Das Auto

Ein Start in die neue Saison, wie er schlechter kaum mehr hätte verlaufen können: Der neue MR01, der endlich den Weg in Richtung Mittelfeld antreten sollte, bestand die von der FIA geforderten Crashtests nicht. Hoffen und Bangen. Gerade einmal zehn Tage bevor in Melbourne das erste Mal die Motoren aufheulen sollten, hieß es dann endlich Durchatmen für das Team rund um Timo Glock. Crashtest bestanden - aber keine einzige wirkliche Testrunde mit dem neuen Boliden absolviert.

Nach nunmehr elf Rennen der Saison fällt das Resultat zweigeteilt aus. Der MP01 sah bei 21 Starts - Timo Glock musste in Valencia krankheitsbedingt passen - immerhin 16 Mal das Ziel. Vom süßen Duft des Mittelfeldes riechen die Piloten allerdings wenig. "Es stimmt leider, dass wir eher HRT im Nacken als Caterham vor der Brust haben", gestand auch Glock frustriert ein.

Gleichzeitig verwies er aber auf die Tatsache, dass es keinem Team in der Formel 1 gelingen würde, in einem halben Jahr einen Rückstand von fünf Sekunden aufzuholen. Das erste Qualifying in Australien zeigte nämlich die bittere Wahrheit: sechs Sekunden lag der Marussia hinter der Spitze. Mittlerweile hat sich eben dieser Rückstand bei rund vier Sekunden - im Rennen eher weniger - eingependelt, aber der Bolide ist immer noch nervös auf Hinterachse und Bremsen. Zudem fehlte es speziell in Hockenheim - trotz neuer Teile am Auto, die in Silverstone Premiere feierten - erheblich an Top-Speed. Von den großen Sprüngen, die sich das Team durch die Nutzung des McLaren-Windkanals versprochen hat, ist dementsprechend eher wenig zu sehen.

Team und Fahrer

Was könnte im Zeugnis der beiden Piloten Timo Glock und Charles Pic stehen? Stets bemüht, das Beste aus ihren Möglichkeiten zu machen, kommt der Situation wohl am nächsten. Prinzipiell ist es immer schwierig, die Leistung eines Fahrers einzuschätzen, der aufgrund seines Materials nicht in Zehnteln oder Hundertsteln, sondern in Sekunden oder Runden denkt. Doch wie immer ist auch in diesem Fall der Teamkollege Gradmesser.

Zwischen Timo Glock und Charles Pic herrscht nicht immer Sonnenschein, Foto: Sutton
Zwischen Timo Glock und Charles Pic herrscht nicht immer Sonnenschein, Foto: Sutton

Glock konnte zu Beginn der Saison mit seiner Erfahrung punkten und ließ den Rookie Pic regelmäßig hinter sich. Seit dem Deutschland GP hat sich das Blatt allerdings gewendet, denn der Franzose sortierte sich sowohl im Qualifying als auch im Rennen vor dem etwas strauchelnden Deutschen ein. Ob die Fahrerpaarung von Bestand ist, muss die Zeit zeigen, zufrieden mit Pic sei man allerdings, wie Marussia-Geschäftsführer Andy Webb bestätigte. Ob Glock mit dieser Wahl ebenfalls glücklich ist bleibt offen, hat ihn sein junger Teamkollege im Qualifying doch schon mehrmals blockiert und für Ärger im Team gesorgt.

Ganz andere Probleme ereilten das Marussia-Team eine Woche vor dem Rennen in Silverstone. Durch Gründe, die bis zum heutigen Tag nicht wirklich bekannt sind, fuhr Testfahrerin Maria de Villota bei Aerodynamik-Tests in Duxford in die geöffnete Laderampe eines Trucks, verletzte sich schwer und verlor ein Auge. Mittlerweile konnte die Spanierin das Krankenhaus - anscheinend ohne neurologische Schäden - verlassen und wird in einer speziellen Augenklink behandelt. Damit war das kleine Marussia-Team für Wochen in aller Munde - eine traurige Berühmtheit.

Ausblick 2. Hälfte

Was nun noch aus einer Saison machen, die eigentlich schon vorbei war, bevor sie überhaupt begann? Weiterentwickeln und dem ewigen Gegner Caterham verzweifelt hinterherhecheln, oder den MR01 den HRTs zum Fraß vorwerfen und somit alle verfügbaren Ressourcen auf das Jahr 2013 konzentrieren? Glock hat in dieser Beziehung eine klare Sicht auf die Dinge. "Dieses Jahr ist nicht mehr so viel realistisch. Bis Jahresende vor Caterham und an Toro Rosso dran zu sein, ist viel zu optimistisch", sieht der Deutsche den Tatsachen ins Auge.

Die wahrscheinlichste Variante dürfte sein, dass die Konzentration in Richtung MR02 gehen wird und teilweise Verbesserungen bereits live auf der Strecke ausgetestet werden. Das bedeutet aber nicht, dass Glock deshalb die Saison 2012 bereits abgeschrieben hat und seine Zeit im Auto nur noch absitzt. "Jedes Rennen ist ein neues Rennen, jeder neue Tag gibt einem neue Möglichkeiten - deshalb bleibe ich natürlich motiviert. Wenn ich das nicht mehr wäre, hätte ich schon längst aufgehört oder würde etwas anderes machen", stellte Glock klar. Zumal das Licht am Ende des Tunnels schon beinahe greifbar ist. Ab der kommenden Saison hat Marussia den Einsatz von KERS fest geplant.