"Die anspruchsvolle Strecke im Wildpark mit ihren Steigungen und Gefällen wurde von Freunden des Rennsports in den 50er Jahren in einem Atemzug mit dem Nürburgring oder der Targa Florio auf Sizilien genannt und ist unvergleichlich reich an Geschichten und Mythen."
Das waren die Grußworte von Erwin Teufel, dem Ministerpräsidenten des Landes Baden–Württemberg als vom 25. bis 27. Juli dieser Mythos im Flair des Schlosses Solitude von den damaligen Boliden und Piloten wieder ins Leben gerufen wurde!
motorsport-magazin.com war vertreten durch Ulrich Andiel und Tom Distler ebenfalls vor Ort. Wir konnten mit Rennlegenden der damaligen Zeit sprechen. Die Interviews von Kurt Ahrens, Hans Herrmann und Jo Vonlanthen werden allerdings an anderer Stelle veröffentlicht. Das Wochenende begann mit einer Besichtigung der Rennstrecke und endete im Fahrerlager am Schloß, das unser Hauptaufenthaltsort bleiben sollte.
Die Motoren dröhnten von 9 bis 18 Uhr. Beim Manfred von Brauchitsch Gedächtnislauf konnte man einen Alfa Romeo 8C Monza (1934), einen Bugatti 35 B (1929), einen Mercedes 680 S (1927), einen MG Monoposto (1930), einen ERA B-Type (1936), einen Maserati 4CL (1939), einen Alfa Romeo P3 und weitere Schmuckstücke bewundern. Auch der Karl Kling Gedächtnislauf ließ die Herzen höher schlagen. Hans Herrmann pilotierte den Mercedes–Benz W 196 (1954) von Juan-Manuel Fangio und Jo Vonlanthen saß im Ferrari F2 500 (1952) von Alberto Ascari. Dan Gurney steuerte einen Porsche F2 718 um den Kurs. Seine Erinnerungen an die Solitude begannen 1960 beim Formel 2 Rennen und endeten im Hafen der Ehe. Der Amerikaner lernte 1962 eine Mitarbeiterin von Rennleiter Huschke von Hanstein kennen und lieben und gewann nebenbei auch noch das Formel 1 Rennen im Porsche Typ 804. Allrounder Dickie Attwood gab im BRM F1 P261 nochmals Gas. Auf der Strecke befanden sich auch ein Brabham BT 16 F2 (1965), ein Maserati 250 F (1957) sowie ein Lotus 18 Maserati F1 (1960)...
Georg Kaufmann ist der Eigentümer vom Maserati 4CL (1939) und stellte sich unseren Fragen:
Wie kamen Sie zu Ihrem Fahrzeug?
Georg Kaufmann: Vor 40 Jahren war dieses Fahrzeug bereits mein Jugendtraum und den konnte ich mir vor 4 Jahren erfüllen. Er wurde aus Amerika in die Schweiz geholt und restauriert, wo ich ihn dann privat erstehen konnte.
Können Sie uns den Kaufpreis verraten?
Georg Kaufmann: (Lächelt und blufft) Leider nein, ich hab das Fahrzeug von meiner Freundin bekommen und bin ein anständiger Mensch, hab daher nicht nach dem Preis gefragt. Was ein Geschenk kostet, darüber redet man nicht.
Motorsport als großes Hobby?
Georg Kaufmann: Ja, ich bestreite im Jahr so 6 – 8 Rundstreckenrennen, hauptsächlich auf dem Nürburgring, Hockenheim, Monza oder Monte Carlo. Es macht mir einfach Spaß - wenn man Gas geben kann. Natürlich ohne Meisterschaftspunkte, aber auch ohne Tacho und so kann man die Geschwindigkeit schwer abschätzen.
Der erste große Pressetermin am Samstag stand ganz im Zeichen der Motorradwelt. Die Weltmeister vergangener Tage kehrten nach 40 Jahren mit ihren Öfen zur Solitude zurück. Der damalige Publikumsliebling Jim Redman erinnerte sich nochmals an seine Siege, den Rundenrekord von 1964 in der 350er Klasse und den legendären Dreikampf im gleichem Jahr mit Phil Read (Yamaha) und Giacomo Agostini (Morini). Bereits vorab lüftete der sechsmalige Titelträger den Veranstaltern ein Geheimnis: "Das damalige Fahrerlager lag an einer Pferdekoppel hinter dem Gasthaus Glemseck. Wir saßen dort jeden Abend zusammen am Lagerfeuer und brutzelten Würstchen, doch das wurde mit der Zeit etwas eintönig. Wie gerufen kamen da 5 Gänse, die allmorgendlich über die Wiese stolzierten. Tags darauf konnte die Wirtin nur noch bis 4 zählen". Dieser Vorfall konnte bis zum Jubiläum nicht geklärt werden.
Unter den Ehrengästen befanden sich auch Giacomo Agostini, der 1964 auf der Solitude sein Debüt als Werksfahrer im Ausland gab und mit 15 Weltmeistertiteln in der 350er und 500er Klasse (Rekord) zur Legende wurde. Sein Landsmann Umberto Masetti kam bereits als zweifacher Titelträger mit seinen Gileras (125/500) nach Stuttgart, konnte sich aber hier nie durchsetzen. Beide Piloten errangen zahlreiche Siege auf den Maschinen der Meccanica Verghera des Grafen Domenico Agusta und gingen zusammen mit Phil Read (Yamaha 250), Frank Perris (Suzuki TR 250) und Luigi Taverini (Honda 250) bei den legendären Solitude–Motorrädern an den Start.
Ein Gala–Abend im Maritim Hotel (Stuttgart) rundete den Tag ab. Hier trafen sich die damaligen Rennlegenden zum Abendessen und wurden vom Veranstalter mit einer Plakette geehrt. Darunter Kurt Adolff, der sich bereits im Vorfeld auf diese Veranstaltung freute und den wir am Sonntagmittag mit seiner Gattin an der Strecke trafen. Er nahm sich die Zeit, uns einige Fragen zu beantworten.
Welchen Stellenwert hat diese Veranstaltung?
Kurt Adolff: Die Veranstaltung ist sehr wichtig für die Solitude und für die Stadt Stuttgart. Sie weckt natürlich viele Erinnerungen.
Welche Rennkollegen haben Sie getroffen?
Kurt Adolff: Es waren nur noch ganz wenige da und leider verzögerte sich der Abend. Von meiner damaligen Klasse (2.000ccm) hab ich gar keinen mehr getroffen, aber mit dem Paul Pietsch, der ja jetzt schon 92 ist, hab ich natürlich zusammen gesessen und wir haben viel von früher gesprochen, auch mit Hans Herrmann. Dan Gurney saß bei mir am Tisch. Er ist erst später gefahren, dennoch hab ich ihn verschiedentlich gesehen. Die Schwester seiner Frau ist mit Norbert Haug, dem jetzigen Rennleiter bei Mercedes verheiratet.
Sie hatten ja auch eine gute Verbindung zu Mercedes?
Kurt Adolff: Ich habe unter anderem 6 Stunden-Rennen auf Mercedes bestritten und die neuen Fahrzeuge auf dem Nürburgring eingefahren. Nur das Angebot von Alfred Neubauer, eine ganze Saison als Werksfahrer zu bestreiten, mußte ich aufgrund beruflicher Verpflichtungen ablehnen. Sonst wären wir schon zusammengekommen...
Kurt Adolff gewann 1950 vor 300.000 Zuschauern im Veritas RS den Preis von Deutschland auf der Solitude. Damit sind wir bei der Sport-, GT- und Tourenwagenklasse (1950 bis 1965), in der Gunnar Elmgren ebenfalls einen Veritas steuerte. So kamen wir ins Gespräch.
Ist Ihr Veritas RS identisch mit dem Siegerwagen von 1949/50?
Gunnar Elmgren: Nein, der Wagen ist zwar von 1950, wurde aber in Schweden gebaut. Ich habe ihn vor 17 Jahren gekauft und von Bekannten restaurieren lassen.
Sie kommen ebenfalls aus Schweden?
Gunnar Elmgren: Ja, ich bin 1.700 Kilometer gefahren.
Wie lange bestreiten Sie bereits Rennen?
Gunnar Elmgren: Seit 40 Jahren. Ich habe Tourenwagen, GT und Grand Prix–Autos, wie verschiedene Maseratis gefahren.
Ihre schönste Erinnerung?
Gunnar Elmgren: Das ist sehr schwer zu sagen, da ich bereits so lange fahre. Ein Rennen in Donington ragte dabei heraus. Oft ging es nicht ums gewinnen, sondern um einen schönen Platz auf dem Podium.
Ihre Erinnerungen an die Formel 1?
Gunnar Elmgren: Ich habe in der Formel 1 gearbeitet und kenne daher einige Weltmeister, darunter Jackie Stewart, aber keine modernen Fahrer. Das sind nicht meine Leute, nicht meine Generation und einfach nicht meine Zeit.
Hatten Sie bereits gefährliche Situationen zu überstehen?
Gunnar Elmgren: Ich hatte ein paar schwere Unfälle, aber nichts was mich getötet hätte.
Wer zahlt bei Unfällen den Schaden?
Gunnar Elmgren: Oft sind die Fahrzeuge nicht versichert, weil die Beiträge einfach zu hoch sind. Dadurch passt man auch besser auf. Ich zahle also selber, habe keine Sponsoren, muss viel Geld aufwenden und habe mich auch immer selbst finanziert.
Welchen Wert hat Ihr Fahrzeug?
Gunnar Elmgren: Mein Veritas ist ein Einzelstück und daher schwer zu schätzen. Ich würde mal sagen, so 300.000 bis 400.000 Dollar. Insgesamt habe ich 4 historische Fahrzeuge.
Wie gefällt es Ihnen auf der Solitude?
Gunnar Elmgren: Wir verbringen hier leider viel Zeit mit Warten. Es finden auch keine Rennen statt, sondern nur Demoläufe, die aber auch sehr viel Spaß machen.
Ihr nächstes Rennen?
Gunnar Elmgren: Ich bestreite mit einem Freund aus Wiesbaden in 4 Wochen ein 300 Kilometer–Rennen auf dem Nürburgring. Wir fahren mit seinem Lotus 11.
Eine Vielzahl weiterer bemerkenswerter Teilnehmer war auf der Solitude vertreten. David Piper stellte einen seiner Ferrari vor, den 330 P1 aus dem Jahr 1964. Der britische Farmersohn hat allerdings auch Sportwagen von Porsche in seiner Garage stehen und verunfallte einst bei den Dreharbeiten zum Film "Le Mans", wobei er einen Teil seines Beines verlor.
Höhepunkte der Veranstaltung waren zahlreiche Demoläufe. Die Daimler Chrysler AG stellte das älteste Fahrzeug der Veranstaltung. Fahrer Michael Plag steuerte einen Mercedes–Benz Simplex von 1902. Viele Besucher träumten wohl auch von einem neuen Maybach, der in zweifacher Ausführung (57/62) zu sehen war.
Credit Swiss (Sponsor der Veranstaltung) präsentierte Heinz Harald Frentzen, der im Sauber C01 vom Team Kumschick eine Regenrunde drehte. Hierzu erklärte uns der Besitzer: "Peter Sauber und Credit Swiss haben bei uns angefragt, ob Frentzen mit dem C01 fahren darf, dann haben wir eine Absprache getroffen und darum sind wir hier"
Von Heinz Harald Frentzen interessierte uns natürlich sein Bezug zur historischen Rennvergangenheit.
Haben Sie Interesse an einen historischen Rennwagen entdeckt?
Heinz Harald Frentzen: Ja, denn ich komme jetzt in ein Alter, wo man die Autos, die man früher gefahren ist, nicht mehr so oft auf der Straße sieht. Da kommt schon ein nostalgisches Gefühl auf. Wenn ich in einigen Jahren mal ein Auto sehe, mit dem ich vor 20 oder 30 Jahren Rennen gefahren bin, das würde mir sicherlich auch Spaß machen, nochmals damit zu fahren und an die alte Zeit zu denken. Ich glaube für jeden, so auch für mich als Motorsportfan ist ein historisches Auto heute etwas Besonderes und es spielt keine Rolle, wie alt es ist.
Hatten Sie Vorbilder in der früheren Renngeschichte?
Heinz Harald Frentzen: Die älteren Kollegen von hier waren weit vor meiner Zeit. Mit Ausnahme von Hans Herrmann, den ich heute wieder getroffen habe, kenne ich sie leider nur aus den Geschichtsbüchern. Sir Jack Brabham habe ich in Australien beim ersten Rennen kennen gelernt und großen Respekt vor seiner Leistung, da er der einzige war, der auf eigenem Wagen Weltmeister wurde. Mein Idol, wie bei vielen anderen damaligen Kollegen auch, war Ayrton Senna...
Der Veranstalter sprach mit einer kleinen Einschränkung von einem einmaligen Ereignis, da das Gebiet rund um die Solitude inzwischen zu großen Teilen ein Naturschutzgebiet geworden ist. Die Rennstrecke wird es nie mehr geben und diese Veranstaltung zumindest nicht mehr im jährlichen Rhythmus...
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