Als Mahner und Warner sind die Fahrer und anderen Teammitglieder des Formel-1-Rennstalls von Mercedes in der Szene bestens bekannt. In der jüngeren Vergangenheit zielten die Warnungen meist auf Ferrari. Die Scuderia habe ihr volles Potential 2016 nur selten abgerufen, Mercedes müsse permanent mit einer stark auftrumpfenden Konkurrenz rechnen, hieß es immer wieder.

Doch selbst nach fünf Saisonrennen ist es Ferrari nie gelungen, die Silberpfeile tatsächlich im direkten Duell niederzuringen - oder Mercedes auch nur ernsthaft herauszufordern. Entsprechend gibt es ein kritisches Grundrauschen, Mercedes wolle bloß Spannung herbeireden, um das Produkt Formel 1 interessant aussehen zu lassen.

Genauso klingt auch in Monaco eine Aussage aus dem Mercedes-Lager. "Ich kann den Samstag und den Kampf um die Pole kaum noch erwarten. Das dürfte sehr eng und äußerst spannend werden", sagt Nico Rosberg nach dem Trainingsdonnerstag. Der Unterschied: Diesmal hört es sich nicht nur so an. In Monaco muss sich Mercedes wirklich Sorgen machen. Allerdings nicht wegen Ferrari. Es ist Red Bull, das den Silberpfeilen tiefe Sorgenfalten in die Stirn treibt.

Stolze sechs Zehntel trennten den Tagesschnellsten Daniel Ricciardo am Donnerstag von seinem ersten Verfolger Lewis Hamilton, Nico Rosberg fehlten weitere drei Zehntel auf die Bestzeit des Red-Bull-Piloten. Auch, wenn Mercedes in den Longruns auf Augenhöhe war: In Monaco zählt die eine schnelle Runde unverhältnismäßig viel. Eine gute Startposition ist die halbe Miete für den Sieg. Und genau hier scheint Red Bull den Silberpfeilen sogar ein Stück enteilt.

Quali-Trimm für Mercedes-Motor bringt keine sechs Zehntel

Sie seien auf jeden Fall eine Bedrohung, warnt Rosberg. "Wenn Qualifying gewesen wäre, dann wären sie vor uns gewesen. Also müssen wir definitiv noch mehr Pace finden - und das wird nicht leicht", sagt der Mercedes-Fahrer. Helfen könne seinem Team dabei der Ruhetag. "In diesem Fall, in der Situation, in der wir uns befinden, ist es toll, das wir einen Tag extra haben", sagt Rosberg. Mehr Pace findet Mercedes im Qualifying gewöhnlich recht einfach: Die Silberpfeile drehen den Motor auf. Durch einen speziellen Qualifying-Modus kitzelt Mercedes so noch einmal signifikant mehr Leistung und damit Zeit aus dem Auto.

Nun ist Power in Monaco jedoch kaum relevant. Ein handfester Grund für Mercedes, daran zu zweifeln, dass der Motor-Trick dieses Mal einfach nicht reichen könnte. "Heute ist Red Bull schneller gewesen als wir. Wir müssen das genau ansehen und schauen, einen großen Batzen Rundenzeit zu finden. Wir können noch immer den Motor aufdrehen, aber es sind nicht sechs Zehntel, die wir dadurch rausholen können", fürchtet Rosberg.

"Sie sind eine sehr große Bedrohung", bestätigt Lewis Hamilton. Gewundert hat sich der Weltmeister jedoch nicht. "Sie sind sehr, sehr schnell. Ich bin nicht überrascht, denn Power macht hier keinen Unterschied und ich wusste immer, dass sie ein gutes Auto haben", sagt auch Hamilton. Einzig, wie deutlich Red Bull Mercedes um die Ohren gefahren ist, erstaunt den Briten. "Haben wir erwartet das sie so schnell sein würden? Nein, vielleicht nur ein bisschen näher an uns dran", sagt Hamilton.

"Es ist schon eine große Überraschung wie schnell sie sind. Wir haben erwartet, dass sie da oder ungefähr da sein werden, aber nicht so schnell", stimmt Rosberg unisono zu. "Wir haben also noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das Auto noch verbessern können. Ob das genug sein wird? Ich weiß nicht."

Vor allem gelte es, das Optimum als den neuen ultrasoften Reifen herauszuholen. "Wir befinden uns noch im Prozess herauszufinden, ob es ein Runde-1 oder ein Runde-2-Reifen ist", berichtet Mercedes-Technikchef Paddy Lowe. Vielleicht müsse man grundlegend etwas ändern, um den Reifen in den perfekten Bereich für die entscheidende Runde in Q3 zu bekommen.

Lewis Hamilton glaubt, selbst noch einen Unterschied machen zu können, Foto: Sutton
Lewis Hamilton glaubt, selbst noch einen Unterschied machen zu können, Foto: Sutton

Hamilton bleibt optimistisch: Vertrauen auf Fahrkünste

Teamkollege Hamilton klingt zumindest etwas optimistischer. Er sieht das Verbesserungspotential ganz einfach bei sich selbst. "Es hat sich nicht so angefühlt, als hätte ich eine großartige Runde erwischt, also steckt da noch Zeit in mir", sagt Hamilton. Den gesamten Rückstand könne er mit seinen Fahrkünsten jedoch kaum wettmachen. "Es sind nicht sechs Zehntel, aber schon etwas Zeit", sagt er. Die Lücke sei allerdings definitiv kleiner als sie aussehe. "Man wird uns innerhalb einer Zehntelsekunde sehen", versichert Hamilton.

Ähnlich knapp erwartet auch Paddy Lowe das Duell mit Red Bull. "Schon jetzt steht fest, dass das Qualifying eine enge Angelegenheit wird", sagt der Technikguru. Jenson Button würde unterdessen sogar auf Daniel Ricciardo wetten. "Der Mercedes ist ein sehr gutes Auto, aber der Red Bull hält mit. Und auf diesem Kurs kommt es nicht nur auf Power an. Es ist ihre beste Chance, dieses Jahr nochmal zu gewinnen", meint der McLaren-Pilot.