Da saß er nun nach seinen ersten zwei Trainings als Formel-1-Einsatzfahrer. Daniel Ricciardo hatte sich bei schwierigen Bedingungen im HRT in Silverstone nicht schlecht gemacht und einen ordentlichen Einstand in einem komplett neuen Team und Auto gefeiert. Kurz musste er dabei auch zurückblicken, wie es angefangen hatte, als er seine Eltern ständig darum anbettelte, ein Go-Kart haben zu dürfen, weil er Rennen fahren wollte. Die weigerten sich lange, vor allem seine Mutter wollte ihn lieber bei weniger gefährlichen Sportarten sehen.

Irgendwann gab sein Vater dann nach, kaufte ihm aber ein billiges Kart, mit dem er eigentlich keine Chance haben und aufgrund schlechter Ergebnisse die Lust verlieren sollte. Doch die Lust blieb, er machte weiter und irgendwann gab es dann ein ordentliches Kart. Der Weg nach oben begann und fand seinen vorläufigen Höhepunkt mit dem Formel-1-Einstieg. Als er sich nach den Trainings den Medien stellte, durfte er als erstes feststellen: "Es sind mehr Leute gekommen, als ich dachte. Schön, dass euch das interessiert."

Die Wetter-Show

Dann stand zunächst einmal der Formel-1-Standard auf dem Programm. Es war OK gelaufen, aufgrund der Bedingungen konnte er nicht so viel machen, wie er wollte, teilte er mit. "Das englische Wetter hat uns leider eine gute Show geliefert." Ein paar Runden waren aber drin, in denen er sich an das Auto und auch das Team gewöhnen konnte. "Ich lernte die kleinen Dinge am Lenkrad und studierte, wo sie im Vergleich zu den mir bekannten Autos sind. Ich gewöhnte mich ein, das half mir heute. Es wäre schön gewesen, vielleicht im Trockenen ein paar Runden zu fahren, aber vielleicht wird der Rest des Wochenendes besser für uns", sagte der Australier.

Im Cockpit war vieles anders als bei Toro Rosso oder Red Bull, Foto: Sutton
Im Cockpit war vieles anders als bei Toro Rosso oder Red Bull, Foto: Sutton

Vor allem die Lenkrad-Bedienung hatte es ein wenig in sich, ging ihm aber bald in Fleisch und Blut über. "Vielleicht gab es am Morgen noch eine Phase, als ich statt zwei Sekunden zehn Sekunden brauchte, um etwas zu verstellen, aber das war nichts Dramatisches", berichtete Ricciardo. Ein völlig unbekanntes Auto ist eben nicht ganz so einfach kennenzulernen, wenn man gleich Formel-1-Geschwindigkeit fahren soll. Und auch beim Sitz zwickte es noch hier und da. "Am ersten Tag ist das eben so. Ich habe nie viel Glück, dass ich gleich angenehm sitze. Ich bin mir sicher, mit ein paar Polsterungen da und dort, wird es morgen besser."

Immer noch ein Formel-1-Auto

Dank der Bedingungen konnte er das Potential des Autos aber ohnehin noch nicht richtig einschätzen und einen Vergleich mit dem Red Bull vom Abu-Dhabi-Test voriges Jahr und dem Toro Rosso von diesem Jahr wollte er sich ohnehin sparen. "Es ist aber immer noch ein Formel-1-Auto und man kann damit tolle Dinge machen, was den Speed betrifft und die Bremsen sind extrem stark. Sogar heute im Regen war das so." Sollte es am Samstag dann trocken sein, wartet aber wieder eine neue Erfahrung, wobei Ricciardo meinte, dass er dann sicher nicht ganz bei null beginnen werde. Er werde lediglich einen neuen Aspekt mit dem Auto kennenlernen. Ein anderer Aspekt wird sein, dass er überhaupt am Samstag noch im Auto sitzt, weswegen er auch enger mit den Ingenieuren arbeitete.

Große Ziele für seine Zeit bei HRT hatte er vorerst keine. Er hätte es zwar schön gefunden, mit dem Team etwas nach vorne zu kommen, vorerst wollte er aber einfach Rennen beenden. "Ich werde natürlich versuchen, so viel rauszuholen wie möglich. Ich bin aber erst kurz beim Team. Ich denke nicht, dass wir mit Ferrari oder Red Bull kämpfen." Mit anderen Fahrern kämpfen würde er trotzdem gerne, wobei für Ricciardo klarerweise Teamkollege Tonio Liuzzi der erste Gradmesser ist. Von dem Italiener wollte der Australier aber vor allem auch lernen und erfahren, in welche Richtung der HRT-Bolide bislang gegangen ist. "Wenn ich meine Pace heute ansehe, freue ich mich, dass ich [im Vergleich zu Liuzzi] konkurrenzfähig war. Schauen wir, wie es im Trockenen läuft."

Viele Jahre Formel 1

Klar ist, Ricciardos Zeit bei HRT ist auch eine Prüfungszeit, immerhin will man bei Red Bull wissen, was er in der Formel 1 kann. Daher fände er es schon wichtig, vor Liuzzi zu landen. "Ich werde so schnell fahren, wie es geht. Wo mich das hinbringt, wird die Zukunft entscheiden. Der Plan ist, viele Jahre in der Formel 1 zu fahren. Dafür muss ich schnell sein und mich beweisen, hoffentlich schaffe ich das", sagte er. Und eines Tages wäre dann der WM-Titel natürlich auch schön für ihn. Doch er gab zu, dass das noch weit weg ist. "Jetzt zählt einmal dieses Jahr. Die Nachrichten von voriger Woche nehmen noch viel Platz in meinem Kopf ein. Das wird mich lange tragen und das Jahr über beflügeln. Dann schauen wir, wie es weitergeht. Erst will ich den Moment genießen."

Die Familie wird Ricciardo beobachten, Foto: Sutton
Die Familie wird Ricciardo beobachten, Foto: Sutton

Ricciardos Familie genießt mit, denn sie ist in Silverstone angetreten, um ihn anzufeuern. Die Red-Bull-Familie wird auch gespannt zusehen, wobei der Australier ihr versprechen konnte, dass er keine Betriebsgeheimnisse ausplaudern wird. "Bei Basisdingen kann ich mein Feedback einbringen. Persönlich weiß ich aber nicht so viel von technischer Seite, was sie [Red Bull] bei der Abstimmung des Autos machen. Ich würde aber auch nichts sagen, wenn ich was wüsste, da gibt es eine gewisse Linie der Vertraulichkeit zwischen den Teams."

Jedes Auto hat ein Limit

Trotzdem würde er gerne dazu beitragen, HRT weiter nach vorne zu bringen. Wobei er betonen musste, dass jedes Auto Spaß bringen kann, egal wie stark es ist. "In der World Series by Renault fahren wir zum Beispiel langsamer als in der Formel 1, aber wenn man das Auto ans Limit bringt, dann hat man Spaß. Es ist natürlich schöner, wenn der Name auf P1 als auf P20 steht, das ist der einzige Unterschied. Wenn man fährt, ist es so oder so befriedigend, wenn man das Limit findet. Das kann man auch im Go-Kart erleben."