Der Aufschrei war riesig. Nach dem Rennen in Spanien ist die Reifendiskussion mit größerer Heftigkeit entbrannt als jemals zuvor. Teams und Fahrer beklagten sich über die sensiblen Pirelli-Pneus. Ein Rennen, in dem es einzig um Reifenschonen ginge, habe nichts mehr mit Racing zu tun, lautete der Vorwurf. Der frühere Formel-1-Fahrer David Coulthard sah es allerdings nicht ganz so dramatisch wie viele der direkt Beteiligten. "Meine ersten Gedanken nach dem Rennen waren: Es war ein großer Tag für Fernando Alonso und Spanien, es gab viele interessante Geschichten und es war sicherlich keine Katastrophe für die Formel 1", schrieb er in seiner BBC-Kolumne.

Gleichzeitig räumte er ein, dass die heutigen Rennen nicht mehr viel mit denen früherer Tage gemeinsam hätten. "Wenn man auf der Pole Position gestanden hat, ist man normalerweise auch auf das Podium gefahren - außer man hat einen großen Fehler gemacht", sagte der Schotte. Doch anstatt die Schuld auf die Reifen zu schieben, müssten sich die Teams nun der neuen Herausforderung stellen. "Die Formel 1 war schon immer ein Teamsport. Es geht darum, das Auto und die Reifen zu managen. Wenn andere Teams das besser machen, schlagen sie dich."

Darüber hinaus stellte Coulthard in Frage, ob eine Rückkehr zu den hochgelobten alten Zeiten wirklich wünschenswert sei. "Von einem Entertainment-Standpunkt aus betrachtet, ist die Formel 1 heutzutage deutlich spektakulärer als zu den Zeiten, als die Startaufstellung und der Zieleinlauf nahezu identisch waren", meinte er. Der Reiz bestehe in diesem Jahr genau darin, dass sich der Rennausgang nicht voraussagen lässt. "Man weiß nie, was passiert, und das bleibt auch für den größten Teil des Rennens so", erklärte er.

Die Rasanz ginge bei dem Spektakel allerdings ein wenig verloren, meinte Coulthardt. "Es ist tatsächlich so, dass die Fahrer nicht mehr zu 100 Prozent pushen. Nach seinem Sieg hat Alonso gesagt, er war für die größte Zeit des Rennens bei 90 Prozent - ich bin in meiner gesamten Karriere selten bei nur 90 Prozent gewesen", erklärte er. Er sei sich nicht sicher, ob das eine gute Entwicklung sei." Die aktuelle Formel 1 scheint die Fahrer nicht zufrieden zu stellen - und auch die Fans scheinen mehr und mehr verärgert."

Eine Verärgerung, die Coulthard durchaus nachvollziehen kann. Trotz aller positiven Aspekte gingen im Reifen- und Strategiespektakel der eine oder andere essenzielle Aspekt der Königsklasse verloren. "Für mich ging es in der Formel 1 immer darum, Mensch und Maschine ans Limit zu bringen, und wenn man darüber hinaus geht, gibt es einen Schaden oder sogar Tote. Natürlich ist die Formel 1 noch gefährlich, aber dieser gladiatorische Aspekt ist ein wenig abhanden gekommen", erläuterte der 42-Jährige. "In dem Sport geht es um Adrenalin, und Fahren am Limit bringt das Adrenalin mehr in Wallung als Reifen- und Bremsmanagement."