Die Formel 1 im Jahr 2017, das wird wieder Sport für echte Männer. Erste Anzeichen dafür waren sichtbar an Lewis Hamiltons Körper nach dem zweiten Tag der Testfahrten in Barcelona festzustellen. "Ich habe blaue Flecken an Stellen, an denen ich sie vorher noch nie hatte", sagte der Mercedes-Pilot am Dienstagabend nach seinem zweiten Einsatz im neuen Silberpfeil. Die wesentlich höheren Abtriebswerte der neuen Autos fordern ihren Tribut.

Schnell ist die neue Generation der F1-Boliden schon, die Pole-Zeit vom Spanien Grand Prix 2016 stellte Hamilton bereits beim ersten Testtag locker ein. Und es wurde noch schneller. Kimi Räikkönen fuhr am Dienstag die bisherige Bestzeit in 1:20.960 Minuten. Auf den Soft-Reifen, wohlgemerkt. Dabei stehen die Teams in ihrer Entwicklung ganz am Anfang, Systemchecks und Zuverlässigkeit stehen beim ersten Spanien-Test auf der Prioritätenliste.

Sechs Sekunden schneller?

Wie schnell die neue Formel 1 unter Rennbedingungen wird, lässt sich derzeit nur erahnen. Es wird allgemeinhin erwartet, dass wir 2017 die schnellste F1 in der Geschichte des Sports erleben. Nun fielen erste Zahlen, die einen Hinweis darauf geben, wie schnell es wirklich werden wird. "Wenn wir zum Ende der Tests 1:18er-Rundenzeiten bei den Qualifying-Simulationen sehen, werden die Zeiten im Rennen auch in diesem Bereich liegen", sagte jetzt Pirellis Rennmanager Mario Isola.

Zum Vergleich: Beim Barcelona-Rennen 2016 fuhr Daniil Kvyat die schnellste Rennrunde in 1:26.948 Minuten. Stimmt Isolas Vorhersage, würden die Rundenzeiten dank der neuen Autos zumindest in Barcelona um rund sechs Sekunden fallen. Wegen der hohen Downforce-Kräfte - Pirelli spricht von bis zu 30 Prozent mehr als im Vorjahr - gehen die Zeiten 2017 vor allem auf den kurvigen Strecken in den Keller. Kurse wie Barcelona oder auch Budapest sollten also neue Rundenrekorde hervorbringen.

Fakten-Check: Wissenswertes zum F1-Testauftakt 2017 (03:19 Min.)

Entwicklungskrieg drückt Rundenzeiten massiv

Isola verglich die Zeiten von Qualifying-Simulationen während der Tests mit Rundenzeiten im Renntrim nicht umsonst. Normalerweise geht es in den Rennen stets einige Sekunden langsamer zu als im Qualifying - um Reifen und Material zu schonen oder um nach einer bestimmten Strategie zu fahren. Doch dieses Jahr könnten sich die schnellen Zeiten von den Testfahrten denen der Rennen angleichen. Grund: Der erwartete Entwicklungskrieg. Das neue Reglement bietet viel mehr Freiheiten als in den letzten Jahren, um die Autos schneller zu machen.

"Die Entwicklungsrate der neuen Autos wird dieses Jahr riesig sein", sagte Isola. "Deshalb ändert sich die Performance der Autos in dieser Saison vermutlich häufig." Da kommt besonders Barcelona ins Spiel. Zum fünften Rennen der Saison reisen die Teams traditionell mit dem ersten großen Update-Paket an. Nicht umsonst gilt der Circuit de Barcelona-Catalunya oftmals als guter Gradmesser für den weiteren Verlauf einer Saison.

Veränderung der Ferraris seit 2007 (00:25 Min.)

Schon ganz schön schnell

Mit den weiteren Testtagen sowie dem Wissen der ersten vier Saisonrennen sollten die neuen Autos also bis zum Spanien GP einen merklichen Fortschritt durchlaufen. Daraus schloss Isola, dass die Quali-Simulationen auf ähnlichem Niveau sein könnten wie die Renn-Performance dreieinhalb Monate später. Die ersten zwei Testtage in Barcelona haben bereits gezeigt, wie schnell es vorangeht. Räikkönens Bestzeit übertraf die von Hamilton um 0,8 Sekunden. Und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht.

"Es kann natürlich immer noch schneller sein, aber bis jetzt sind die Autos ganz schön schnell", sagte Max Verstappen nach seinem ersten Einsatz am Dienstag. Auf die Frage, ob es eine oder zwei Sekunden schneller werden würde, antwortete der Red-Bull-Star nur: "Vielleicht drei." Verstappens Antwort war flapsig, passte aber gut zu Isolas Vorhersage der erwarteten 1:18er-Rundenzeiten zum Ende der achttägigen Testfahrten in Spanien.

Neuer Silberpfeil unterwegs auf der Strecke (02:46 Min.)

Nur an der Oberfläche gekratzt

Neben dem Entwicklungsprozess der Autos gibt es weitere Faktoren, die niedrigere Rundenzeiten ermöglichen sollten. Zunächst werden höhere Temperaturen erwartet, wodurch die Reifen ihr Potenzial besser ausschöpfen können. Zudem werden sich die meisten Teams wohl erst in der zweiten Session auf das Austesten der Reifen-Performance verlegen. Pirelli erwartete zwischen den unterschiedlichen Mischungen Differenzen von rund einer Sekunde.

"Wir haben das Potential unseres Autos noch nicht ausgeschöpft, für diese Phase ist es aber eine gute Basis", sagte Hamilton stellvertretend für den Rest des Fahrerlagers. Daniel Ricciardo ergänzte: "Ich bin sicher, dass noch einiges mehr von den Autos kommt. Am Montag haben wir nur an der Oberfläche gekratzt. Während meiner paar Runden habe ich schon gesehen, dass noch viel mehr drin ist." Ob es wirklich sechs Sekunden schneller wird, daran hatte der Red-Bull-Pilot allerdings noch Zweifel: "Ich denke, das ist ziemlich optimistisch. Aber im Winter ist es kalt, im Mai wird es eine andere Geschichte."

Mercedes: Filmtag in Silverstone mit dem W08 (01:30 Min.)

1:18 im historischen Kontext

Die 1:18er-Marke ist definitiv eine Ansage, die die kommenden Tage begleiten wird. Doch wie lässt sich diese Zahl im historischen Kontext einordnen? Sollte es wirklich so kommen, würde sie die bisherigen Zeiten in Barcelona in den Schatten stellen. Die schnellste Rennrunde geht bislang auf das Konto von Kimi Räikkönen. 2008 fuhr er im Ferrari eine 1:21.670. In Zeiten der stark abbauenden Reifen der Pirelli-Ära war dies nie wieder möglich. Jetzt sollen die neuen Mischungen wesentlich besser halten, damit die Fahrer über längere Zeit Vollgas geben können. Damit sollten auch die Rundenzeitenschnitte in den Keller sinken.

Für die schnellste Runde in der Geschichte von Barcelona ist Fernando Alonso verantwortlich. 2008 fuhr der Spanier während eines Tests unter der Saison eine 1:18.483. Auf seinem Renault R28 mit V8-Power waren damals Experimentalreifen von Bridgestone montiert. Die bislang schnellste Runde an einem Grand-Prix-Wochenende erzielte Rubens Barrichello. Mit dem weltmeisterlichen Brawn schaffte er 2009 in Runde 2 des Qualifyings eine 1:19.954.

In der Ära der Power Units ist Lewis Hamilton der bisherige Zeitenspitzenreiter an einem Grand-Prix-Wochenende in Barcelona. Seine 1:22.000 im Qualifying 2016 ist bislang unübertroffen. Jetzt hat er seine Bestmarke schon am ersten Tag der Testfahrten locker geknackt. Und es kommt noch einiges mehr auf die Formel 1 zu. Blaue Flecken inklusive.