Das Rezept ist recht einfach: Was braucht man, um den Zuschauern den Sport noch näher zu bringen? Identifikationsfiguren. Nach fünf Jahren Absenz kehrt die Formel 1 am kommenden Wochenende erstmals wieder zu einem Grand Prix in die USA zurück. Amerika und die F1 - das war noch nie ein einfaches Verhältnis. Von der Diskrepanz zwischen dem feinen europäischen Formelsport und den stundenlangen Nudeltopfrennen mit Stockcarcharakter, über Parkplatzrennen in Las Vegas, aufbrechendem Asphalt in Dallas bis hin zum Michelin-Debakel in Indianapolis 2005: Angekommen ist die Königsklasse in den Staaten nie... und das ausgerechnet im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, dessen Motto so gut zur abgehobenen Formel 1 passt wie sonst wohl keines.

Auch New York steht schon vor der Tür: Der nächste große US-Kracher der F1, Foto: Sutton
Auch New York steht schon vor der Tür: Der nächste große US-Kracher der F1, Foto: Sutton

In Zukunft soll alles anders werden - endlich, so möchte man meinen. In Austin hat man einen hochmodernen Kurs aus dem Boden gestampft, der technisch höchst anspruchsvoll werden dürfte. Wem das noch nicht reicht, der muss nur zwei weitere Jahre warten. Dann setzt die Königsklasse dem Plan ihrer US-Invasion mit einem einzigartigen Highlight am Hudson die Sahnehaube auf. Vor der atemberaubenden Kulisse der Skyline Manhattans geht es in New Jersey über Stock und Stein. Doch was wäre dieses Spektakel ohne einen zusätzlichen Zuschauermagneten, einen 'Local Hero'? Für die Texas-Premiere in wenigen Tagen ist es zu spät, aber das Ziel für die kommenden Jahre ist klar: F1 goes west - und sucht dementsprechend den nächsten amerikanischen Superstar...

Wenig aussichtsreiche Kandidaten

Aktuell sieht es an dieser Front jedoch mehr als mau aus. Ein Blick durch alle nennenswerten Formelserien zeigt: Columbus könnte noch so sehr entdecken wollen, Talent würde er hier nicht finden - Land ist nicht in Sicht. Die potenziellen Kandidaten sind entweder verhindert oder schlichtweg nicht F1-tauglich. Die Zeiten des Scott Speed, bei dem der Name leider viel weniger Programm war als von Red-Bull-Nachwuchsscout Helmut Marko fälschlicherweise angenommen, sind längst vorbei. Seitdem wartet die F1 auf einen Amerikaner und tut sich dabei sichtlich schwer. So gäbe es zum Beispiel Jake Rosenzweig, doch dieser ist irgendwie mehr Brite als 'Ami' und der vorgezeichnet scheinende Weg in die F1 hat sich in letzter Zeit genauso schnell wieder verflüchtigt, wie er vor ein paar Jahren aufgekommen war.

In Amerika ein Star - in Europa ein Nobody: Warum sollte Hunter-Reay das eintauschen?, Foto: IndyCar/LAT USA
In Amerika ein Star - in Europa ein Nobody: Warum sollte Hunter-Reay das eintauschen?, Foto: IndyCar/LAT USA

Dann wären da die IndyCar-Recken Marco Andretti und Graham Rahal, die zwar ihren berühmten Familiennamen mitbringen würden.. dafür aber auch umso weniger Lust ihr geliebtes US-Umfeld gegen den F1-Zirkus einzutauschen. Gleiches dürfte wohl für Ryan Hunter-Reay gelten - der Überraschungsmeister dieser Saison kann aus seinem Triumph nun richtig viel Kapital schlagen. Als Champion stehen die Sponsoren für 2013 Schlange... in den nächsten zwölf Monaten wird er in der IndyCar-Serie vor allem eines machen: Geld scheffeln. Die übrigen jungen Amerikaner in der IndyCar-Serie konnten heuer weniger überzeugen: J. R. Hildebrand, Charlie Kimball und Josef Newgarden - keiner stach entscheidend heraus.

Amerika in Amerika auf Rang 14

Noch schlimmer sieht es in der eigenen Nachwuchsschule, der Indy-Lights-Serie, aus. Hier ist von amerikanischem Formel-Talent weit und breit nichts zu sehen. Mit Mike Larrison befindet sich der erste US-Fahrer auf Gesamtrang 14 und von Nachwuchs kann beim 31-Jährigen auch keine Rede mehr sein. Bleibt der Sprung zurück über den großen Teich, ohne dass sich in Europa jedoch die Überschaubarkeit der doch relativ tristen Angelegenheit ändern würde. Zugegeben: Formel-3-Junior Michael Lewis zeigte 2012 zwar durchaus mit guten Ergebnissen auf, noch käme ein Sprung ins Oberhaus aber viel zu früh für den Rohdiamanten, dem man nach aktuellem Stand dementsprechend nur Außenseiterchancen auf dem Weg nach ganz oben einräumen kann.

Mann der Zukunft? Alex Rossi fuhr auch beim Nachwuchstest in Abu Dhabi für Caterham, Foto: Sutton
Mann der Zukunft? Alex Rossi fuhr auch beim Nachwuchstest in Abu Dhabi für Caterham, Foto: Sutton

GP3-Pilot Conor Daly bestach diese Saison durch eindrucksvollen Speed - und durch haarsträubende Unfälle und der damit verbunden Inkonstanz bezüglich seiner Resultate. Allein musste der Rennfahrersohn die US-Flagge in der GP3 aber nicht hochhalten - auch Ethan Ringel bestritt die komplette Saison. Das Problem dabei: Niemand bemerkte es. Am Ende konnte er als 29. im Gesamtklassement nur zwei Konkurrenten hinter sich lassen, die nicht einmal die Hälfte der Rennen bestritten hatten. Damit bleibt unterm Strich nur eine halbwegs interessante Personalie: Alex Rossi, der für Caterham als Reservepilot des Formel-1-Teams im Einsatz ist und im ersten Freien Training von Barcelona heuer auch schon einmal an einem offiziellen Rennwochenende Einsatzkilometer sammeln durfte.

Drang nach Veränderung der Lage wird größer

Parallel startete er wie schon in den vergangenen Jahren wieder in der Formel Renault 3.5, was seine Chancen auf einen Aufstieg jedoch eher schmälern dürfte, sprang nach dem dritten Meisterschaftsrang 2011 heuer doch nur P11 heraus - ein Rückschritt, der den Amerikaner in einer entscheidenden Karrierephase durchaus einbremsen kann. Nach sechs Podestplätzen und zwei Siegen im Vorjahr reichte es heuer gerade einmal zu einem mageren dritten Platz - Tendenz in den letzten Saisonrennen: Stark absteigend. Beim Blick auf den amerikanischen Fahrermarkt bleibt aus F1-Sicht also in erster Linie eine Menge Ernüchterung. Das hat man nun auch an oberster Stelle entdeckt und sich glücklicherweise für einen konstruktiven Lösungsansatz entschieden: Ganz gezielt will man der Misere entgegenwirken und US-Talente in Zukunft besser fördern.

US-Nachwuchsserie nach GP2-Vorbild angedacht: Kommt bald die Americas Series?, Foto: GP2 Series
US-Nachwuchsserie nach GP2-Vorbild angedacht: Kommt bald die Americas Series?, Foto: GP2 Series

Das Management der Königsklasse erwägt aus diesem Grund eine amerikanische Version der GP2 beziehungsweise GP3, um die Beliebtheit des Sports jenseits des Atlantiks anzukurbeln. Selbst ein Arbeitstitel steht bereits fest, um das Projekt auch schon in seiner Frühphase beim Namen nennen zu können. Es ist die Geburtsstunde der 'Americas Series'. Gibt es tatsächlich bald grünes Licht, wird der zweite Schritt eingeleitet und es geht an die Rennplanung, die neben den Staaten unter anderem auch Läufe in Kanada und Brasilien beinhalten soll. Der Zweck ist klar: Eine zusätzliche Großplattform für Sponsoren wird geschaffen, die auf Grund der potenziellen Aufstiegsmöglichkeiten in die F1 einen weiteren nachhaltigen Investitionscharakter generieren kann und damit getrost als langfristig attraktiv bezeichnet werden darf.

Nachbar Mexiko als Zünglein an der Wage?

Zukunftsträchtig ist das Modell in jedem Fall, denn es geht nicht nur um die USA allein, auch die Nachbarländer sind mehr als interessiert - der nordamerikanische Kontinent lechzt nicht zuletzt auch auf Grund des Faktors Mexiko nach mehr Aufmerksamkeit in der Motorsportwelt. Dass sich Mexiko-Stadt schon seit geraumer Zeit um eine Wiederaufnahme in den Rennkalender der Formel 1 bemüht ist kein Geheimnis. 2013 hat man mit Sergio Perez bei McLaren erstmals seit den legendären Rodriguez-Brüdern, die in den Sechzigerjahren für Ferrari antraten, wieder einen heimischen Piloten in einem Top-Team. Mit GP2- und Sauber-Testpilot Esteban Gutierrez ist der nächste Shootingstar längst unterwegs...

Austin steht bereit - doch wird Texas erst der Anfang des großen US-Plans der F1?, Foto: Circuit of the Americas
Austin steht bereit - doch wird Texas erst der Anfang des großen US-Plans der F1?, Foto: Circuit of the Americas

Vermeiden wollen die Offiziellen allerdings ähnliche Missverständnisse wie mit der GP2 Asien. Diese wurde 2008 als Pendant zur normalen GP2 aus der Taufe gehoben und vornehmlich für die freie Zeit der Wintermonate angesetzt. Während in Europa Schnee und Kälte das Geschehen bestimmten, wurde an exotischen Orten im fernen Asien oder dem Orient gefahren. 2011 wurde das Konzept jedoch auf Grund mangelnden Erfolgs wieder verworfen, fand der letzte Lauf auf Grund der Bahrain-Krise doch im italienischen Imola statt. Hinzu kam, dass der gewünschte Effekt zu großen Teilen ausblieb, waren es - bedingt durch die hohen Kosten und die Exklusivität der Serie - doch keine nationalen Piloten, sondern vornehmlich die gleichen wie auch in der regulären GP2-Saison, die antraten.

Rentabilität entscheidend

Die Talentförderung steht außer Frage: Mit Nico Rosberg, Lewis Hamilton, Timo Glock, Giorgio Pantano, Nico Hülkenberg, Pastor Maldonado und Romain Grosjean schafften es bis dato noch alle Champions der seit 2005 bestehenden GP2, früher oder später den Weg in die Formel 1 zu finden. Seit 2010 besteht auch die GP3, die den nächsten logischen Schritt in der Jungendförderung darstellt und als Sprungbrett in Richtung GP2 dient. Zusammen haben beide Serien im vergangenen Jahr einen Ertrag von 44,8 Millionen Pfund erwirtschaftet. Zwar entspricht dieser Wert nur knappen drei Prozent der Gesamteinnahmen der F1 Group und wurde vornehmlich aus den Verkäufen der Einheitsautos, den Antrittsgebühren und Vermarktungsgeldern erzielt - gelohnt hat es sich dennoch. In Zeiten der weltweiten Rezession zählt jedes Pfund, jeder Euro... oder eben jeder Dollar.

Warum die Formel 1 so krampfhaft darum bemüht ist, die USA endlich zu erobern, liegt auf der Hand. Trotz oder gerade wegen des wirtschaftlichen Niedergangs ist das langfristige Potenzial der Staaten immens. Der Umbruch auf dem US-Automarkt ist besonders für die großen Hersteller eine einmalige Chance, ihre Marke mit neuem Standing zu positionieren. Schafft man das nicht ganz oben, setzt man eben ein paar Stufen weiter unten an und lässt das Gebilde von alleine nach oben wachsen. Sprich: Man setzt in vielerlei Hinsicht auf den Nachwuchs - oder, wie es Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug anhand des Beispiels seines Unternehmens vor der Reise nach Amerika formulierte: "Die USA sind mittlerweile der größte Markt für Mercedes-Benz. Ein Rennen in den USA gehört zu einer Weltmeisterschaft." Grund genug, auch einer eigenen Nachwuchsserie die Existenzberechtigung zu bescheinigen?!