. Zum einen wegen des zweifelhaften Rückzugs der Schuldsprüche auf Grundlage von 'neuen Beweisen', die laut Michelin auch schon vor Ort in Indianapolis auf den Tischen lagen, und zum anderen, weil abermals Wochen lang unnötige Negativschlagzeilen geschrieben wurden.

Diese hätten allerdings bereits in den Tagen nach dem Indy-Skandal verhindert werden können. Und zwar ganz einfach durch eine durchdachte und von allen Seiten ohne große Gerichtsprozesse und statutengenaue FIA-Verhandlungen getragene Entscheidung die US-Besucher zu entschädigen. Statt sich zusammen an einen Tisch zu setzen und eine Lösung zu finden, wurden aber lieber alle Beteiligten zu Angeklagten gemacht und diese einzeln mit großem Medienauflauf verhört sowie öffentlich verurteilt. Und dies nur, um vierzehn Tage danach einen Rückzieher zu machen.

Somit heißt es momentan nur äußerlich: Friede, Freude, Formel 1.