Wer erinnert sich nicht noch daran, als Eddie Jordan den Begriff "Boxenluder" salonfähig und unzählige gelb sowie knapp bekleidete junge Dame weltberühmt machte? Wer erinnert sich nicht noch daran, als Eddie Jordans Band V10 im Fahrerlager und auf Events für gelbe Power sorgte? Wer erinnert sich nicht noch daran, als wilde Tierlackierungen von der Schlange über die Hornisse bis hin zum Hai die gelben Fahrzeugschnauzen zierten? Und wer erinnert sich nicht noch daran, als Jordan als 'Best of the Rest' die Nummer 3 hinter McLaren und Ferrari darstellte?

Die neue Ära

Doch all dies ist vorbei. Der Rock'n'Roll ist tot. Zumindest bei Jordan. Denn während sich - man ist fast schon dazu geneigt zu sagen: Gott sei dank - mit Red Bull Racing ein würdiger Nachfolger für die Fun-Truppe von Crazy Eddie gefunden hat, der das Fahrerlager mit Girls und Energy Drinks füllt und für viel gute Laune in der neuen Partyzentrale des Fahrerlagers namens Energy Station sorgt, ist das Ex-Team von Eddie Jordan zu einem gelben Nichts verkommen.

Eddie haut nicht mehr auf die Pauke., Foto: Sutton
Eddie haut nicht mehr auf die Pauke., Foto: Sutton

War der sportliche Verfall bereits in den letzten Jahren unter der Führung des geschäftstüchtigen Iren nicht mehr zu übersehen und ebenso wenig abzuwenden, scheint die Lage beim Team aus Silverstone auch jetzt - nachdem der x-te Übernahmeversuch im Winter endlich geklappt hatte - nicht viel rosiger um die einstige Überraschungsmannschaft der Jahre 1998 und 1999 zu stehen.

So dürfen sich die Mechaniker nicht über weitere Grand Prix Siege, wie einst mit Damon Hill oder Heinz-Harald Frentzen, freuen, sondern winken sie mit den Worten "Es ist die Hölle" schwer getroffen ab. Als eines der großen Problemfelder wird hierbei immer wieder der Geschäftsführer Colin Kolles genannt, den manche sogar als "fachliche und menschliche Katastrophe" bezeichnen.

Zusammen mit Kolles und dem neuen Teambesitzer Alex Shnaider kam im letzten Winter auch der mittlerweile ehemalige Sportdirektor Trevor Carlin an Bord des sinkenden gelben Schiffes. Nach nur sieben Rennwochenenden unter der neuen Führung nahm der Brite allerdings noch vor dem Kanada GP wieder seinen Hut, um sich zukünftig wieder ausschließlich auf seine Rolle als Teamchef von Carlin Motorsport zu konzentrieren.

An seine Stelle trat seine bisherige rechte Hand Adrian Burgess, der mittlerweile immerhin zwei Punkteankünfte und das erste Podium seit Giancarlo Fisichellas Chaossieg von Brasilien 2003 feiern durfte. Allerdings unter ähnlich chaotischen Umständen wie im verregneten Interlagos. Schließlich gingen in Indy nur sechs Autos an den Start...

Alex Shnaider, der neue Herrscher im gelben Reich., Foto: Sutton
Alex Shnaider, der neue Herrscher im gelben Reich., Foto: Sutton

"Alex Shnaider und Colin Kolles haben eine sehr klare Vision dessen, was sie mit MidlandF1 erreichen möchten und der Kauf von Jordan GP war nur der erste Schritt", lauteten die offiziellen Abschiedsworte von Trevor Carlin, der diese Vision aber nicht weiter beschrieb und - trotz der vom Team später nachgereichten Begründung, dass er aus privaten Gründen zurückgetreten wäre - wohl auch nicht teilte.

Übergangsjahr oder Untergangsjahr?

Die aktuelle Saison bezeichnen der kanadisch-russische Teambesitzer und sein rumänischer Managing Director derweil immer wieder als ein Übergangsjahr, in welchem alles auf die Saison 2006 vorbereitet werden soll, in welcher man erstmals unter der Flagge des Midland Konzerns an den Start gehen wird.

Da dies bislang aber noch nicht geschieht, möchte Shnaider auch noch kein Geld in das Team investieren und drehte deshalb jede Rechnung die ihm ins Haus flatterte mehrfach um. Denn momentan würde er eigenen Aussagen zu Folge nur der Marke Jordan und nicht der Marke Midland zu Ruhm verhelfen. Und das scheint ihm im Übergangsjahr bei der Vorbereitung auf 2006 nicht in den Kram zu passen.

Also dümpelte die Entwicklung bei den Gelben seit der Übernahme des Teams mehr schlecht als recht vor sich hin und wurde auch an vielen anderen Orten mehr gespart denn ausgegeben. So stehen beispielsweise auf der offiziellen Website des Rennstalls schon seit Monaten nicht enden wollende "Wartungsarbeiten" auf dem Programm...

So sorgte Eddie für Aufsehen im Paddock., Foto: Sutton
So sorgte Eddie für Aufsehen im Paddock., Foto: Sutton

Als Entschuldigung für das Chaos führen die neuen Verantwortlichen immer wieder gerne an, dass man eine komplett marode Firma von Eddie Jordan übernommen habe - was durchaus den Fakten entspricht -, bei welcher gerade einmal ein paar nicht einsatzfähige Chassis herumstanden.

Entsprechend kochten in den vergangenen Wochen sogar schon wieder erneute Verkaufsgerüchte rund um das Team über, welche aber verfrüht waren und sofort dementiert wurden - selbst da Shnaider es nicht ausschließen wollte, dass Team eines Tages wirklich wieder zu verkaufen. Er sagte mehr oder minder viel sagend: "Alles wird ge- und verkauft..."

Der Brandherd Fahrer

Neben den Brandherden bei der Weiterentwicklung, bei der Performance des Autos oder dem Team an sich, entfachte Colin Kolles in Kanada nach dem Abgang von Trevor Carlin ein weiteres Feuer: Denn mit Carlin war der große Fürsprecher und Förderer der beiden langjährigen Carlin Motorsport Piloten Narain Karthikeyan und Tiago Monteiro von Bord gegangen.

"Wir wissen alle, dass die Fahrer Rookies sind", betonte Kolles einen Tag nach dem Abschied von Carlin. "Aber ich war mit Narains Leistung in Monte Carlo und am Nürburgring nicht sehr glücklich. Und er weiß das auch."

Was sich für den ersten Inder der F1-Geschichte nicht gerade positiv anhört, hat allerdings auch eine Grundlage. Denn tatsächlich schnitt Karthikeyan bei den letzten Grand Prix sowohl im Rennen als auch im Qualifying sichtbar schlechter ab, als sein portugiesischer Teamkollege, welcher hingegen bei den ersten Saisonrennen gegenüber Narain im Hintertreffen war.

So sorgte Alex Shnaider für zu viel Aufsehen., Foto: Sutton
So sorgte Alex Shnaider für zu viel Aufsehen., Foto: Sutton

"Zu Beginn war Tiago etwas hinter Narain, nun macht Tiago den besseren Job", analysierte Kolles folgerichtig. "Beide Fahrer sind nicht so schlecht, wie es den Anschein hat. Wir müssen ihnen ein besseres Auto geben und dann werden sie besser aussehen. Wir sind realistisch genug um zu wissen, dass unser Auto nicht gut ist."

Trotzdem spreche man für die kommende Saison, das erste Jahr unter dem Namen MidlandF1, mit "vielen Fahrern". Einer davon ist Testfahrer Robert Doornbos, dem das Team schon vor einigen Wochen einen Stammfahrervertrag vorgelegt haben soll. Ein anderer, der schon 2005 und zwar in Magny Cours, im Auto sitzen könnte ist Renault-Tester Franck Montagny, der bereits am Nürburgring für die Gelben testen durfte.

Doch trotz der korrekten Kritik-Einschränkungen seitens Kolles, war Karthikeyan von den Worten seines Chefs alles andere als begeistert: "Ich weiß nicht worüber er sich beschwert. Die ersten fünf Rennen waren gut und ein paar schlechte Rennen müssen einem auch erlaubt sein."

Zudem betonte Narain: "Colin muss auch realisieren, dass dieses Auto wirklich schlecht zu fahren ist und es leicht ist Fehler zu machen. Also sollten sie auch versuchen das Auto zu verbessern." Die Fronten scheinen sich durch den Abgang von Trevor Carlin also tatsächlich verhärtet zu haben: "Er ist nur das Management, deshalb muss ich nicht mit ihm sprechen", lautete Narains Schlussfolgerung, bevor man sich am Folgetag - zumindest offiziell - wieder versöhnte.

Das Problem mit Dallara

Ein weiterer Brandherd ist das Auto für die neue Saison. Denn während für dieses noch immer kein Motorenpartner gefunden wurde, eine Verlängerung mit Toyota aber als wahrscheinlich gilt, sollte der erste MidlandF1-Renner komplett bei der italienischen Rennwagenschmiede von Dallara entstehen.

Die Hornissen stachen erfolgreich zu., Foto: Sutton
Die Hornissen stachen erfolgreich zu., Foto: Sutton

Nachdem man über den Winter aber schon des Öfteren Uneinigkeiten zwischen Shnaider und Dallara heraushören konnte, bestätigte Kolles zuletzt, dass der neue Wagen dank des Aufkaufs von Jordan jetzt komplett in Silverstone entstehen werde. Bei Dallara nutzt man unterdessen nur noch die bezahlten Windkanalstunden aus. Welches Personal, nach der großen gelben Flucht zu Jahresende, den neuen Wagen designen und bauen soll, steht allerdings noch nicht fest.

Immerhin versucht man bei den im F1-Padock gerne schon einmal als "seltsame Gestalten" bezeichneten Midland-Verantwortlichen seit dem Spanien GP einige der alten Jordan-Traditionen wieder aufleben zu lassen. Etwa durch extra eingeflogene Boxenluder - welche dem Team durch ihre übertriebene Freizügigkeit allerdings gleich einen Rüffel einbrachten.

Bleibt zu hoffen, dass der seit Freitag - wegen eines fehlenden Teiles mit einem Tag Verspätung - getestete EJ15B tatsächlich einen kleinen Quantensprung in Richtung Sauber und Red Bull ermöglicht und nicht zu einem ähnlichen Bumerang wie die Rückkehr der Jordan-Girls wird. Ansonsten könnte der mittlerweile beinhart geführte Kampf gegen Minardi tatsächlich verloren gehen...

Augen zu und durch

"Nun müssen wir das Visier runterklappen und mit unserer Arbeit weitermachen. Und die lautet das MidlandF1 Team für den Einstieg in die Weltmeisterschaft 2006 vorzubereiten", kündigte der neue Sportdirektor Adrian Burgess in seinen Einstandsworten an. Hoffentlich wird dieser Midland-Einstieg für die Noch-Gelben nicht zum Sargnagel. Denn nicht umsonst flüsterte ein ungenannter Jordan-Mitarbeiter der alten Garde am Nürburgring: "Statt der Rettung ist der Untergang in Sicht."

Midland muss seinen Biss erst noch beweisen., Foto: Sutton
Midland muss seinen Biss erst noch beweisen., Foto: Sutton

Eddie Jordan dürfte sich angesichts der unverändert schlechten Vorzeichen und beim Anblick der traurigen Überbleibsel jenes Teams, welches noch immer seinen Namen trägt, jedenfalls kopfschüttelnd im Sonnen überfluteten Liegestuhl umdrehen.

Schließlich war Jordan einst jenes Team, das den Begriff "Boxenluder" salonfähig und unzählige gelb sowie knapp bekleidete junge Dame weltberühmt machte. Es war jenes Team, für das Eddie Jordans Band V10 im Fahrerlager und auf Events für gelbe Power sorgte. Es war jenes Team, das wilde Tierlackierungen von der Schlange über die Hornisse bis hin zum Hai auf die gelben Fahrzeugschnauzen malte. Und es war jenes Team, das hinter McLaren und Ferrari als 'Best of the Rest' die Nummer 3 darstellte.