1. S wie Strecke

Rein vom Streckenlayout her schafft Montreal ein Kunststück, das wohl nur wenigen Kursen gelingt. Immerhin kann es unter dem Begriff Eigenschaften Charakteristika von Spa, Monza und Monaco vereinen, was eigentlich kaum für möglich gehalten wird. So sieht es zumindest Sebastian Vettel. "Der Abtrieb ist ähnlich zu Spa und Monza. Aber vom reinen mechanischen Setup her ist es in gewisser Weise ähnlich zu Monaco. Der Asphalt ist sehr fein, ähnlich wie in Monaco und nicht so rau wie in Silverstone", sagt der Weltmeister.

Dank der ausgeprägten Bodenwellen und der Kerbs, die recht wild überfahren werden, ist noch eine Monaco-Eigenschaft auf dem eher untypischen Stadtkurs zu finden. "Insgesamt sucht man den Kompromiss. Es ist hier viel offener, mehr Platz, aber es ist keine permanente Strecke, die auch für den Straßenverkehr geöffnet ist. Es ist ein Mischmasch, kein echter Straßenkurs, aber auch keine echte Rennstrecke, ähnlich wie in Melbourne", erklärt Vettel. Eine Sache zeichnet Montreal dann aber doch aus: es kann gut überholt werden und das könnte im Rennen durchaus ein Faktor werden, der auch von den Strategen berücksichtigt wird. Denn reiner Speed ist dann wichtiger als Streckenposition, da sich diese durch Überholen gewinnen lässt.

2. S wie Startaufstellung

"Sebastian Vettel hat es nicht verlernt", lobte Christian Danner. Im Qualifying zum Großen Preis von Montreal kam wieder der Vettel-Faktor ins Spiel. Obwohl der RB8 eigentlich in Sachen Top-Speed nicht zu den Besten gehört, holte Vettel ausgerechnet im letzten Streckenabschnitt seinen Vorsprung von drei Zehntel auf Lewis Hamilton heraus. Hamilton selbst zeigte sich nach Reifenproblemen überrascht, überhaupt in der ersten Startreihe zu stehen. Somit könnte Fernando Alonso auf dem Circuit Gilles Villeneuve der lachende Dritte sein.

Zeigt Fernando Alonso den nächsten Raketenstart?, Foto: Sutton
Zeigt Fernando Alonso den nächsten Raketenstart?, Foto: Sutton

"Der Ferrari war zu Beginn des Jahres richtig schlecht, doch zuletzt wurde er immer stärker und besser", fiel auch Niki Lauda auf. Die wohl größten Negativüberraschungen der Startaufstellung sind Michael Schumacher und Jenson Button. Schumacher verlor den Kampf gegen die Uhr, Button den Kampf gegen die Reifen. "Als ich über die Linie fuhr, war die Ampel noch grün", erklärte Schumacher. Der Computer sah das anders und somit steht Schumacher nur auf P9. Dass das Rennen auch von weiter hinten nicht verloren ist, bewies Button 2011 als er zwischenzeitlich ganz am Ende des Feldes lag und in der allerletzten Runde noch an dem führenden Sebastian Vettel vorbeiging.

3. S wie Start

Interessant wird in Kanada sein, ob alle Autos unbeschadet durch die erste Kurve kommen. Das gilt vor allem für Romain Grosjean, der ein gebranntes Kind ist, wenn es um Startunfälle im Jahr 2012 geht. Dreimal krachte es in dieser Saison bereits, nachdem die Ampel auf Grün geschaltet hatte. Den Vorwurf, er würde am Start zu viel riskieren, wollte der 26-Jährige aber nicht gelten lassen. "Ich bin nicht zu aggressiv gefahren, ich hatte nur ein bisschen Pech", sagte er. "Beim Crash mit Maldonado in Australien konnte ich nichts dafür, in Malaysia beim Zusammenstoß mit Schumacher war es mein Fehler, ich bin im Nassen ins Schleudern gekommen. Und in Monaco kann man ohnehin nichts machen. "

Deshalb werde er auch in Montreal wieder seine Chance suchen, kündigte der WM-Achte an. "Der Start ist ein sehr wichtiger Augenblick, manchmal wird es halt ein bisschen eng." Vor allem in Kanada: Der frühere Formel-1-Fahrer Alexander Wurz kann ein Lied davon singen. 1998 überschlug sich der damalige Benetton-Pilot nach einer Kollision mit Ralf Schumacher mehrere Male und landete im Kiesbett. Doch der Österreicher hatte Glück im Unglück: Im Gegensatz zu seinem völlig demolierten Boliden blieb Wurz unverletzt.

4. S wie Strategie

Der Circuit Gilles Villeneuve gilt als eine der reifenschonendsten Strecken im Formel-1-Kalender. Pirelli lieferte für dieses Rennen die weichen und superweichen Pneus an, wobei die superweiche Mischung laut Motorsportdirektor Paul Hembery rund 30 Runden halten soll und zwischen den beiden Reifentypen etwa eine halbe Sekunde Zeitdifferenz liegt. Der Brite geht daher davon aus, dass die meisten Teams auf eine Zweistopp-Strategie setzen werden, hält jedoch auch nur einen Besuch in der Boxengasse für möglich.

Etwas anders sieht Ross Brawn die Situation, eine so lange Laufleistung traut er den Reifen nicht zu. "Es wäre ziemlich mutig, eine Ein-Stopp-Strategie zu wagen", gab er zu Bedenken und wies zudem auf die Kürze der Boxenstopps in Montreal hin - es gäbe in der Regel nicht mehr als 13 oder 14 Sekunden Zeitverlust. Die meisten Piloten teilen jedenfalls die Ansicht Hemberys und rechnen nicht mit mehr als zwei Stopps, wie auch Felipe Massa betonte. "Im Rennen gibt es nur die Wahl zwischen einem oder zwei Stopps."

5. S wie Start-Ziel-Sieg

Für einen Start-Ziel-Sieg spricht, dass Vettel die Pole Position ergatterte. In der vergangenen Saison fuhr der Red-Bull-Pilot neun seiner elf Siege vom ersten Startplatz ein. In Bahrain, bei seiner einzigen Pole in diesem Jahr, fuhr er das Rennen ebenfalls souverän nach Hause. Doch Vettel weiß spätestens seit dem letzten Jahr, dass der Platz in der Sonne auf dem Circuit Gilles Villeneuve noch lange nicht gleichbedeutend mit einem Sieg ist. "Es ist noch ein langer Weg, es ist ein langes Rennen, da kann viel passieren. Das hat man in den letzten Jahren gesehen", sagte der Weltmeister.

Safety-Car-Phasen sind in Kanada keine Seltenheit, Foto: Sutton
Safety-Car-Phasen sind in Kanada keine Seltenheit, Foto: Sutton

Der Grand Prix in Montreal scheint ohnehin nicht für Siege aus vorderster Front gemacht zu sein. Nur drei der letzten zehn Rennen wurden von der Pole gewonnen - zum Vergleich: in Monaco waren es acht der letzten zehn Grands Prix. Der Grund dafür könnte an dem oftmals turbulenten Rennverlauf liegen. In den vergangenen zehn Jahren gab es insgesamt 14 Safety Car-Phasen in Montreal - davon fünf in der letzten Saison.

6. S wie Sonntagswetter

Im vergangenen Jahr war Montreal Schauplatz des längsten Rennens der Formel-1-Geschichte, denn heftige Regenfälle führten zu einer mehr als zweistündigen Unterbrechung. Zu einer Wiederholung des Marathonrennens wird es in diesem Jahr nicht kommen, da für den Rennsonntag warmes und stabiles Frühsommerwetter prognostiziert ist. Die Temperaturen werden allerdings eine entscheidende Rolle für die Reifen spielen, weil es von Tag zu Tag wärmer wird und vielen Teams die Erfahrung unter den sommerlichen Temperaturen fehlt.

"Unsere Longruns waren okay, allerdings unter kühleren Bedingungen", erklärte Lewis Hamilton. McLaren zählt zu jenen Teams, die sich kälteres Wetter wünschen, da man befürchtet, in der Hitze zurückzufallen. Anders stellt sich die Situation bei Lotus dar, sowohl Kimi Räikkönen als auch Romain Grosjean setzen ihre Hoffnungen auf höhere Temperaturen am Rennsonntag. "Üblicherweise kommen uns wärmere Bedingungen entgegen", sagte der Finne.

7. S wie siebter Sieger

Vor dem Auftakt des Montreal-Wochenendes wurde bereits munter spekuliert, wer nun der siebte Sieger im siebten Rennen wird. Dank Zahlenspiel wurde schnell ein Sieger ausgemacht; und zwar Michael Schumacher. Doch nach Startplatz neun schätzt er seine Siegchancen eher gering ein. Teamkollege Nico Rosberg startet zwar von P5, rechnet aber mit einem anderen deutschen Sieger. "Sebastian hat morgen die größten Chancen auf den Sieg. Unser Ziel muss das Podest sein", betonte der Mercedes-Pilot.

Im Vorjahr sah Vettel bereits wie der sichere Montreal-Sieger aus, doch dann leistete er sich einen Patzer. Nutznießer war damals Jenson Button, der dieses Wochenende von P10 wohl weniger ausrichten wird können. Als Qualifying-Zweiter ist allerdings Lewis Hamilton in Schlagdistanz - und der McLaren-Pilot ist heiß auf seinen ersten Saisonsieg. Doch die Siegesrechnung darf man niemals ohne Fernando Alonso machen. Der Spanier hat von Platz drei aus alle Chancen. "Mit ihm ist immer zu rechnen", weiß auch Christian Danner.