Viel hatte die Performance der Jahreswagen mit Blick auf das für die Neuwagen weit gehend eingefrorene Reglement für 2006 versprochen, nicht wenig löste sie auch ein. Insbesondere die Leistung der Mercedes-Vertreter bildete passend zu den Erfolgen der Neuwagen aus gleichem Hause das Salz in der Suppe...

Die Piloten

Zeig mir die Lackierung deines Wagens - und ich sage dir, wie erfolgreich du sein wirst: Ein kurioses Spiel, auf das sich zu Saisonbeginn zumindest drei Protagonisten des Jahreswagenlagers hätten einlassen dürfen. Während Timo Scheider die anthrazitfarbene "Audi Gebrauchtwagen plus"-Lackierung von Christian Abt erbte und wie dieser im Jahr zuvor prompt mit Abstand erfolgreichster Audi-Jahreswagenpilot wurde, errang Jean Alesi im roten "Stern"-Mercedes um ein Haar die gleiche Punktzahl wie 2005 Heinz-Harald Frentzen, auf dessen Opel ebenfalls für das Nachrichtenmagazin geworben worden war. Und auch das weiße Playboy-Häschen, mit dem sein ehemaliger Teamkollege Laurent Aiello im Opel Vectra im vergangen Jahr auf Rang zwei des internen Opel-Rankings gefahren war, hoppelte mit Christian Abt auf Platz zwei - diesmal in Reihen der Audi-Jahreswagen...

Insbesondere im Falle Alesis und Scheiders bedurfte es jedoch keines verheißungsvollen Anstrichs, um auf die Leistungen der beiden DTM-Veteranen aufmerksam zu werden. So überraschte Alesi zunächst mit jener Konstanz, die ihm im Neuwagen jahrelang gefehlt hatte - und fuhr während der ersten sechs Rennen fünf Mal in die Punkteränge. Anschließend jedoch fiel der Franzose in alte Gewohnheiten zurück: Im Qualifying schlich sich so mancher Ausrutscher ein, mit scharfer Interview-Kritik an HWA-Mercedes sowie dem rätselhaften Bremsmanöver von Barcelona vermochte Alesi sein internes Standing nur bedingt zu verbessern. Ähnlich wie sein Ex-F1-Kollege Frentzen zerschlug auch er das letzte Porzellan - wenn auch im direkten Vergleich etwas dezenter...

Timo Scheider zeigte seinen Audi-Kollegen die Rückleuchten, Foto: Audi
Timo Scheider zeigte seinen Audi-Kollegen die Rückleuchten, Foto: Audi

Am positiven Standing Timo Scheiders bei Audi kann hingegen kein Zweifel mehr bestehen: Mit sechs Top-8-Rängen und einer regelrechten Punkteserie in der zweiten Saisonhälfte setzte er die Steigerungen des noch Audi-unerfahrenen Rosberg-Teams nahezu perfekt um - und stellte damit Christian Abt, der am Ende ebenso wie der an guten Sonntagen über sich hinauswachsende Stefan Mücke zwei Mal in die Punkte fuhr, in den Schatten: Zwar ließ der Allgäuer oftmals jenen Speed aufblitzen, der ihn 2005 zum Protagonisten im 2004er-Lager gemacht hatte, die Konstanz schien jedoch unter manch hitzigem Zweikampf ebenso zu leiden wie unter der nicht immer glücklichen Rennstrategie des Phoenix-Teams. Diese stellte auch für Pierre Kaffer keine Hilfe dar, kann jedoch nicht allein erklären, dass der Eifeler mit nur einem Meisterschaftspunkt das Schlusslicht im Jahreswagenlager bildete:

Wusste auch Kaffer im Qualifying anders als noch in der zweiten Saisonhälfte 2005 durchaus zu überzeugen, so blieben im Rennen die Highlights aus - abgesehen von manch tapfer bestrittenen Zweikampf gegen Champion Bernd Schneider. Anders Alexandros Margaritis: Nicht nur mit der wohl rekordverdächtigen Ausbeute an Strafen der Sportkommissare, wie sie den Griechen in Nürburg und Zandvoort plagten, sorgte Margaritis für Furore; vielmehr verschaffte sich der Persson-Pilot zu Saisonbeginn mit einem scheinbar mühelosen Mitschwimmen in der Neuwagenkarawane für seine Rehabilitierung nach einer eher schwachen Debütsaison 2005 - und nahm am Ende mit Rang drei immerhin jahreswagenintern jene Platzierung ein, die ohne das Oscherslebener Technikpech auch zeitweise in der Meisterschaft möglich gewesen wäre...

Von derlei Verstößen an die Spitze konnten Daniel La Rosa und Frank Stippler nur träumen: Während La Rosa zunächst jenes Lehrgeld zahlte, um das für gewöhnlich das Konto eines jeden DTM-Debütanten erleichert wird, um zu Saisonende mit ersten Punkten sowie einem ersten Vorstoß in die letzte Session des Qualifyings deutliche Steigerungen zu offenbaren, wähnte sich Stippler vom Pech verfolgt. Und wenngleich trotz solider Leistungen und Rundenzeiten, die oft durchaus Scheider-Niveau erreichten, die fahrerischen Highlights ausblieben, hatte wohl in der Tat niemand seiner 19 Kollegen mit einer ähnlich umfangreichen Ansammlung an Pleiten, Rennpech und technischen Pannen zu kämpfen wie der Rosberg-Pilot...

Die Qualifyings

Konstanter als seine Lackierung erwiesen sich Margaritis' Leistungen, Foto: Sutton
Konstanter als seine Lackierung erwiesen sich Margaritis' Leistungen, Foto: Sutton

Durchschnittlich 3,36 Meter eines 2005er-A4, 3,84 Meter einer 2005er-C-Klasse, insgesamt also ein 7,20 Meter langer Jahreswagen mit sechs Rädern schlich sich 2006 in die letzte Session eines DTM-Qualifyings ein. Einfacher gesagt: Im Schnitt schafften eines eineinhalb Jahreswagen in die Top 8 der Startaufstellung - was über zehn Qualifyings gesehen mit sieben A4 DTM und acht Mercedes C-Klassen gleichzusetzen war. Zwar sorgte mit Platz vier auf dem Norisring mit Jean Alesi ein Mercedes-Pilot für das Samstagshighlight der Jahreswagen - in der Summe nahmen sich jedoch beide Lager nicht viel.

Während es Phoenix und Rosberg meist souverän mit jeweils beiden Piloten in die zweite Session schafften, bevor vier der sieben Einzüge in die letzte Session auf das Phoenix-Konto gingen, passierten die samstäglichen Ausrutscher ausgerechnet bei Mercedes: Peinliche sechs Male blieb der im Rennen manches Mal so überzeugende Stefan Mücke in der ersten Session hängen; Jean Alesi ereilte das gleiche Schicksal am Ende mit zunehmender Regelmäßigkeit. An der insgesamt überzeugenden Qualifying-Performance der 2005er-Boliden ändert dies nichts: Lediglich in Brands Hatch blieben die Neuwagen in der letzten Session unter sich - ansonsten blieb kaum ein Missgeschick des 2006er-Lagers unausgenutzt...

Die Rennen

Hatte man sich von den Jahreswagen nach Christian Abts Norisring-Coup von 2005 nicht insbesondere in diesem Jahr mehr erhofft als Highlights in Form von zwei vierten Plätzen? Gerade angesichts eines über weite Teile eingefrorenen Reglements, das die Unterschiede zwischen den Fahrzeuggenerationen zu verschmelzen versprach - und trotz des auf zehn Kilogramm geschrumpften Gewichtsvorteils verglichen mit dem Basisgewicht der Neuwagen? Subjektiv mögen diese Fragen angebracht sein; objektiv gibt es jedoch klare Antworten:

Rennstrategisch agierte Phoenix nicht immer glücklich, Foto: AUDI
Rennstrategisch agierte Phoenix nicht immer glücklich, Foto: AUDI

25 von 80 - und damit fast ein Drittel - der zu besetzenden Punkteränge gingen 2006 an die Jahreswagen. Im Jahr zuvor hatte es mit 13 Jahreswagen auf 88 Punkterängen nur zu einer Quote von knapp 15 Prozent gereicht. Ein Unterschied, der sich mit dem Wegfall der vier Opel-Neuwagen erklären lässt? Zu einem nicht unbeträchtlichen Teil - jedoch nicht ausschließlich: So blitzte insbesondere das Persson-Team mit einer Einsatzqualität auf, die sich vor der der Neuwagen-Mannschaften oft durchaus nicht zu verstecken brauchte. War Persson noch 2005 im Rennen - anders als im Qualifying - vergleichsweise blass geblieben, so gab sich die Truppe um Ingmar Persson mit 26 von insgesamt 57 Jahreswagenpunten keine Blöße.

Ein Niveau, auf das man sich beim Team Mücke noch nicht immer zu begeben wusste: Zwar verhinderte beim Saisoneinstand in Hockenheim nur eine Kollision einen dritten oder vierten Rang Stefan Mückes, im Folgenden jedoch schien die Mannschaft um Peter Mücke auf dem Niveau des Lehrjahrs 2005 zu stagnieren. Erst Mückes vierter Rang auf dem Norisring beendete die 14 Rennen währende punktelose Serie des Teams - und gab den Berlinern in der zweiten Saisonhälfte spürbar Aufwind. Im Vergleich der beiden neuen Audi-Teams entwickelte sich ein ähnliches Kräfteverhältnis wie im Mercedes-Lager, nachdem die Eingewöhnungszeit überwunden war:

Während im Falle Rosbergs im Rennen zunehmend sowohl Abstimmung als auch Rennstrategie stimmten, was insbesondere Timo Scheider zuweilen trotz technischer Crash-Nachwehen oder vereinzelter missglückter Boxenstopps in die Punkte trug, tat man sich bei beim Phoenix insbesondere taktisch noch schwer. Ein Phänomen, das bereits von der zweiten Saisonhälfte 2005, die man noch gemeinsam mit Opel bestritt, bekannt war - und Phoenix als punkteärmstes Jahrewagenteam der Saison anders als Persson noch nicht aus gänzlich aus der Asche steigen ließ...