Dein Standing in der öffentlichen Wahrnehmung hat stets stark variiert. Wie hast du deinen Imagewandel erlebt?
Martin Tomczyk: Das Standing bei Audi war für mich immer gleich, dort hat es nie irgendwelche Unterschiede gegeben. Ich bin nicht umsonst jedes Jahr einen Neuwagen gefahren. Bei Dr. Wolfgang Ullrich war mein Standing immer positiv; er stand immer hinter mir, auch wenn es einmal nicht so gut funktioniert hat. In meinen Saisons hat es natürlich Höhen und Tiefen gegeben - gerade zu Audi-TT-Zeiten, als es für mich als junger Pilot sehr schwierig war, in sehr kurzer Zeit sehr viel zu lernen. Im Audi TT habe ich meine Lehrzeit verbracht. 2004 hat es mit dem A4 auf Anhieb besser funktioniert; zu dieser Zeit hatte ich außerdem einen neuen Renningenieur. Damals konnte ich auch über die Konstanz im Rennen gesehen endlich mein Potenzial zeigen. 2005 war für mich persönlich eines der schlimmsten Jahre, denn nach dem vorherigen Jahr waren auch auf meiner Seite die Erwartungen sehr hoch. Damals hatte ich allerdings das Problem, dass mein Renningenieur, mit dem ich 2004 zusammengearbeitet hatte, in diesem Jahr nicht mehr dabei war. Dieses Jahr habe ich dagegen wieder den Ingenieur, den ich 2004 schon hatte und alles funktioniert optimal.

Wie macht es sich bemerkbar, wenn man mit seinem Renningenieur nicht gut zurechtkommt?
Martin Tomczyk: Es muss die Chemie untereinander stimmen, denn letztlich ist der Renningenieur das Bindeglied zwischen Fahrer und Fahrzeug. Solange man seinem Ingenieur in die Augen schaut, mit ihm redet und er sofort richtig zu interpretieren weiß, welche Wünsche man hat und wie diese umgesetzt werden können, funktioniert es. Wenn man hingegen einen Ingenieur hat, der beispielsweise auf die Datenaufzeichnungen mehr Wert legt als auf die Aussagen des Fahrers, wird es schwierig, die Bedürfnisse des Fahrers zu erfüllen.

Wie sehr hat dich die Reaktion der Öffentlichkeit im letzten Jahr belastet?
Martin Tomczyk: Natürlich hat 2005 auch die Öffentlichkeit hohe Erwartungen an mich gehabt, so dass die Fazits der letzten Saison entsprechend ausgefallen sind. Ich habe mich davon jedoch nicht irritieren lassen, da ich mit dem Team gut analysieren konnte, was wir optimieren mussten. Es ist allerdings immer schwierig, nach außen hin zu erklären, woran es liegt, dass man über eine ganze Saison hinweg hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Die Leistungen in dieser Saison waren eine große Genugtuung für mich und das Team.

Aus Sicht Tomczyks begann der Aufwärtstrend bereits beim Saisonauftakt, Foto: AUDI
Aus Sicht Tomczyks begann der Aufwärtstrend bereits beim Saisonauftakt, Foto: AUDI

Auch zu Saisonbeginn sprachst du von deutlichen Verbesserungen, der große Sprung in Form mehrerer Podestplätze folgte allerdings erst zur Saisonmitte. Ärgert es nicht im Nachhinein, nicht von vorn herein die Leistung der zweiten Saisonhälfte gezeigt und entsprechend in den Titelkampf eingegriffen zu haben?
Martin Tomczyk: Das war schon etwas ärgerlich. In Hockenheim war ich bester Audi-Pilot, bin dann jedoch gleich in der ersten Kurve von Bruno Spengler abgedrängt worden, so dass ich ans Ende des Feldes zurückgefallen bin. Wenn eine Saison so beginnt, ist es natürlich bescheiden. Aber man muss auch sagen, dass es ein Unterschied ist, ob ein Ingenieur, der eine einjährige DTM-Pause eingelegt hatte, erst wieder zurückgekehrt ist oder ob man die ganze Winterpause über mit ihm durcharbeiten konnte. Es hat seine Zeit gedauert, bis sich das wieder eingespielt hat. Jetzt bin ich wieder dort, wo ich eigentlich schon zu Saisonbeginn 2005 anfangen wollte. Ich hoffe, dass es jetzt so weitergeht. Die Kooperation läuft intern wunderbar, man versteht sich blind.

Welche Faktoren haben aus deiner Sicht neben dem Wechsel des Renningenieurs dazu beigetragen, dass die fahrerische Konstanz nun wieder vorhanden ist?
Martin Tomczyk: Sicherlich zählt auch das Glück dazu; man sieht es an Mattias Ekström - er hatte in dieser Saison viel Pech. Natürlich kann man offensiv oder defensiv fahren; ich glaube, dass ich genug Lehrgeld bezahlt habe, um nun zu wissen, dass das Rennen nicht in den ersten drei Runden entschieden wird. Wenn ein Start gut funktioniert hat, muss man eben in der ersten und zweiten Kurve etwas defensiver fahren, ohne natürlich Chancen, die vorhanden sind, auszulassen. Man muss schauen, dass man sich aus Rangeleien heraushält, denn auch durch die beiden Pflichtboxenstopps kann sich viel ändern. Ein Rennen dauert nicht drei Runden, sondern eine ganze Stunde.

Wie erlebst du als direkter Teamkollege die erwähnte Pechsträhne Mattias Ekströms in der Zusammenarbeit?
Martin Tomczyk: Zunächst muss ich zu Mattias sagen: Das Glück war in den letzten fünf Jahren immer auf seiner Seite. Dass nun auch einmal ein Jahr folgt, in dem bei ihm viel Pech mitspielt, ist eigentlich logisch, denn irgendwann trifft es jeden einmal. Er lässt sich nicht unterkriegen, denn dass er nicht um die Meisterschaft fährt, war ja schon recht früh klar. Deshalb hat er sich nicht unter Druck setzen lassen und für sich beschlossen, dass er auch viel für Tom Kristensen fährt und darin seine Aufgabe findet. Aber natürlich merkt man es ihm an, dass er sich ärgert, wenn er nicht ankommt.

2005 hast du beklagt, dass das Auto nicht recht zu dir passt. Wie gefiel dir das aktuelle Auto?
Martin Tomczyk: Das Auto ist nach wie vor sehr diffizil zu fahren, aber je mehr Kilometer man gefahren ist, desto leichter tut man sich, die richtige Abstimmung zu finden. In diesem Jahr hat das Kennenlernen des Autos mit all seinen Neuerungen sehr viel besser funktioniert; die Zusammenarbeit im Team hat gepasst.

Wie siehst du generell die Entwicklung des Autos, nachdem beim Gewichtsgleichstand in Le Mans sichtbar war, dass Audi möglicherweise noch nicht ganz zu Mercedes aufgeschlossen hat?
Martin Tomczyk: Wir haben auf verschiedenen Strecken Vor- und Nachteile, während Mercedes auf allen Strecken eine gleichmäßige Balance hat. Unser Auto ist eben doch eher etwas streckenspezifischer gebaut, aber man muss ganz klar sagen, dass wir im Winter noch einige Arbeit zu erledigen haben, um diese Probleme loszuwerden. Wir geben während der Saison das Bestmögliche und entwickeln stetig weiter, aber wenn man nicht von Beginn an auf gleichem Level ist, tut man sich schwer, sich nachträglich dorthin zu arbeiten.

Auf dem Nürburgring fuhr Tomczyk seinen ersten Podestplatz seit 2004 ein, Foto: Audi
Auf dem Nürburgring fuhr Tomczyk seinen ersten Podestplatz seit 2004 ein, Foto: Audi

Begründet sich das nach wie vor auf der Tendenz, dass der A4 DTM eher in langsameren Kurven die Zeit gewinnt und auf schnelleren Passagen einen Nachteil hat?
Martin Tomczyk: Es ist vielleicht der generelle Unterschied, denn wenn man sich beispielsweise die Topspeed-Werte ansieht, sieht man, dass Mercedes in dieser Saison oft schneller war. Das Problem haben wir jedoch so gesehen schon sechs Jahre lang, denn für uns ist das Ziel, ein Auto so abstimmen zu können, dass es in schnellen, aerodynamisch anspruchsvolleren Kurven, sehr gut ist, nach wie vor wichtiger.

Du bist nun sechs Jahre in der DTM und willst nun sicherlich ein siebtes anhängen - doch wo kommt der Punkt, an dem man etwas Neues ausprobieren möchte?
Martin Tomczyk: Die DTM ist in Europa der wichtigste und härteste Tourenwagensport. Ziel ist für mich vorwiegend, in der Meisterschaft ganz oben zu stehen. Solange ich dieses Ziel nicht erkämpft habe, gibt es für mich keinen Grund, anderswohin zu gehen. Zum einen wüsste ich nicht wohin, denn abseits der DTM sehe ich keine Serie, die diesen Sport annähernd auf diesem Leistungsniveau bietet. Deswegen werde ich mich weiterhin dieser Meisterschaft stellen.