Der Große Preis von Europa in Valencia war vom Standpunkt der Zuschauer aus gesehen, das in dieser Saison bisher am wenigsten spannende Rennen. In Sachen Strategie war der Grand Prix jedoch durchaus interessant. Allerdings ging es nicht so hektisch zu, wie bei einigen anderen Rennen, die man dieses Jahr schon erleben durfte und überraschend kam es auch zu keinem Safety-Car-Einsatz. Daher hatten die Teams im Rennen allerdings viel Zeit ihre Optionen sorgfältig zu sondieren.

Viele hatten geplant, das Rennen mit einer Zwei-Stopp-Strategie zu bestreiten, die unter Voraussetzung eines verkehrsfreien Rennens zumindest auf dem Papier acht Sekunden schneller war. Dann änderten sich jedoch die äußeren Bedingungen und der Renntag erwies sich als wesentlich heißer als die Trainingstage. Die Streckentemperatur war am Sonntag ungefähr 20 Grad höher, als sie es noch am Freitag war. Deshalb entschieden sich viele Teams für die konservativere Variante und absolvierten im Rennen drei Boxenstopps.

Auch Red-Bull-Star Sebastian Vettel holte sich vor dem Start noch die letzten Infos von Pirelli ein - ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg, Foto: Pirelli
Auch Red-Bull-Star Sebastian Vettel holte sich vor dem Start noch die letzten Infos von Pirelli ein - ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg, Foto: Pirelli

Wie in den Vorjahren mit den Bridgestones, verbesserte sich durch den Gummi auf der Strecke mit der Zeit der Grip. Zwischen Freitag Vormittag und dem Beginn der Qualifikation am Samstag verbesserte sich die Rundenzeit daher immer um bis zu vier Sekunden pro Runde. Dieses Jahr war dies mit den Pirellis aber etwas weniger der Fall und der Trend ging mehr in Richtung drei Sekunden. Bemerkenswert war auch, dass Pirelli erstmals die mittlere Reifenkomponente zu einem Rennen mitbrachte. Auch wenn diese im Training getestet wurde, wusste niemand, wie sie sich bei 47 Grad Streckentemperatur verhalten würde.

In Bezug auf die Strategie gab es einige interessante Beobachtungen zu machen - besonders beim Kampf zwischen Red Bull und Ferrari, aber auch bei Mittelfeld-Fahrern, die sich an die Veränderungen anpassten, etwas anderes ausprobierten und ein gutes Resultat erzielten. Ein solches Beispiel war Jaime Alguersuari, der unter extremem Druck eine herausragende Fahrt ablieferte. Nach der Qualifikation auf dem 18. Startplatz, zum dritten mal hintereinander inmitten der Hinterbänkler, wusste der Spanier, dass bereits die Geier über seiner Karriere kreisten.

Alguersuaris Meisterstück

Unter dem Druck einer drohenden Ablösung durch Toro-Rosso-Tester Daniel Ricciardo, kämpfte Alguersuari am Sonntag wirklich um seine Zukunft - und er tat es mit Bravour. Kein Wunder also, dass er beim Jubel nach dem Rennen in das Hafenbecken sprang! Auf frischen weichen Reifen ins Rennen gegangen, erwischte er einen anständigen Start und verbesserte sich auf den 17. Platz. Dann schnappte er sich schnell Perez und Petrov, die beide auf dem mittleren Reifen losgefahren waren.

Hobby-DJ Jaime Alguersuari freute sich in Valencia ganz besonders über den prominenten Besuch von David Guetta - viel bemerkenswerter war aber seine eigene Leistung auf der Strecke, Foto: Sutton
Hobby-DJ Jaime Alguersuari freute sich in Valencia ganz besonders über den prominenten Besuch von David Guetta - viel bemerkenswerter war aber seine eigene Leistung auf der Strecke, Foto: Sutton

Danach lag er hinter Teamkollege Buemi, der einen Platz vor ihm geststartet war, also ähnlichen Fortschritt erzielte. Als dann Heidfeld, Barrichello und Sutil in Runde 11 und 12 in die Box kamen, gewann er Positionen, genauso wie durch den Stopp von Buemi in Runde 14. Alguersuari fuhr jedoch weiter und schnell wurde klar, dass Toro Rosso die Strategien aufteilte und den Spanier auf zwei Stopps setzte. Für seinen ersten Boxenaufenthalt kam er in Runde 19 herein.

Was jedoch wirklich sein Rennen bestimmte und ihm letztendlich den achten Rang einbrachte, war der folgende Stint über 23 Runden auf den weichen Reifen. Nicht nur, dass der Stint sehr lang war - die meisten Teams hätten keine 23 Runden auf den weichen Reifen zustande gebracht - Alguersuari konnte zu dieser Zeit auch auf einem ähnlichen Niveau, wie Mercedes und Renault fahren, was am Ende der entscheidende Faktor war.

DRS-Vorteil war zu klein

Alguersuaris Leistung erwischte die meisten Mittelfeld-Teams kalt, denn diese hatten nicht erwartet, dass er so lange und noch dazu mit so konkurrenzfähigen Zeiten auf der Strecke bleiben könnte. Besonders überraschend war für die versammelte Gegnerschaft die lange Haltbarkeit der Reifen vor dem Hintergrund, dass der Toro Rosso nicht gerade als besonders schonend im Umgang mit den Reifen eingeschätzt wurde, so wie beispielsweise der Sauber.

Das DRS brachte nicht wirklich den erhofften Vorteil für den Hintermann - oftmals wurde es am Ende der Geraden zwar knapp aber selten reichte es tatsächlich zu Überholmanövern, Foto: Sutton
Das DRS brachte nicht wirklich den erhofften Vorteil für den Hintermann - oftmals wurde es am Ende der Geraden zwar knapp aber selten reichte es tatsächlich zu Überholmanövern, Foto: Sutton

Als seine Rivalen ihre dritten Stopps absolvierten, kletterte Alguersuari somit wieder um einige Positionen nach vorne. Zudem machte er in den Schlussrunden einen großartigen Job, als er Sutil hinter sich halten konnte. Beide Piloten waren am Ende auf der mittleren Reifenmischung, hatten ihre letzten Boxenstopps innerhalb einer Runde voneinander absolviert (42/43) und trotzdem konnte Sutil keinen Weg vorbei am Toro Rosso finden - nicht einmal mit dem DRS und einer daher um vier Stundenkilometer höheren Höchstgeschwindigkeit auf der Geraden.

An der Spitze duellierten sich derweil Ferrari und Red Bull. Sebastian Vettel hatte alles unter Kontrolle und konnte, ohne seine Reifen zu irgendeinem Zeitpunkt zu sehr zu beanspruchen, einen kleinen Vorsprung herausfahren. Mark Webber stecke dahinter jedoch voll in einem Kampf mit Ferraris Fernando Alonso. Die Red-Bull-Taktik sah es vor, früher zu stoppen und zu versuchen, die Konkurrenz so zu übertrumpfen. Im Rennen gab es insgesamt jedoch drei entscheidende Momente, die Alonso am Ende halfen, Webber den zweiten Platz abzujagen.

Alonso schonte die Reifen

Erstmals war dies der Fall, als er Teamkollege Felipe Massa in Kurve zwei überholte, weil ihm das überhaupt erst ermöglichte, an Webber dran zu bleiben. Wäre er hinter Massa geblieben, wäre es schwierig geworden danach zu überholen, da die zwei DRS-Zonen besonders im ersten Rennabschnitt in Valencia nicht besonders effektiv waren. Nachdem er Webber in Runde 21 also geschnappt hatte, wurde Alonso aber beim zweiten Boxenstopp seinerseits von Red Bull übertrumpft, die zuerst herein und dadurch vorbeikamen.

Der Schlüssel zu Rang zwei lag für Fernando Alonso und Ferrari in Valencia eindeutig in den Boxen, Foto: Sutton
Der Schlüssel zu Rang zwei lag für Fernando Alonso und Ferrari in Valencia eindeutig in den Boxen, Foto: Sutton

In Bezug auf die Hinterreifen muss der Spanier in der Tat besorgt gewesen sein, denn andernfalls hätte er früher in die Box kommen sollen. Laut dem UBS Strategy Report war Ferrari aber auch zu Beginn der Stints auf den weichen Reifen immer sehr vorsichtig. Alonso beschleunigte nicht einmal mit Vollgas aus der Boxenstraße heraus, um die Oberfläche des Reifenprofils nicht gleich auf seiner Outlap zu überhitzen und auch in Bezug auf das komplette Aufwärmen des Reifens war er äußerst sorgsam. Nachdem er auf den weichen Pneus drei Runden länger auf der Strecke blieb, als Webber, der sich in Runde 42 die mittlere Mischung abgeholt hatte, gelang es Alonso erneut die Oberhand zu gewinnen.

Es war ziemlich offensichtlich, dass ein gebrauchter weicher Reifen immer noch schneller sein würde, als ein neuer Medium-Reifen. Die Strategen hätten das zeitgleich auch an Kamui Kobayashis Rundenzeiten ablesen können. Alonso holte in diesen drei Runden so genug heraus, um sich den zweiten Platz zu sichern, als er zu seinem letzten Stopp hereinkam - zudem war der Ferrari am Ende auf den mittlere Reifen, trotz aller Trainings-Probleme damit, überraschend schnell.