Nachdem in Italien bereits Gerüchte die Runde machten, wurde es am Mittwoch offiziell: Ferrari und Technikchef James Allison gehen getrennte Wege. Vor wenigen Monaten starb Allisons Frau, worauf dieser sich mehr seiner Familie widmete. Zudem soll es auch zwischen Allison und Ferrari-Präsident Sergio Marchionne zuletzt gekracht haben. In den vergangenen Rennen war Allison schon nicht mehr an der Rennstrecke dabei. Als Nachfolger wurde Mattia Binotto ausgewählt, der seit 1995 in Maranello tätig ist.

Vor der Saison sorgte Ferrari für Aufsehen, als der neue, radikal geformte Bolide aus der Feder Allisons präsentiert wurde. Doch die Erfolge blieben aus, Ferrari ist noch ohne Saisonsieg. Dennoch hinterlässt der Abgang des 48-Jährigen eine Lücke, zumal er in der Vergangenheit bei Lotus bereits bewiesen hatte, dass er Siegerautos produzieren kann. "Direkt nach dem Verlust merkt man, dass einem mit James Allison ein Mitarbeiter hohen Kalibers fehlt. Das Team wird hart daran arbeiten, die Lücke zu schließen. Mattia wird Hilfe benötigen und wir müssen an einem Strang ziehen", erklärte Rennchef Jock Clear.

Mattia Binotto arbeitet seit 1995 für Ferrari, Foto: Sutton
Mattia Binotto arbeitet seit 1995 für Ferrari, Foto: Sutton

Dabei sei es jetzt vor allem wichtig, die Last nicht allein auf Binottos Schultern zu lagern. "Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er in die Rolle schlüpft, die James ausgefüllt hat - nämlich den gesamten Hintergrund abzudecken. Stattdessen ist Ferrari verpflichtet, in den Bereichen zusammenzuarbeiten, in denen James stark war", so Clear.

Ferrari will Leidenschaft zeigen

Die Zeit nach dem Tod von Allisons Frau beschreibt Clear als bedrückend, auch bei Ferrari. "Ich habe Ferrari in dieser Zeit nicht im angenehmsten Licht gesehen. Aber das Team ist motiviert, es ist leidenschaftlich, und es gibt den absoluten Willen, zu siegen", stellt er klar. Gerade diese Begeisterung soll nun helfen, die aktuelle Phase zu überstehen. "Die Leidenschaft kann eine Achillesferse sein, die uns aufhält. Aber diese Leidenschaft wird uns über die Ziellinie bringen. Für mich ist das der entscheidende Faktor. Die Leidenschaft in der gesamten Firma ist fantastisch", gibt Clear Einblick in die aktuelle Situation.

In einer Zeit, in der die Teams sorgfältig überlegen, wie viele Ressourcen sie bereits auf 2017 verschieben, vollzieht sich bei Ferrari nun auf einer entscheidenden Position eine Umstrukturierung. Auch am aktuellen Boliden soll es aber noch Weiterentwicklungen geben. Wie also geht man vor in Maranello? Sebastian Vettel hält nichts davon, sich bereits voll und ganz auf 2017 zu konzentrieren.

Beim Ungarn GP 2015 bejubelten James Allison und Sebastian Vettel den Sieg des Deutschen, Foto: Sutton
Beim Ungarn GP 2015 bejubelten James Allison und Sebastian Vettel den Sieg des Deutschen, Foto: Sutton

Vettel: 2016er Auto nicht aufgeben

"Ich denke, es arbeiten schon alle mit Vollgas am 2017er-Auto. Die Regeln sind ziemlich anders. Aber es gibt immer noch Dinge, die man aus diesem Jahr lernen kann. Daher denke ich, wäre es falsch, das aktuelle Auto zu vergessen", meint Vettel. "Ich denke, die verschiedenen Denkansätze sind wichtig für das nächste Jahr. Aber natürlich arbeitet bereits ein großer Teil in der Fabrik am nächstjährigen Auto", erklärt der Deutsche.

Allisons Abgang ist die nächste große Veränderung in den Führungspositionen bei Ferrari, nachdem 2014 mit Maurizio Arrivabene ein neuer Teamchef kam und Fiat-Präsident Sergio Marchionne das Amt des Ferrari-Präsidenten von Luca di Montezemolo übernahm. Marchionne war zuvor wenig bis gar nicht in der Formel 1 aktiv, Arrivabene war beim Tabakriesen Philip Morris in leitender Funktion tätig. Mit Allison verlässt nun die dritte Führungsfigur mit Formel-1-Erfahrung Maranello. Ein Problem?

"Nein, ich denke, wir haben die richtigen Leute an Bord", wiegelt Vettel ab. "Es war viel in den Medien zu lesen über unseren Präsidenten und seine Erwartungen, die er an uns stellt. Aber es ist gut, dass er da ist. Er verbringt viel Zeit in Maranello und pusht das Team hart", lobt der viermalige Weltmeister Marchionne. Dennoch seien die Veränderungen gravierend. "Natürlich ist es eine große Veränderung, die vielleicht nicht unsere Arbeit morgen betrifft, aber die in der Zukunft. Daran gibt es keinen Zweifel, aber ich denke, dass alles in die richtige Richtung läuft", ist Vettel überzeugt.

Und auch auf Arrivabene lässt Vettel nichts kommen. "Ich bin nicht so tief in der Materie, aber Maurizio ist bereits lange in der Formel 1. Daher glaube ich, dass er das Geschäft sehr gut kennt und einen richtig guten Job macht. So fühlen wir alle im Team. Er ist unser Anführer, er ist der Teamchef und wir sind glücklich, dass er bei uns ist", lässt er keine Diskussionen aufkommen.