Rote Russland-Gala in Sochi. Ferrari ist im Qualifying zum Russland GP tatsächlich das seit gefühlten Ewigkeiten Unmögliche geglückt: Kollektiv besiegte die Scuderia Mercedes an einem Samstagnachmittag. Selbst ihr Zauber-Motormodus, selbst ihre statistisch beste Strecke überhaupt konnte die Silberpfeile nicht vor der Ferrari-Offensive im Zarenreich retten. 47. Pole Position für Sebastian Vettel, Startplatz zwei für Kimi Räikkönen.

Letzterer war schon dabei gewesen als es das das bislang letzte Mal gegeben hatte - eine reine Ferrari-Startreihe eins: Vor satten neun Jahren stellte Kimi Räikkönen die rote Göttin in Magny-Cours auf P1 vor Felipe Massa. Selbst eine Pole allein ist für Ferrari schon eine ganze Weile her. Zuletzt fuhr Vettel 2015 beim Singapur GP auf Pole für die Scuderia - vor 588 Tagen.

Vettel: Endlich Mercedes im Qualifying geknackt

"Es fühlt sich wie ganze Zeitalter an! Es ist eine Weile her. Vielleicht ist es da ganz gut, das ein bisschen aufzufrischen", witzelt ein überaus gut aufgelegter Vettel. "Aber einfach großartig. Wir sind als Team natürlich sehr glücklich. Wir hatten schon gestern einen guten Lauf. Das Auto ist einfach großartig", schwärmt der WM-Leader.

Besonders viel bedeutet es Vettel, Mercedes jetzt nicht nur im Rennen, sondern auch im Qualifying bezwungen zu haben. "Fantastisch, mit beiden Autos da vorne zu stehen und die erste Reihe für uns einzunehmen. Es war an der Zeit, dass da mal eine andere Farbe zu sehen ist", sagt Vettel. Das gebe zwar keine Punkte, aber: "Mercedes war im Qualifying jetzt für so viele Jahr sowas von stark. Da fühlt es sich großartig an, dass wir in der Lage sind, das aufzubrechen!"

Vettel: Gibt kein Ferrari-Geheimnis

Ist Ferrari Mercedes jetzt also auch dieser Disziplin gewachsen, vielleicht sogar enteilt? Steht die Formel 1 vor einer neuen roten Domianz? Nach nur einem samstäglichen Coup noch eine steile These. Doch scheint es sich zumindest nicht um einen Glückswurf zu handeln. "Da gibt es kein Geheimnis. Es ist einfach der Fakt, dass du mit dem Auto klarkommst und weißt, was du tun musst", betont Vettel. "Insgesamt haben wir es (dieses Jahr, d. Red.) einfach geschafft, das Auto für das Rennen zu verbessern." In Russland komme Ferrari allerdings speziell der Kurs entgegen. "Wir waren schon vergangenes Jahr sehr stark hier", sagt Vettel. "Ich weiß nicht wie sehr Mercedes zu kämpfen hatte oder nicht, aber es ist mir auch egal. Es ist wichtiger, dass wir für uns tun, was wir tun müsen."

Knapp war es ohnehin. Keine Zehntel lag Vettel vor dem drittplatzierten Mercedes von Valtteri Bottas, Räikkönens Vorsprung war entsprechend noch geringer. "Wir wussten, dass es eng werden würde, denn Mercedes dreht im Quali immer auf. Und Valtteri war ja auch sehr nah dran. Mercedes ist nicht weit weg. Ich weiß nicht, ob der Lewis heute Probleme hatte. Ich bin sicher, dass es morgen ein sehr, sehr hartes Rennen wird. Heute war es auf jeden Fall eine große Leistung, sehr happy", sagt Vettel.

Wolff vs. Vettel: Rennen für Ferrari schon gewonnen?

Wenn sich auch ein Rückschluss auf die allgemeine Großwetterlage in Sachen nachhaltige Verschiebung des Kräfteverhältnisses Mercedes vs. Ferrari zugunsten der Scuderia kaum ziehen lässt, so scheint es zumindest für das Sochi-Wochenende doch deutliche Anhaltspunkte genau dafür zu geben.

So hält Toto Wolff einen Sieg über Ferrari für so gut wie ausgeschlossen. "Die sind das ganze Wochenende hier unheimlich schnell gewesen, haben auch eine gute Rennpace gehabt. Ich habe das Gefühl, dass es morgen nur über Ferrari geht", sagt der Mercedes-Teamchef bei Sky, spricht sogar von einer neuen Zeitrechnung.

Vettel hingegen lässt sich wie üblich nicht zu derlei Ansagen verlocken. Es gebe noch mehr als tausend Gründe, die gegen einen Sieg in Russland sprechen würden. "Wir wissen, dass es morgen schwer wird. Natürlich haben wir gute Karten, wir fahren vorne los. Wenn wir es aussuchen könnten würden wir es genauso gestalten. Aber der Start, der Weg zu ersten Kurve, die erste Runde, die Strategie, es gibt so viele Variablen, die man nicht vorhersehen kann", sagt der weltbeste Kleine-Brötchenbäcker Vettel.

"Dass wir aus der ersten Reihe starten hilft aber hoffentlich, das Momentum in Rennen mitzunehmen. Jeder, der vorne oder in der ersten Reihe steht, gehört natürlich zu den Favoriten. Aber wir wissen, dass es eng ist", ergänzt Vettel. "Was die Longruns angeht hat Valtteri gestern auch eine gute Leistung gezeigt. Mercedes war da auch sehr stark."

Damit liegt der Deutsche voll auf der Linie seines Vorgesetzten. "Die Anspannung war groß heute, aber wir bleiben mit beiden Füßen auf dem Boden", sagt Maurizio Arrivabene bei Sky. "Es ist wie immer Schritt für Schritt: Heute bin ich glücklich, morgen versuchen wir wieder unser Bestes zu geben", sagt der Ferrari-Teamchef.

Reicht es? Vettels Pole-Zitterpartie am Boxenfunk

Dass es für Vettel überhaupt zur Pole reichte hatte er nicht zuletzt einem späten Rutscher Verkehr bei seinem Teamkollegen zu verdanken. In der letzten Kurve leistete sich Räikkönen einen Mini-Schnitzer - genug, um die sechs Hundertstel auf Vettel zu verlieren. Nach dem ersten Run hatte der Iceman sogar noch auf Pole-Kurs gelegen. "Meine Runde war da nicht gut genug, nicht richtig sauber, deshalb war ich erst dahinter", erklärt Vettel den banalen Grund.

Nach dem finalen Run habe er dann bei überqueren der Linie natürlich gewusst, vorne zu liegen. "Aber auch dass die anderen noch kommen", erinnert sich Vettel. Es folgte ein reges Fragespiel mit Renningenieur Ricardo Adami. "Über Funk habe ich dann gefragt, was die anderen gemacht haben. Mein Renningenieur sagte mir dann, dass sie ihre Runde beenden, dann habe ich das Ergebnis von Valtteri bekommen, dann die Nachricht, dass es geklappt hat. Als ich die Nachicht bekommen habe war ich aus dem Häuschen", schildert Vettel die Sekunden vor seinem 'YES! YES! YES!'

Sebs DANKE an das Team: "Das Auto war heute Nachmittag phänomenal. Riesen Dankeschön an das Team, es war eine echte Freude, da drin zu sitzen und mit wenig Benzin das Auto ans Limit zu bringen. Wenn man hier den Rhythmus findet fühlt es sich unglaublich an!"