In Sachen Rad-an-Rad-Kämpfe war der Große Preis von Italien eines der besten Rennen der Saison. Auf Grund der einzigartigen Streckencharakteristik des Kurses in Monza, gab es aber auch spannende Entscheidungen der Teams in Bezug auf die Rennstrategie zu bewundern - nicht nur, was die Reifen- und Boxenstrategie betraf, sondern auch in Sachen Abstimmung, Flügel- und Getriebeeinstellung.

Bei Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 350 Stundenkilometern, war die Balance des verstellbaren Heckflügels (zwischen sechs und acht Stundenkilometer Zeitvorteil) ein Schlüssel zum Erfolg - ohne dabei jedoch in den Drehzahlbegrenzer zu kommen, der auf 18.000 Umdrehungen pro Minute eingestellt ist. Wie die Teams wie Red Bull, McLaren und Mercedes speziell auf diesen Punkt eingingen, hatte eine große Auswirkung auf den Ausgang des Rennens.

Die Kämpfe an der Spitze

Auf Alonsos Führung musste Vettel schnell reagieren - sonst hätte sie ihn den Rennsieg gekostet, Foto: Sutton
Auf Alonsos Führung musste Vettel schnell reagieren - sonst hätte sie ihn den Rennsieg gekostet, Foto: Sutton

Bereits nach dem Qualifying war weitreichend bekannt, dass Sebastian Vettel im Vergleich zu seinen Rivalen einen kürzeren letzten Gang gewählt hatte. Beim Herausbeschleunigen aus Kurven, wie der Lesmo und der Parabolica, hatte er so einen leichten Vorteil, auch wenn er dadurch auf etwas Top-Speed verzichten musste. Zudem konnte er das DRS damit exakt so einsetzen, wie er das wollte. Vettel wurde mit lediglich 327 Stundenkilometern gemessen und war somit der langsamste Fahrer von allen Piloten und ganze 22 Stundenkilometer hinter dem schnellsten Kontrahenten - trotzdem stand er am Ende mit einer halben Sekunde Vorsprung auf der Pole-Position. Diese Taktik hatte sich also ausgezahlt.

Für das Rennen machte ihn das allerdings angreifbar, denn würde er auf der Strecke Positionen verlieren, hätte er nicht die Höchstgeschwindigkeit, um auf den Geraden zu überholen. Da er am Start hinter Alonso zurückgefallen war, musste er in der Curva Grande ein sehr mutiges Überholmanöver wagen, um die Führung zurückzuerobern. Danach konnte er seinen Vorteil dann ausspielen und nachdem der Bann einmal gebrochen war, auf und davon ziehen.

McLaren war derweil davon ausgegangen, die richtige Balance gefunden zu haben, hatte aber nicht damit gerechnet, sich hinter Michael Schumacher wiederzufinden. Dessen Auto war vornehmlich auf Top-Speed ausgelegt und stellte sich daher als äußert schwierig zu überholen heraus, nachdem ihn erneut ein fantastischer Start mit an die Spitze des Feldes gespült hatte.

Schumacher hielt Hamilton das halbe Rennen lang auf - der Brite fand am Deutschen einfach keinen Weg vorbei, Foto: Mercedes
Schumacher hielt Hamilton das halbe Rennen lang auf - der Brite fand am Deutschen einfach keinen Weg vorbei, Foto: Mercedes

Schumacher qualifizierte sich als Achter, legte aber einen großartigen Start hin und war nach der ersten Kurve schon Dritter. Am Ende der Runde fiel er jedoch hinter Lewis Hamilton zurück. Auf Grund des Unfalls in der ersten Kurve kam das Safety-Car auf die Strecke und beim Re-Start war Hamilton nicht wachsam genug, weswegen Schumacher ihn erneut überholte und danach den kompletten ersten Stint über vorne blieb. Mercedes holte ihn dann in Runde 16 an die Box und setzte ihn auf einen neuen Satz weiche Reifen, den das Team im Qualifying gespart hatte, da man nur einen Versuch absolvierte.

Hamilton blieb noch zwei Runden länger auf der Strecke und versuchte eine Lücke herauszufahren. Sein Stopp war 0,7 Sekunden schneller als der des Mercedes, aber Mercedes Reifen-Planspiel für das Rennen zahlte sich aus und Schumacher war auf den neuen Reifen schnell genug, um vor Hamilton zu bleiben. Die Höchstgeschwindigkeit des Mercedes ohne DRS, war gleich zu der des McLaren mit DRS und so konnte Hamilton nicht vorbeigehen. Nach einer Warnung der Rennleitung bezüglich des Blockens des Gegners, verlor Schumacher die Position dann am Ende, als er spät noch einmal hochschaltete, während der Motor bereits im Begrenzer war - dadurch büßte er an Schwung ein und Hamilton konnte vorbeiziehen.

Auf Grund von Ferraris Problemen auf den härteren Reifen konnte Alonso Button in Monza nicht halten - das kostete Platz zwei beim Heimspiel, Foto: Sutton
Auf Grund von Ferraris Problemen auf den härteren Reifen konnte Alonso Button in Monza nicht halten - das kostete Platz zwei beim Heimspiel, Foto: Sutton

Im Kampf um die zweite Position zwischen Button und Alonso, hatte der Ferrari-Fahrer eine gute Pace auf den weichen Reifen - einmal mehr kostete ihn die Schwäche des Ferrari in den ersten Runden auf der mittleren Mischung aber eine Position. Button kam in Runde 33 an die Box und war bei seiner Out-Lap 1,5 Sekunden schneller als Alonso, der eine Runde später hereinkam. Auf dieser Runde überholte Button ihn dann. Buttons zweite Runde auf dem Reifen dauerte 1:28.0 Minuten, wohingegen Alonso 1:29.3 Minuten brauchte. Alosno hat das nun in drei Rennen Positionen gekostet - unter anderem auch in Deutschland, wo er die Führung auf gleiche Art und Weise an Hamilton verlor, wie nun in Monza seinen Platz an Button. Ferrari räumt ein, dass das eine Schwäche ist, an der man für 2012 arbeiten muss, da sie einen strategisch aufhält.

Mercedes dachte anders

Ein weiterer wichtiger Grund dafür, dass Schumacher in Monza so konkurrenzfähig war, war die Tatsache, dass sich der weiche Pirelli-Reifen als länger haltbar herausstellte, als das angenommen worden war. Die Blasenbildung war auf Grund der durch die FIA und Pirelli erzwungenen, strengen Radsturz-Vorgaben, nicht so schlimm, wie noch zuletzt in Spa. Der Verschleiß war zudem nicht so hoch, wie noch im Training am Freitag, da sich die Strecke verbessert hatte. Mercedes hatte in dieser Saison mit den weichen Reifen größere Probleme als die Konkurrenz, aber Schumacher konnte auf seinem weichen Satz immerhin 21 Runden abspulen.

Nico Rosberg wurde Opfer der von HRT-Pilot Liuzzi verschuldeten Startkollision - seine gute Strategie konnte er im Rennen dadurch nicht mehr ausspielen, Foto: Sutton
Nico Rosberg wurde Opfer der von HRT-Pilot Liuzzi verschuldeten Startkollision - seine gute Strategie konnte er im Rennen dadurch nicht mehr ausspielen, Foto: Sutton

Im Wissen, dass man nicht den Speed haben würde, sich besser als auf Rang sieben oder acht zu qualifizieren, hatten sich die Mercedes-Strategen auf den Plan für das Rennen konzentriert. Zu diesem Zweck hatte sich Rosberg auf der mittleren Mischung qualifiziert, was bedeutete, dass er hinter Petrov und Schumacher fiel, die er normalerweise geschlagen hätte. Der Gedanke hinter Rosbergs Strategie war es, zu vermeiden, auf den Blasen bildenden, weichen Reifen starten zu müssen, dann einen langen ersten Stint zu fahren und schließlich zwei schnelle Anschnitte auf neuen weichen Reifen folgen zu lassen. Zum Teil kam es dazu auch, weil Mercedes am Freitag auf den weichen Pneus einen hohen Verschleiß zu bemängeln hatte und der Unterschied zwischen der weichen und der mittleren Mischung nicht so groß war, wie in Spa.

Hier handelte es sich mehr um einen Unterschied zwischen 0,7 und 1,2 Sekunden - mit Mercedes und Red Bull im Bereich der geringeren Differenz. Leider bekamen wir nie zu sehen, was Rosberg möglicherweise erreicht hätte, denn er wurde bereits durch den Unfall in der Startkurve aus dem Rennen geworfen. Da allerdings die Haltbarkeit der weichen Reifen am Ende ohnehin besser als erwartet war, konnten alle Rivalen Rosbergs leicht mit zwei Stopps das Rennen beenden. Es ist also unwahrscheinlich, dass es zu viel mehr gereicht hätte, als zu Schumachers fünftem Platz.

Strategie beschert dem Mittelfeld starke Resultate

Bruno Senna holte die ersten F1-Punkte seiner Karriere - wäre er bei seiner ursprünglichen Strategie geblieben hätten es aber noch mehr sein können, Foto: Sutton
Bruno Senna holte die ersten F1-Punkte seiner Karriere - wäre er bei seiner ursprünglichen Strategie geblieben hätten es aber noch mehr sein können, Foto: Sutton

Rosberg war mit seiner Entscheidung, auf der Medium-Mischung zu starten, nicht allein und fand Nachahmer. Senna absolvierte in Q3 keine gezeitete Runde mehr und konnte sich daher aussuchen, auf welchen Reifen er losfahren wollte. In der Startaufstellung hinter Rosberg, wählte auch er die mittlere Mischung, da es keinen Sinn gemacht hätte, auf den schnelleren Reifen zu sein, wenn Rosberg direkt vor ihm im ersten Stint auf den Medium-Pneus langsamer fahren würde. Er verlor im Chaos der ersten Runde jedoch fünf Positionen und kam dann in der zweiten Runde an die Box, um sich weiche Reifen abzuholen und von da an mit einer Drei-Stopp-Strategie zu fahren. Mit der ursprünglichen Renntaktik auf der mittleren Reifenmischung und mit zwei Stopps, wäre er wohl besser dran gewesen. Im mittleren Stint wäre er so näher an Alguersuari dran gewesen.

Der Spanier war in diesem zweiten Stint in Sachen Pace jedoch gut unterwegs und das brachte ihm am Ende mit Platz sieben die bisher beste Platzierung seiner F1-Karriere ein. Sein Start war gut und er kam von Platz 18 aus auf den elften Rang nach vorne. Da er bereits in Q1 ausgeschieden war, hatte er zudem das ganze Rennen über frische Reifen zur Verfügung. Wie der Sauber, geht auch der Toro Rosso sehr schonend mit den Reifen um und als generelles Schema stellt sich daher heraus, dass man sich schlecht qualifiziert, dann aber ein gutes Rennen hat. In den vergangenen Jahren hätte das mit den lange haltbaren Bridgestone-Reifen nicht zu Punkten geführt, aber sie haben die Pirelli-Karte nun sehr gut ausgespielt.

Der Überraschungs-Siebte Jaime Alguersuari war nach dem Monza-Rennen im Fahrerlager natürlich auch bei den hübschen Medienvertreterinnen ein gefragter Mann, Foto: Sutton
Der Überraschungs-Siebte Jaime Alguersuari war nach dem Monza-Rennen im Fahrerlager natürlich auch bei den hübschen Medienvertreterinnen ein gefragter Mann, Foto: Sutton

Mit Alguersuaris Resultat sind es nun sieben aufeinanderfolgende Rennen - insgesamt neun von 13 - in denen ein Fahrer, der in Q1 ausgeschieden war, Punkte geholt hat. Es kommt einzig und allein auf die Strategie an und genau das ist einer der erfrischendsten Aspekte der Saison 2011. Hinter Rosberg und Senna fuhren viele Fahrer, die sich außerhalb der Top-10 befanden (und dadurch in der Lage waren, ihre Reifen für den Start frei zu wählen) auf der mittleren Mischung los. Das beinhaltete auch beide Saubers und Sutil, deren Ziel es war, das Rennen mit nur einem Stopp zu beenden. Leider schieden auch hier wieder alle drei Piloten aus und wir werden niemals zu sehen bekommen, was sie vielleicht hätten ausrichten können.

Für Perez sah es jedoch wirklich sehr gut aus. Er machte bereits am Start sieben Plätze gut und schob sich auf Rang zehn nach vorne. Im Verlauf des ersten Stints war er dann sogar schon Achter und gleichauf mit Alguersuari. Seine Pace auf dem Medium-Reifen war überdies sehr gut. Als der Spanier in Runde 20 an die Box kam, hätte Perez auf eine Zwei-Stopp-Strategie wechseln können und wäre vor ihm auf P7 ins Ziel gekommen. Leider streikte dann jedoch das Getriebe und er fiel aus. In Bezug auf die Konstrukteursweltmeisterschaft stellte sich das als entscheidend heraus, da es Paul di Resta erlaubte, vier Punkte einzufahren, die Force India im Klassement der Teams wiederum auf Rang sechs und noch vor Sauber spülten.