Bei den Abschlusstestfahrten standen für alle Teams vor allem zwei Punkte ganz oben auf dem Aufgabenzettel. Die neuesten Aerodynamik-Upgrades zu analysieren und komplette Renndistanzen zu simulieren. Ferrari teilte dazu den Tag in zwei Hälften. Vormittags feilte die Scuderia am Setup und sammelte Aero-Daten, nachmittags standen Rennsimulationen auf dem Programm. Zumindest gelang dieser Fahrplan am Samstag und Sonntag, nachdem Kimi Räikkönen am Donnerstag von Defekten und Sebastian Vettel am Freitag von drei roten Flaggen ausgebremst worden waren.

Doch wie haben sich die Teamkollegen bei ihrem Programm im Vergleich geschlagen? Wer zeigte die stärkere Rennsimulation? Wer fuhr die schnellste Rundenzeit? Und wo steht Ferrari im Vergleich mit der Konkurrenz? Motorsport-Magazin.com wirft einen Blick auf das Test-Duell unter Freunden. Nebenbei lassen wir Hinweise auf die Hackordnung 2015 einfließen.

Die Bestzeiten

Sowohl Sebastian Vettel als auch Kimi Räikkönen erzielten ihre besten Rundenzeiten vormittags und auf der supersoften Reifenmischung von Pirelli. Die Finne schrieb am Samstag eine 1:23.276 Minuten auf das Zeitentableau und sicherte sich damit die fünftbeste Zeit aller acht Tage in Barcelona. Nur 14 Tausendstel trennten Räikkönen von Rang vier und Felipe Massa. Auf den drittplatzierten Williams von Iceman-Landsmann Valtteri Bottas fehlten zwei Zehntelsekunden.

Dasselbe gilt für den Rückstand auf den Mercedes von Lewis Hamilton, der für seine Runde allerdings nur die soften Reifen verwendete. Weil der Performance-Unterschied der Mischungen Pirelli zufolge in Barcelona rund drei Zehntel, laut Williams-Ingenieur Rod Nelson sogar sechs bis acht Zehntel, betrage, ist das ein deutlicher Hinweis auf die wahre Leistungsfähigkeit des Silberpfeils. Nicht umsonst bezeichnete Vettel die absolute Barcelona-Bestmarke von Nico Rosberg als Hammerzeit.

Vettel fehlten zwei Zehntel auf Räikkönen, Foto: Sutton
Vettel fehlten zwei Zehntel auf Räikkönen, Foto: Sutton

Und Vettel selbst? Knallte mit einer 1:23.469 die sechstschnellste Zeit in Barcelona hin, war damit allerdings knapp zwei Zehntel langsamer als Räikkönen. Kommt der Finne also tatsächlich besser mit dem SF15-T zurecht? Möglich, aber alles andere als sicher. So bleibt uns einerseits die Spritmenge verborgen, andererseits soll Vettel nicht alles aus den Supersofts herausgequetscht haben. Das will zumindest der Chef-Testingenieur von Williams, Rod Nelson, beobachtet haben. "Deshalb erwarte ich Ferrari noch etwas näher dran, als man das heute gesehen hat. Wir sollten mit ihnen zu tun bekommen", sagt Nelson.

Die Rennsimulationen

Noch spannender wird der Vergleich zwischen Vettel und Räikkönen jedoch mit Blick auf die Long Runs, insbesondere in den Rennsimulationen der Teamkollegen. Hier kann von nahezu identischen Spritmengen ausgegangen werden. Einzig, dass die Simulationen an unterschiedlichen Tagen absolviert wurden, kann das Bild verzerren. Beide Fahrer absolvierten ihre Renndistanz in Barcelona in drei Stints.

Reifenwahl - Stint 1: Medium (VET/RAI), Stint 2: Medium (VET); Hart (RAI), Stint 3: Experimental-Medium (VET/RAI).

Bis zum ersten Boxenstopp waren Räikkönen und Vettel jeweils mit der Medium-Mischung unterwegs. Räikkönen legte etwas stärker los, während Vettel den Spieß in der zweiten Hälfte des Stints umdrehte. Nach gut zwanzig Runden stand der erste Reifenwechsel an. Räikkönen holte sich die harte Mischung ab, während Ferrari bei Vettel erneut Medium aufzog. Doch jetzt wurde es richtig interessant.

Räikkönen legte einen brillanten Stint hin, war auf dem eigentlich langsameren Pneu sogar permanent einen Tick schneller unterwegs als Vettel. Allerdings gelang es dem Deutschen seine Reifen so pfleglich zu behandeln, dass die Rundenzeiten bei Vettel zum Ende des Stints nicht mehr in den Keller gingen als bei Räikkönen. So konnte Ferrari Vettel genau wie Räikkönen auf dem härteren Pirelli in Runde 38 an die Box beordern.

Nach dem letzten Reifenwechsel war Räikkönen unbesiegbar, Foto: Ferrari
Nach dem letzten Reifenwechsel war Räikkönen unbesiegbar, Foto: Ferrari

Kongeniales Finnish Finish von Räikkönen

Gleich zu Beginn des langen letzten Stints erzielten beide Piloten auf frischen Experimental-Mediums ihre besten Rundenzeiten der Rennsimulation. Auch hier war Räikkönen der schnellere Mann. Mit einer 1:27.292 knüpfte der Iceman Vettel mehr als eine halbe Sekunde ab, danach normalisierte sich das Bild. Beide fuhren nahezu identische Zeiten. Dann kam Runde 48.

Räikkönen packte den Hammer aus. Bis auf einen Ausrutscher in Runde 53 umrundete Räikkönen den Circuit de Catalunya in jedem Umlauf schneller als Vettel. Insbesondere ab Runde 54 überzeugte der Finne, nahm Vettel konstant drei bis vier Zehntel pro Umlauf ab. Nur, um diese Differenz in den letzten Runden vor der imaginären Zielflagge nochmals zu verdoppeln.

Fazit

Kimi Räikkönen hat bewiesen, dass 2015 wieder voll mit dem Iceman zu rechnen ist. Zwar ist eine einzelne Gegenüberstellung der Rennsimulationen nicht zwanghaft der Weisheit letzter Schluss, doch deutet zumindest die Stichprobe in jedem Fall eindeutig darauf hin, dass das Duell unter Freunden bei Ferrari jede Menge Spannungspotential birgt. Das wird ein fesselnder Teamfight!