Parallelen zwischen der chinesischen Metropole Shanghai und dem vergleichsweise beschaulichen Nürnberg wollen sich nicht auf den ersten Blick erschließen. Dennoch fühlten sich regelmäßige DTM-Zuschauer am heutigen Samstag im Zentrum Mittelfrankens an die asiatische Weltstadt erinnert: Nachdem 2004 Mercedes-Pilot Bernd Mayländer beim Gastrennen der DTM in Shanghai ein losgelöster Gullydeckel zum Verhängnis geworden war, kollidierte nun Markus Winkelhock mit dem Deckel eines Versorgungsschachts. Ein stark lädierter Bolide machte eine Teilnahme am Qualifying unmöglich - und auch hinter dem Start beim Rennen standen große Fragezeichen.

"Auch die Sitzkiste des Autos war betroffen", diagnostizierte Dr. Wolfgang Ullrich am Abend, sieht einen Start Markus Winkelhocks beim morgigen Rennen aber als wahrscheinlich an. "Das Auto musste komplett zerlegt werden, denn der Aufbau eines Autos beginnt mit der Sitzkiste. Das Auto wird komplett neu aufgebaut. Und wie ich unsere Jungs kenne, werden sie das bis morgen geschafft haben."

Nachdem in Shanghai ein herkömmlicher Kanaldeckel durch den Sogeffekt der ihn überfahrenden Autos verselbstständigt hatte, sind nun auch die näheren Vorgänge um den diesmal betroffenen Deckel eines Versorgungsschachts geklärt. Ullrich erläutert: "Der Deckel war verschaubt, die Schraube ist aber im Verlauf der Runden so beansprucht worden, dass sie abgerissen ist. Der Deckel ist zusätzlich in einer Fassung, so dass er, wenn die Schraube lose ist, immer noch nicht abheben kann. Er muss erst um 45 Grad gedreht werden, um aus der Befestigung herauszukommen." Diese Drehung sei aber durch einen von Winkelhocks Vordermännern hervorgerufen worden.

Ein loser Kanaldeckel sorgte 2004 in China für Chaos, Foto: Sutton
Ein loser Kanaldeckel sorgte 2004 in China für Chaos, Foto: Sutton

"Zwischenzeitlich hatte sich der Deckel aufgestellt und hat Markus' Auto von vorne bis hinten regelrecht durchgeschnitten", führte Ullrich fort. Während Winkelhock im Folgenden mit einer beschädigten Bremsanlage kämpfte und seinen Dienstwagen nur durch Pedalpumpen und Motorbremse zum Stehen bringen konnte, flog der Deckel im hohen Bogen über die Leitplanken - vor den Augen Mike Rockenfellers. Gegenüber Motorsport-Magazin.com schildert er die Schrecksekunde so: "Es war nicht ganz so knapp für mich, viel knapper war es für die Streckenposten. In diesem Moment war mir nicht klar, dass es sich um einen Gullydeckel handelte. Ich sah nur, dass bei Markus irgendetwas passiert sein muss. Ich bin froh, dass niemandem etwas passiert ist, und hoffe, dass alle Deckel nun genug kontrolliert wurden."

Während der 90-minütigen Unterbrechung des freien Trainings wurden die übrigen Deckel nachhaltig gesichert und das betroffene Loch um den Versorgungsschacht mit Zement gefüllt. "Für die Sicherheit kann man sich nicht genug Zeit nehmen", sagte Ullrich, der am einberufenen Krisengipfel teilnahm. In der Krise könnte sich spätestens jetzt auch das neue Wochenendformat befinden: Dass das freie Training auf Grund der Unterbrechung nur 50 Minuten vor Beginn des Qualifyings zu Ende ging, rief erneut die Kritiker des freien Freitags und vollgepackten Samstags auf den Plan...