Drei verschiedene Sieger, fünf verschiedene Pole-Halter, eine spannende WM, abwechslungsreiche und packende Rennen, begeisterte Fans und jeden Menge bester Unterhaltung - Die Formel 1 Saison 2005 ist das Beste, was Bernies Zirkus seit vielen Jahren zustande gebracht hat!

So hätte sich ein Fazit der ersten Saisonhälfte nach dem achten Saisonrennen in Montreal angehört. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Formel 1 Welt noch in Ordnung. Niemand sprach vom Tod der Königsklasse und dem schwarzen Sonntag von Indianapolis, der nur eine Woche nach dem umjubelten Freudenfest auf der Ile de Notre Dame stattfinden sollte.

Allerdings hat die diesjährige Mammutsaison 19 Rennen, weswegen man frühestens nach dem neunten WM-Lauf von einem Halbzeitrennen sprechen kann - und dieses ging ausgerechnet im Land der unbegrenzten Marketingmöglichkeiten fürchterlich in die Hose. Für viele war die Farce von Indy sogar der Schwanengesang für die F1 in Nordamerika.

Bis Indy gab es zumindest Racing & Politik., Foto: Sutton
Bis Indy gab es zumindest Racing & Politik., Foto: Sutton

Aber darf man nach dem Michelin-Fiasko und dem Bridgestone Grand Prix tatsächlich die gesamte noch ausstehende Saison einfach so abschreiben respektive alle vorherigen acht Rennen und deren Kurzweil verdammen? Wir jedenfalls versuchen in unserer Halbzeitbilanz trotz der Schatten von Indy die positiven Seiten des F1-Jahres 2005 zu beleuchten...

Die Rennen Und dieses F1-Jahr begann in Downunder mit einem echten Knaller: Ein vom Wetter untergrabenes 1. Qualifying bescherte der F1-Welt eine durchmischte Startaufstellung, jede Menge Aufholjagden durch das gesamte Feld und am Ende einen in Fachkreisen nicht unerwarteten Sieger: Giancarlo Fisichella und Renault.

Von der altbekannten roten Dominanz des Vorjahres, welche die F1 für viele so langweilig und uninteressant gemacht hatte, war derweil in dieser Saison weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen schickte sich Renault an die Italiener an der Spitze abzulösen und siegte Fernando Alonso gleich drei Mal in Folge, wobei die Scuderia Ferrari nach einem enttäuschenden Saisonstart bei ihrem Heimspiel in Imola bis zur letzten Kurve um den ersten Saisonsieg mitfighten konnte.

Fisico hat seit Melbourne nichts mehr zu lachen., Foto: Sutton
Fisico hat seit Melbourne nichts mehr zu lachen., Foto: Sutton

Ab dem Spanien GP begann dann das silberne Zeitalter dieses F1-Jahres, welches Kimi Räikkönen zwei seiner drei Saisonsiege bescherte und zugleich auch den Aufschwung einer neuen deutschen Nummer 1 sah: Nick Heidfeld stand sowohl in Monaco als auch bei seinem Heim-GP in der Eifel als Zweiter auf dem Podium und holte dort zudem seine erste Pole Position!

Angesichts der wechselnden Sieger, ungewohnt spannenden Rennverläufen und der neuen WM-Situation stellten die ersten acht Saisonrennen also einen klaren Fortschritt zum vergangenen Jahr dar. Bis in Indianapolis das Unglück seinen Lauf nahm und die F1 in ihre schwerste Krise seit dem Teamorderskandal von Spielberg schlitterte.

Die Regeln Als einer der Auslöser für das Chaos von Indy wurde in den letzten Tagen immer wieder das neue Reifenreglement genannt, welches bereits einige Wochen zuvor beim Europa GP im Mittelpunkt stand. Damals flog bekanntlich Kimi Räikkönen wegen eines durch einen Bremsplatten ausgelösten Aufhängungsbruchs in der letzten Runde in die Reifenstapel ab und sorgte damit für eine nicht enden wollende Sicherheitsdiskussion.

Die Fans haben eine klare Meinung zu Michelin., Foto: Sutton
Die Fans haben eine klare Meinung zu Michelin., Foto: Sutton

Bis zu diesem Zeitpunkt war die neue Reifenregel, welche besagt, dass die Pneus nach dem Qualifying nicht mehr gewechselt werden dürfen, durchaus als eine der wenigen positiven Änderungen im Vergleich zum Vorjahr angesehen und von vielen Experten und Verantwortlichen gelobt worden. Denn durch die fehlenden Reifenwechsel kam es vor allem gegen Rennende zu einigen Überholmanövern. Und bis zu Kimis Unfall sowie natürlich bis zum Indy-Desaster schien auch die Zuverlässigkeit kein Problem zu sein. Die Vermutung, dass die Reifenhersteller nach einem eher konservativen Saisonbeginn mittlerweile mehr riskieren, scheint sich mittlerweile aber bestätigt zu haben.

Ebenso wenig ein Problem war die Zuverlässigkeit bei den neuerdings für zwei Rennwochenenden vorgesehen V10-Aggregaten. Allerdings schnitt diese Regeländerung sehr viel schlechter gut ab. Was natürlich daran liegt, dass die langlebigen Motoren den bereits im Vorjahr eingeführten Rundengeiz in den Freien Trainings noch einmal um ein Vielfaches verstärkten.

Wieder einmal überhaupt keinen Fortschritt konnte man derweil mit dem mittlerweile fünften neuen Qualifyingsystem erzielen, wobei auch die Neuregelung seit dem Nürburgring alles andere als der Weisheits letzter Schluss ist. Schließlich ist der Einfluss der Rennstrategie auf die Pole mittlerweile wieder genauso groß, wie die Übersicht über die tatsächlichen Leistungen der Fahrer minimal ist. Vom wahren Kräfteverhältnis der Teams mit leichten Autos ganz zu schweigen...

Sonst ist nur im Qualifying nur ein Auto unterwegs., Foto: Sutton
Sonst ist nur im Qualifying nur ein Auto unterwegs., Foto: Sutton

Die unendliche Geschichte rund um das Qualifying-Format scheint sich also auch weiterhin frei nach Douglas Adams dem Motto verschrieben zu haben: "Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau rausfindet, wozu das Qualifying da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch etwas noch Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt."

Die Neuen Fünf Rookies dürfen sich in dieser Saison erstmalig in der Königsklasse des Motorsports versuchen, wobei ein Fahrer dieses illustren Quintetts nur auf Teilzeitbasis im Cockpit-Sharing-System zum Einsatz kommt. Die Rede ist natürlich von Red Bull Junior Tonio Liuzzi, der bei seinen Einsätzen zwischen Imola und dem Nürburgring zwar gute, aber keine sehr guten, absolut überzeugenden Eindrücke hinterlassen konnte.

Die anderen vier Rookies verteilen sich auf die beiden Hinterbänkler-Teams von Jordan und Minardi, was deren Chancen auf WM-Punkte - außerhalb von Chaos-Rennen wie dem US GP - natürlich beinahe bei Null ansiedelt. Dennoch hinterließen vor allem die beiden Minardi-Piloten Christijan Albers und Patrick Friesacher einen starken Eindruck, wobei der Niederländer zunehmend besser in Fahrt zu kommen scheint.

Es war kein Glanzstück, aber Tiago hat den Pokal., Foto: Sutton
Es war kein Glanzstück, aber Tiago hat den Pokal., Foto: Sutton

Eine ähnliche Situation zeichnet sich auch bei Jordan ab. Denn während hier - wie bei Minardi Friesacher - der Inder Narain Karthikeyan während der ersten Saisonläufe klar die Nase vorne hatte, entpuppte sich an den vergangenen Rennwochenenden immer der Portugiese, der in Indy nicht nur seine 100%ige Zielankunftsquote aufrecht erhielt, sondern als einziger Rookie auch auf's 'Podest' fahren konnte, als schneller.

Die Rückkehrer Wir hatten in dieser ersten Halbserie aber nicht nur Neulinge, sondern auch einige Rückkehrer in die F1-Welt zu begrüßen. So durften sowohl Pedro de la Rosa als auch Alexander Wurz während Juan Pablo Montoyas Verletzungspause in Folge eines 'Tennis'-Unfalls je einen Grand Prix bestreiten und machten beide Silberpfeil-Ersatzmänner ihre Sache äußerst gut. Nicht ganz so viel Glück war Ricardo Zonta beschieden. Denn sein GP-Comeback endete nach der Einführungsrunde in der Boxengasse von Indianapolis. Und auch das vierte Comeback verlief für Anthony Davidson alles andere als ideal. Schließlich schied er in Malaysia bereits nach zwei Runden mit einem Motorschaden aus.

Die Reifen Auch beim schwarzen Gold gilt es die Pre- und die Post-Indy-Zeit zu unterscheiden. Denn vor dem Grand Prix der USA galt Bridgestone als klarer Verlierer der ersten Saisonhälfte und vor allem des ersten Saisondrittels, in welchem die japanischen Pneus nur in Imola funktionierten - dafür allerdings exzellent.

Die Japaner bekamen zu Beginn jede Menge Prügel., Foto: Sutton
Die Japaner bekamen zu Beginn jede Menge Prügel., Foto: Sutton

Und obwohl der erste Bridgestone-GP-Triumph dieses Jahres unter den mehr als nur frag- sowie merkwürdigen Umständen im Nudeltopf von Indy zustande kam, gehen die Japaner als klarer Gewinner des Nordamerikaabstechers hervor. Schließlich konnten sie dank ihrer Firstone-Informationen vom Indy 500 einen haltbaren Reifen mit zum Brickyard bringen, während Michelin auf dieser Linie komplett versagte. Angesichts eines solch fatalen Patzers scheint das Reifenduell nach Halbzeit 1 ein in letzter Sekunde erkämpftes Remis zu sein.

Die Gewinner Bis zum vergangenen Wochenende waren die Fans sicherlich die größten Gewinner der ersten Saisonhälfte. Spannende Rennen, eine packende Meisterschaft, viele Sieganwärter und berechtigte Hoffnungen auf noch mehr konkurrenzfähige Teams in der Zukunft.

Auf Seiten dieser Teams muss gleich ein Quartett als Gewinner der ersten Saisonhälfte angeführt werden. Allen voran natürlich die beiden WM-Kandidaten Renault und McLaren, die beide großartige Arbeit leisteten - die einen im Winter, was ihnen einen spektakulären Saisonstart bescherte, die anderen auch noch während der Saison, was sie in die Situation brachte mittlerweile das beste Auto ihr Eigen nennen zu dürfen - und zurecht die Team-Wertung anführen.

Die Weiß-Roten sind die Überraschung der Saison., Foto: Sutton
Die Weiß-Roten sind die Überraschung der Saison., Foto: Sutton

Aber auch die beiden Überraschungsteams dieses Jahres haben eine gebührende Erwähnung als Gewinner verdient: So sorgte Red Bull Racing nicht nur dafür, dass der Spaß und Fun-Faktor wieder ins F1-Fahrerlager zurückkehrte, sondern überraschte man auch mit einem sensationellen Saisonstart und regelmäßigen Punkteankünften. Selbst da es in den letzten Rennen langsam, aber stetig bergab ging.

Eine noch größere Überraschung stellen jedoch die Japaner von Toyota dar, die nicht nur regelmäßig auf's Podest fahren konnten, sondern auch im Qualifying durch Startplätze in der ersten Startreihe und die erste Pole Position durch Jarno Trulli zu glänzen wussten.

Und jener Jarno Trulli gehört aus Fahrersicht neben WM-Spitzenreiter Fernando Alonso und dem Finnen Kimi Räikkönen ganz klar zu den Gewinnern der ersten neun Rennwochenenden. Aber auch der Brasilianer Felipe Massa wusste bislang zu überzeugen. Der größte Gewinner aus deutscher Sicht ist hingegen ein Mann, der im Winter noch einen elendiglich langen Shoot-Out bestreiten musste, um überhaupt in diesem Jahr an den Start gehen zu dürfen. Doch mittlerweile hat Nick Heidfeld sogar seinen hoch gelobten Teamkollegen Mark Webber deutlich in den Schatten gestellt.

Für Nick gab es einiges zu feiern..., Foto: Sutton
Für Nick gab es einiges zu feiern..., Foto: Sutton

Die Verlierer Dies führt uns zu den Verlierern der ersten Saisonhalbzeit. Und wer würde da besser ins Bild passen als der einzige Rennstall, der noch ohne einen einzigen WM-Zähler da steht. Nein, die Rede ist nicht von Minardi. Es geht um den amtierenden Vizekonstrukteursweltmeister British American Racing Honda. Seit die Weißen beim Saisonstart eine Regellücke ausnutzen und freiwillig ausschieden, traf sie die Rache des Sportsgeistes unentwegt.

Ebenfalls zu den Verlierern muss die ruhmreiche Scuderia Ferrari gezählt werden. Denn 63 WM-Zähler, von denen 18 durch den lächerlichen US GP eingefahren wurden, und WM-Rang drei sind nicht das, was die Italiener sich selbst zum Ziel gesetzt haben. Zumindest scheint aber mittlerweile ein leichter Aufwärtstrend zu verzeichnen zu sein.

Diesen könnte auch Jacques Villeneuve gebrauchen, der bei Sauber mehr durch Streitereien mit Teamchef Peter Sauber als durch Punkteankünfte auffällt. Und auch drei weitere so genannte Schattenmänner müssen zu den Verlierern des ersten Saisonabschnitts gezählt werden: Juan Pablo Montoya, der neben einer Verletzung und einigen schlechten Leistungen sowie Fehlern auch noch eine Disqualifikation hinnehmen musste, Ralf Schumacher, der konstant gegen seinen Teamkollegen den Kürzeren zieht, sowie Giancarlo Fisichella, der einfach der Pechvogel der Saison zu sein scheint.

Die F1-Saison ist so attraktiv wie schon lange nicht mehr..., Foto: Sutton
Die F1-Saison ist so attraktiv wie schon lange nicht mehr..., Foto: Sutton

Der Wahnsinn Wenn man die überschäumende Kritik am Reglement, den FIA-Entscheidungen und dem US Debakel als Basis ansieht, dann gehört auch FIA-Präsident Max Mosley zu den großen Verlierern des Jahres. Und tatsächlich: Mosley und die FIA waren in dieser Saison bislang an fast allen wahnsinnigen Aktionen - entweder positiv oder negativ - beteiligt.

So zum Beispiel die Rennsperre des British American Racing Teams, nach der so genannten Tankaffäre von Imola. Oder das allseits bekannte Indy-Trauerspiel rund um mögliche Alternativvorschläge. Oder die Auseinandersetzung mit Paul Stoddart vor dem Australien GP, als dieser aus nicht nachvollziehbaren Gründen den Einsatz nicht regelkonformer Autos durchsetzen wollte. Ganz zu schweigen von der immer schwelenden Regel- sowie Qualifyingdiskussion - für 2005, 2006 und ab 2008.

Die WM Nichtsdestotrotz hat sich auch durch die einschlägig bekannten Ereignisse des schwarzen Indy-Wochenendes nichts an der Ausgangslage für die noch ausstehenden zehn WM-Läufe geändert. Im Gegenteil: Mit Ferrari, McLaren und Renault sowie Alonso, Räikkönen und Schumacher sind nun genau jene drei Titelkandidaten in einen heißen und eng geführten WM-Kampf verstrickt, welche auch vor der Saison damit in Verbindung gebracht wurden. Und auch an den anderen Schlüsselfaktoren, welche die F1-Saison 2005 bis Indianapolis zu einer der besten und spannendsten Saisons seit langem gemacht haben, hat sich durch den Untergang der F1 in den Staaten nichts verändert. Die Läufe zehn bis neunzehn der längsten F1-Saison aller Zeiten können also gerne kommen!