Das Festival of Speed in Goodwood ist alljährlich der Höhepunkt für alle Motorsportbegeisterten Engländer, sowie Motorsport und Formel 1 Fans der früheren Jahre und Jahrzehnte. Unser f1welt.com-Yesterday Mitarbeiter Jo Klausmann erlebte Goodwood in diesem Jahr aus nächster Nähe und schildert seine Erlebnisse aus Fan-Sicht, denn schon Ex-F1 Pilot Dan Gurney sagte im Bezug auf das Goodwood Festival: "Es liegt etwas in der Luft hier. Die Fans lieben es und wir alle sind Fans." Genau dieses Gefühl möchten wir Ihnen mit unserer eher ungewöhnlichen Reportage vermitteln...

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Erinnern Sie sich noch daran, wie Sie als Kind zum ersten Mal in einem Süssigkeitenladen gewesen sind? Ja? Genau so erging es mir, als ich vor zwei Wochen beim Goodwood Festival of Speed war!

Der Ort ist dermaßen überfüllt mit Juwelen der Rennsporthistorie, dass man gar nicht weiß, wohin man als erstes schauen soll. Sahnestückchen soweit das Auge reicht. Egal, ob nun Formel-, Sport- oder Tourenwagen, Edelkarossen, Designstudien oder andere Kostbarkeiten, man findet hier einfach alles. Allesamt sind sie in beneidenswertem, und fahrbereitem Zustand.

Es war das 10. Festival in diesem Jahr, und es wird von Jahr zu Jahr größer und besser. Der Mann der dieses Schauspiel im Jahre 1993 ins Leben gerufen hat, und auf seinem bescheiden Grund und Boden durchführt heißt mit vollem Namen "Charles Henry Gordon-Lennox, Earl of March and Kinrara", kurz Lord March. Selbst ein passionierter Hobbyrennfahrer, lässt er es sich nehmen bei seinem Event selbst ins Lenkrad zu greifen und verschiedene Wagen selbst den Berg hinauf zu jagen.

Die Engländer sprechen von "Hillclimb", aber der Höhenunterschied auf der 1,16 Meilen langen Strecke beträgt nicht einmal 100 Meter. Es gibt keine Serpentinen und auch nur vier bis fünf Streckenteile, die den Namen Kurve verdienen. Ansonsten geht es geradeaus oder in weiten Bögen durch den Garten seiner Lordschaft, vorbei an seinem, "Goodwood House" genannten, Herrschaftssitz hinauf zum Ziel. Allan McNish prügelte den aktuellen Toyota Formel 1 in schlappen 42 Sekunden über die Strecke, was dem unbedarften Beobachter an der Strecke die Haare zu Berge stehen ließ, ist er doch nur durch ein paar lächerliche Strohballen geschützt!

Für Rennsporthistoriker ist es natürlich ein Traum, die Wagen vergangener Epochen in Action zu sehen. Zumal viele der großen Fahrer von damals selbst am Steuer sitzen. Der Hillclimb, also. Eine der Attraktionen. Es gibt aber noch so viel mehr hier.

Die beiden Paddocks zum Beispiel: Sie sind für jeder Mann zugänglich, keine speziellen Tickets sind nötig. Dort kann man sich völlig frei bewegen, und die Wagen in aller Ruhe aus nächster Nähe studieren – keine Zäune, keine Security... Es lässt sich dabei natürlich nicht verhindern, dass man alle paar Meter auf die Fahrer dieser Prunkstücke trifft. Und auch die lassen mit sich reden! Sie haben immer Zeit für einen kleinen Smalltalk und geben bereitwillig Autogramme. Was Sie schon immer von Stirling Moss wissen wollten, ihn aber noch nie fragen konnten? Hier können Sie es! Aber auch die vielen Mechaniker und Betreuer der Wagen sind allesamt ausgesprochen redselig und auskunftsbereit, und geben bereitwillig Auskunft zum Lebenslauf ihrer Wagen.

Des Weiteren gibt es eine riesige "Zeltstadt", mit Ständen an denen man Bücher, Modelle, Zubehör und alles rund um Rennwagen erstehen kann. Allein um sich dort durchzuarbeiten benötigt man einen halben Tag! Es finden Auktionen statt, man findet Ausstellungen und Zelte der Hersteller und Sponsoren. Auch für Kinder gibt es Playgrounds und Kurzweil aller Art. Es gibt ein Seifenkistenrennen mit absoluten Hi-Tech Geräten namhafter Hersteller wie Lotus und McLaren und ein Rennen mit Autos aus Comic-Filmen, den Whacky Racers!

Nun zu den Zuschauern. Der typische Goodwood Besucher ist very British. Sehr respektvoll, den Wagen, ihren Fahrern und anderen Zuschauern gegenüber. Es sind absolute Kenner der Szene, die wissen wie sie sich zu benehmen haben. Kein Gedränge, kein Geschubse, kein Alkoholismus und auch kein Gegröle... Nicht mit den Grand Prix von heute zu vergleichen.

Es ist wie eine Riesenparty, und alle feiern diese drei Tage miteinander. Es werden um die 180.000 Zuschauer gewesen sein in diesem Jahr, die Quellen sind sich da nicht ganz einig. Diese Leute verteilen sich auf dem insgesamt 12.000 Morgen großen Grundstück so toll, dass es nirgends wirklich überfüllt wirkt. Zur Beschreibung der Atmosphäre muss ich einige Zitate zur Hilfe nehmen: Dan Gurney sagte: " Es liegt etwas in der Luft hier. Die Fans lieben es und WIR ALLE SIND FANS!" und "Goodwood is the antidote to so much that´s wrong with modern motorsport."

Das Motto der Formel 1 heute ist doch: Wir sind die Stars, wir haben die Wagen, und ihr, bleibt bloß weg von uns. Das Motto in Goodwood heißt: Wir sind Enthusiasten, ihr seid Enthusiasten, also lasst uns zusammen ein Fest feiern!

Ihre Lordschaft und seine Helfer (u.a. Sir Stirling Moss, John Surtees, T. Wheatcroft und N. Mason) wählen für jedes Jahr bestimmte Themen aus, zu denen dann Wagen und Fahrer eingeladen werden. Dieses Jahr stand die Marke Renault im Mittelpunkt. Ihr wurde der ganze Platz vor dem Goodwoodhouse zur Verfügung gestellt. Die Franzosen brachten ca. 30 tolle Exponate nach England. Es repräsentierten u.a. Rene Arnoux, P. Tambay, J. Button...

Weitere Mottos:

50 Jahre Lotus, mit Emmo im JPS Lotus 72D,
A Tribute to Ken Tyrrell, mit Sir Jackie im Tyrrell 003,
25 Jahre Williams F1, mit Ralf Schumacher im FW 23 und A. Jones im FW 07.
Weitere Highlights gefällig?
Sterling Moss im Targa Florio Mercedes 300 SLR von 1955,
Tony Brooks im Vanwall von 1958,
John Surtees im Honda F1 von 1968,
Jacky Ickx in div. Porsches und Ferraris,
Sir Jack Brabham im Cooper von 1960, und so viele viele andere mehr...
Und wer bis dahin noch keine feuchten Augen bekommen hatte, dem stand spätestens bei der Vorbeifahrt von Stefan Bellofs 84`er Tyrrell das Wasser in den Augen.

Was kann ich Ihnen noch sagen? It just blows you away! Da lassen sich die gesalzenen Preise um Hunger und Durst zu stillen allemal verschmerzen. Man vergisst solche Nebensächlichkeiten gerne wenn man vor lauter Stauen nichts mehr anderes realisiert, eben - Like a kid in a candy store...