Spektakuläres war von Toro Rosso bei den Wintertests 2013 nicht zu sehen - zeitenmäßig konnte sich die italienische Red-Bull-Tochter jedoch immer im vorderen Mittelfeld bis Mittelfeld aufhalten. Ausreißer, weder nach oben noch nach unten, waren nicht zu sehen - widersprüchlich ist diese Beobachtung insofern, da Toro Rosso, glaubt man dem Team, dieses Jahr den ein oder anderen ungewöhnlichen Pfad beschritten hat und beim STR8 zumindest unter der Haube durchaus das ein oder andere Risiko eingegangen ist. In Zuverlässigkeitsproblemen mündete das zwar nicht, Wunderdinge blieben jedoch genauso aus. In Sachen Laufleistung kam die Truppe nur auf den achten Platz - insgesamt spulte man 4.505 Kilometer ab.

Schlüsselfigur: Auf Keys Ideen kommt es an, Foto: Sutton
Schlüsselfigur: Auf Keys Ideen kommt es an, Foto: Sutton

Das Image der grauen Maus und des langsamsten Mittelfeldteams konnte man so in der Vorsaison noch nicht abschütteln. Chefingenieur Laurent Makies zog nach den Testfahrten aber trotzdem ein zufriedenes Resumé. "Da es sich um ein komplett neues Auto mit vielen umfassenden Änderungen an der Aufhängung, der Aerodynamik und dem generellen Aufbau des Wagens handelt, hatten wir viel Arbeit zu bewältigen und auch wenn wir keine Preise für die zurückgelegte Distanz gewonnen haben, haben wir viel von unserem Programm geschafft." Das von Teamchef Franz Tost bei der Vorstellung ausgegebene Ziel, Rang sechs in der Konstrukteursweltmeisterscht, sei demnach weiterhin im Bereich des Möglichen. Der Anspruch laute, mit Sauber, Force India und Williams zu kämpfen.

Bei diesem ambitionierten Unterfangen soll auch die gesteigerte Weitsicht und das verbesserte Repertoire der Piloten Daniel Ricciardo und Jean-Eric Vergne helfen, die 2013 keine Rookies mehr sind. Bereits bei den Tests habe man viel besser mit den Ingenieuren zusammengearbeitet, fand beispielsweise Ricciardo und fügte an: "Das liegt einfach daran, dass wir jetzt mehr Erfahrung haben." Die brauchen die Fahrer auch, denn der erste Bolide unter Neo-Technikchef James Key ist keine Evolution. Key bestätigte: "Das Auto ist ganz neu, wir haben auf einem leeren Blatt Papier begonnen." Auf einen speziellen Bereich habe man sich nicht konzentriert, sondern versucht, alles zu verbessern. "Auf der mechanischen Seite und auch beim aerodynamische Konzept", wie der Techniker verriet.

Das Team: Auch wenn das Geld in der F1 dieser Tage knapp ist: Toro Rosso ist gewachsen. "Einige neue Ingenieure wurden hinzugezogen sowie eine neue Organisationsstruktur eingeführt - auch das wurde an den zwölf Testtagen geprobt", erklärte Meckies und meinte mit Blick auf den Vergleich zu 2012: "Es ist ein sehr unterschiedliches Team und ein ebenso unterschiedliches Auto." Ricciardo stützte diesen Eindruck: "Mit James [Key] kamen einige Veränderungen - das sind die Dinge, auf die wir uns konzentriert haben." In der Tat war die Verpflichtung des ehemaligen Sauber-Mannes vor einem halben Jahr ein entscheidender Schritt. Key kommt mit besten Referenzen, war immerhin noch maßgeblich an der Entwicklung des C31 beteiligt, einer der positiven Überraschungen der Saison 2012. Mit Privatteams kennt sich der Brite also bestens aus, vor einige Neuerungen sah er sich bei seinem Antritt in den heiligen Hallen in Faenza aber trotzdem gestellt.

"Ich habe bisher zwei Dinge bei diesem Team gesehen. Zum einen die Ambition, denn ich glaube, niemand war mit Platz neun in der WM zufrieden. Auf der anderen Seite müssen wir aber immer auch unsere Größe und unsere Ressourcen bedenken." So musste auch Key einräumen, dass während der Saison ob der beschränkten Mittel keine große Vielfalt an Updates nachkommen werde - für einen signifikanten Schritt nach vorne und den angepeilten sechsten Platz bei den Teams wären diese aber wohl wichtig. Der Techniker flüchtete sich jedoch in Zweckoptimismus und erklärte: "Letztes Jahr haben wir zu jedem Rennen Updates mitgebracht - das Auto hat darauf aber nicht zwingend mit Performance reagiert." So gesehen könne sich der Nachteil 2013 in Grenzen halten.

Die Fahrer: Für Ricciardo und seinen Kollegen Vergne geht es in ihrer zweiten vollen F1-Saison um viel. Der Australier gestand ein: "In diesem Jahr wird es für mich nicht mehr gut genug sein, einfach nur dabei zu sein und Rennen zu fahren. Aber ich glaube daran, dass ich in dieser Saison die gewünschten Ergebnisse erzielen kann." Er blicke selbstbewusst nach vorne und mache sich selbst den meisten Druck. "Nur Rennen fahren und nichts Großartiges zeigen - das reicht nicht." Sein Ziel: "Mehr Punktergebnisse und deutlich vor meinem Teamkollegen stehen." Die Möglichkeit, 2014 eventuell Mark Webber bei Red Bull zu beerben, wollte er dabei erst einmal außer Acht lassen. "Ich schaue nicht auf Red Bull. Bei uns gibt es genug zu tun", so Ricciardo.

Der Druck auf dem jungen Fahrer-Duo ist 2013 noch größer, Foto: Toro Rosso
Der Druck auf dem jungen Fahrer-Duo ist 2013 noch größer, Foto: Toro Rosso

Die gute interne Stimmung ist vor dem Hintergrund dieser Ernsthaftigkeit jedoch verflogen - vom Gute-Laune-Team und dem Red-Bull-Lebensgefühl ist nur noch wenig zu sehen, denn zwischen Ricciardo und Vergne herrscht mittlerweile Eiszeit. "Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass wir jetzt in der F1 sind oder ob er glaubt, dass er besser wäre als ich. Aber abseits der Piste sehen wir uns nicht und sind keine Freunde mehr", verriet Vergne mit Blick auf seinen Stallgefährten. Dieser fügte hinzu: "Wir haben uns nie gezofft oder so etwas in der Art. Auch hat es keinen speziellen Moment gegeben, der die Freundschaft plötzlich beendet hätte - aber durch den Wettbewerb hat es sich einfach so ergeben." Eine harmonische Grundlage für ein gutes Miteinander und eine erfolgreiche Entwicklungsarbeit am Boliden sieht in jedem Fall anders aus.

Das Auto: Der STR8 ist der erste Toro Rosso aus der Feder von James Key. Dabei war es dem ehemaligen Sauber-Mann wichtig, dass der neue Bolide keine Evolution wird. Zwar ist der Dienstwagen von Jean-Eric Vergne und Daniel Ricciardo auch keine Revolution, aber die Italiener fanden viele Baustellen am Vorjahresmodell. Die Stufennase ist passé, im Gegensatz zum Schwesterteam Red Bull setzt Toro Rosso komplett auf das Vanity Panel. Doch das ist nur die offensichtlichste Modifikation. Am Fahrwerk betrat das Team neue Wege, um den Fahrern beim Abstimmen des Fahrzeugs entgegenzukommen.

Gleiches ist beim Getriebe der Fall. Wegen des Schlankheitswahns der Formel 1 musste das selbstentwickelte Getriebe ebenfalls abnehmen, um den Heckbereich aerodynamisch effizienter zu gestalten. Dabei soll auch der neue Semi-Coanda-Auspuff helfen, der sich nicht besonders von den Varianten der anderen Nicht-Renault-Teams unterscheidet. Eine grundlegende Änderung am Konzept war auch nötig, wie Key erklärte - schließlich habe der STR7 nicht auf Updates reagiert, wie es das Ingenieursteam erwartete. Bei den Testfahrten erwies sich die Neuentwicklung zwar als standhaft, die Pace enttäuschte jedoch. Bislang scheint es, als hätte Toro Rosso mit dem STR8 eher den Anschluss nach hinten hergestellt, als sich im Mittelfeld weiter nach vorne gekämpft.

Saisonziel: Den Worten Taten folgen lassen.

Pro: Toro Rosso war im letzten Jahr eher in Gefahr, ein Konkurrent von Caterham zu werden, als sich im vorderen Mittelfeld zu platzieren. Doch die Truppe aus Faenza hat die Zeichen der Zeit erkannt und mit James Key die Reißleine gezogen. Warum sollte der Entwickler des C31 nicht auch den neuen 'kleinen Bullen' in Richtung Platz sechs bewegen können - zumal der Bolide keine Evolution sondern eine Revolution ist. Auch die Scherben der Freundschaft zwischen Ricciardo und Vergne müssen für das Team nicht schlecht sein. Schon viele Stallgefährten mochten sich nicht - bestes Beispiel Lewis Hamilton und Fernando Alonso 2007 - und wurden dadurch zu gegenseitigen Höchstleistungen angetrieben. (Marion Rott)

CONTRA: Hohe Saisonziele sollen ja bekanntlich anspornen. In der Konstrukteurs-WM von Platz neun auf sechs klettern zu wollen, ist dann aber doch etwas illusorisch. Ja, Toro Rosso hat mit James Key einen neuen starken Mann. Ja, in Faenza wurde ausgebaut. Und ja, Ricciardo und Vergne haben ihr erstes volles F1-Jahr hinter sich. Doch: Seit ein gewisser Sebastian Vettel das Team verließ, schaffte man es in keinem einzigen der 75 Rennen in die Top-6. Und der STR8 ist ja nur eine Weiterentwicklung des Modells, das im Vorjahr gerade einmal 26 Zähler sammelte. Toro Rosso wird wohl auf den großen Regelumbruch 2014 warten müssen, um vielleicht wieder in das vordere Mittelfeld aufzurücken. (Michael Höller)