Christian, was hältst du von dem Urteil gegen Ferrari?
Christian Danner: Bei Max Mosley war es ganz klar, worum es geht. Seitdem Todt am Ruder ist, ist eine dermaßen wachsweiche Geschichte eingetreten, jede Interpretation ist möglich, keiner bekommt eine klare Aussage und diese Geschichte mit Ferrari ist ein Hohn. Das ist der klare Beweis dafür, dass obwohl das Reglement glasklar formuliert ist und glasklar erwiesen ist, dass dagegen verstoßen wurde, man für 100.000 Dollar sieben Punkte kaufen kann. Damit ist Betrug Tür und Tor geöffnet. Das ist deswegen so wahnsinnig problematisch, weil eine Sportart als solche es sich nicht leisten kann, dass geschoben wird.

Das heißt nicht, dass es in jeder Sportart immer sauber zugeht. Es kann durchaus sein, dass einer hier und da einmal was gedreht hat. Aber stell dir einmal vor, du machst in der Leichtathletik so etwas, einer läuft ein bisschen langsamer, damit der Teamkollege gewinnt, weil das für Amerika oder wen auch immer besser wäre. Das ist doch Schiebung. Oder der FC Bayern lässt im vorletzten Spiel den FC Nürnberg gewinnen, weil die gegen den Abstieg kämpfen, das ist doch Schiebung. Oder ich bleibe bei meinem Vier-Liter-Motor, weil das für Ferrari besser wäre, mit dem zu fahren, da sie damit jedes Rennen gewinnen. Aber es ist halt nicht erlaubt. Das ist das, was mich so an der FIA enttäuscht. Wie sie momentan operiert, ist enttäuschend. Weil damit in Zukunft dem Betrug Tür und Tor geöffnet ist.

Nicht nur in der Causa Stallorder?
Christian Danner: Nein, alles. Die Stallorder-Geschichte ist glasklar formuliert. Und wenn das in der Vergangenheit nicht klar formuliert war, dann ist es in der Vergangenheit schade und wurde früher wohl auch nicht richtig geahndet. Jetzt ist es glasklar formuliert. Aus einem ganz speziellen Grund: weil man es nicht haben will. Und noch viel wichtiger ist, dass man es sich gar nicht leisten kann, so etwas in seinem Sport zu haben. Mit solchen Wachs-Geschichten, die auch bewusst so gehandhabt werden, begibt man sich in Richtung von World Championship Wrestling. Das ist dann eine abgesprochene Sache und fertig.

Da war Stallorder noch nicht verboten, dafür gab es wegen Fehlverhaltens bei der Podestzeremonie immerhin eine Million Dollar Strafe, Foto: Sutton
Da war Stallorder noch nicht verboten, dafür gab es wegen Fehlverhaltens bei der Podestzeremonie immerhin eine Million Dollar Strafe, Foto: Sutton

Tatsache ist natürlich, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder stattgefunden hat, das wissen wir doch auch. Zum Beispiel Hockenheim 2008 mit McLaren und so weiter. Sie haben es nur cleverer gemacht...
Christian Danner: Pass auf. Wir sind alle nur Menschen und das Leben ist nun einmal nicht hundertprozentig sauber. Und deswegen gibt es in jeder Sportart Dinge, die grenzwertig sind und die nicht so hundertprozentig sauber sind, wie wir das haben möchten. Wenn ich aber vom Grundsatz her diese Schiebung erlaube, was ja auch diskutiert wurde, dann habe ich mich selbst abqualifiziert. Dann bin ich kein echter Sport mehr, sondern dann bin ich ein Entertainment-Ding. Und das widerspricht komplett dem FIA Sporting Code, wo es um fairen Wettbewerb geht - und zwar nicht zwischen den Teams, sondern zwischen den Fahrern. Der faire Wettbewerb zwischen den Fahrern ist in so einer Interpretation nicht gewährleistet.

Du kannst der Argumentation auch der Teamchefs, die meinen, die Formel 1 ist sowieso Teamsport und die Regel ist Blödsinn, also nicht folgen?
Christian Danner: Absolut nicht. Ich bleibe da bei den Vier-Liter-Motoren. Die habe ich jetzt schon zitiert und es ist doch so. Es wäre zum Beispiel auch für McLaren viel besser, wenn sie mit einem größeren Heckflügel fahren könnten. Das wäre super, aber das geht eben nicht.

Du bist da aber einer der Wenigen, der in der Hinsicht absoluter Purist ist...
Christian Danner: Ich bin da absolut glasklar. Ich sage, natürlich ist Stallorder etwas, das in diesem Sport immer wieder passiert. Das ist völlig klar. Aber, wenn du es von vornherein zu einem erlaubten Mittel machst, dann hast du dich selbst in der dümmsten Art und Weise abqualifiziert. Denk einmal weiter, denk an Wettbüros und so weiter. Sport als solches ist anders definiert. Sport ist Wettbewerb und keine Absprache. Das fällt den Teamchefs schwer. Viel schlimmer ist es ja bei den Herstellern. In der DTM oder in Le Mans oder der WTCC ist es ja ganz schlimm. Diese Meisterschaft, wo sie mit den 150-PS-Autos gegeneinander fahren. Die fahren vielleicht zwei Sekunden schneller als die Mini Challenge, das muss man sich einmal vorstellen. Dafür ist die Renndistanz nicht ganz so lange, da fahren sie etwas kürzer als die Mini-Challenge. Ich bin ja auch Realist. Ich habe es ja selbst auch am eigenen Leib immer wieder mit verfolgt. Wenn ein Hersteller bei einem 24-Stunden-Rennen seine Autos koordiniert, dann ist das ein bisschen etwas Anderes, als wenn du hier ein Formel-1-Rennen hast.

Es war auch ein bisschen was Anderes, als es früher die Ersatzautos gab. In Brands Hatch hat zum Beispiel [Thierry] Boutsen diesen Startcrash verursacht und ich bin mit [Jacques] Laffite in die Mauer gefahren, wobei er sich damals die Beine gebrochen hat. Da waren beide Autos meines Teams platt, wir standen vor der Box und es gab nur ein Ersatzauto. Das hat damals der Thierry bekommen, da war ich auch stinksauer, weil er einen anderen Status im Team hatte. Das ist ein Beispiel, da ging es auch um Teamorder. Ich habe den Nannini in Sao Paulo auch vorbeilassen müssen, obwohl ich das Rennen in der ITC lieber gewonnen hätte. Und, und, und... Ich bin ja Realist, ich sehe, dass es kaum vermeidbar ist. Nur wenn du es von Haus aus in deinen Statuten zulässt, blöder geht es ja nicht. Und wenn du dann auch noch den Beweis lieferst, dass man sich die Punkte für sehr wenig Geld kaufen kann, das verstehe ich nicht.