Im Falle erfolgreicher Rallye-Fahrer sind sie durchaus nicht unbekannt: Die Beifahrer. Als wichtigster Freund und Helfer führen sie die Protagonisten des Rallye-Sports im wahrsten des Sinne des Wortes durch den Dschungel, sorgen dafür, dass die Lenkradakrobatik des Piloten nicht gegen den nächsten Baum, sondern zum Ende der nächsten Prüfung einer mehrtägigen Rallye führt. Ein DTM-Pilot befindet sich hingegen zwar unzweifelhaft alleine im Cockpit - spürt beim Fahren aber die Präsenz seines unsichtbaren Beifahrers gerade dann, wenn das Fahrzeug nach gelungener Abstimmungsarbeit ohne Eigenleben wie gewünscht auf die Fahrbefehle des Piloten reagiert...

"Im Verlauf der Saison haben wir versucht, alles etwas umzustrukturieren. Er bekam daher einen neuen Renningenieur, mit dem er besser zurechtkam. Seitdem brachte er auch konstant seine Leistungen", berichtet uns gegenüber Abt-Cheftechniker Albert Deuring. Doch von wem ist in seinem Zitat die Rede? Deuring spricht von einem ehemaligen Mitglied seines Teams, das am vergangenen Wochenende so gut mit seinem Renningenieur zurechtgekommen war, dass die Zusammenarbeit die Früchte einer außerordentlich gelungenen Qualifying-Abstimmung in Form einer Pole Position trug.

Dass Heinz-Harald Frentzen vermutlich zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch Mitglied der Audi-Familie wäre, hätte er am Samstag nicht die Pole Position errungen, steht auf einem anderen Blatt. So wäre seine Erregung über ein misslungenes Finalrennen höchstwahrscheinlich weitaus PR-kompatibler ausgefallen, hätte er zuvor mit seinem Renningenieur der ersten Saisonläufe ein Setup erarbeitet, das nur für Startplatz fünf gut gewesen wäre... Andere Beispiele beweisen, dass eine gute Zusammenarbeit mit dem Renningenieur tatsächlich immer wieder mit emotionalen Ausbrüchen einhergeht - die allerdings positiver Natur sind und nicht selten auf dem Podest stattfinden:

"2005 hatte ich das Problem, dass mein Renningenieur, mit dem ich 2004 zusammengearbeitet hatte, in diesem Jahr nicht mehr dabei war", blickt Martin Tomczyk im Gespräch mit der adrivo Sportpresse zurück. Hatte Tomczyk noch 2004 nach wechselhaften Jahren im Abt-Audi TT-R mit regelmäßigen Podestankünften und Siegpotenzial geglänzt, so folgte im Jahr darauf die Ernüchterung: "So bekam ich einen neuen Renningenieur, mit dem ich jedoch überhaupt nicht zusammenarbeiten konnte - deshalb war auch das letzte Jahr hinsichtlich der Resultate sehr bescheiden."

Stippler kooperierte gut mit seinem Ingenieur - ein Garant für gute Resultate war dies nicht, Foto: DTM
Stippler kooperierte gut mit seinem Ingenieur - ein Garant für gute Resultate war dies nicht, Foto: DTM

Das Geheimnis der zuletzt von Saison zu Saison sprunghaften Leistungsfort- und schritte des Bayern mag nicht nur in der wechselnden Identität des "unsichtbaren Beifahrers" begründet sein - dass sie jedoch einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Performance Tomczyks ausübte, erscheint nicht ganz unlogisch: "Dieses Jahr habe ich dagegen wieder den Ingenieur, den ich 2004 schon hatte, so dass nun wieder alles so funktioniert, wie es funktionieren soll." Das Ergebnis ist bekannt: Die Formkurve des am Ende zweitbesten Audi-Piloten, der zuletzt auch Tom Kristensen Paroli bieten konnte, stieg in der abgelaufenen Saison stetig an - so dass auch der erste Sieg des 24-Jährigen kein Produkt des Zufalls war.

Tomczyk führt die Wichtigkeit des Verhältnisses zwischen Fahrer und Ingenieur weiter aus: "Solange man seinem Ingenieur in die Augen schaut, mit ihm redet und er sofort richtig zu interpretieren weiß, welche Wünsche man hat und wie diese umgesetzt werden können, funktioniert es", kontrastiert der Barcalona-Sieger offenbar indirekt seine Renningenieure der Saisons 2006 und 2005, "wenn man hingegen einen Ingenieur hat, der beispielsweise auf die Datenaufzeichnungen mehr Wert legt als auf die Aussagen des Fahrers, wird es schwierig, die Bedürfnisse des Fahrers zu erfüllen." Wo es doch im Motorsport aus nüchterner Ingenieurssicht schwer zu begreifende Kuriositäten gibt - wie das gern zitierte Beispiel der baugleichen Fahrzeuge, die aus Sicht des Fahrzeugs völlig unterschiedliche Charaktere aufweisen...

Ein neuer, nach Möglichkeit besserer Renningenieur als Allheilmittel für einen Piloten, der eine enttäuschende Saison zu Ende gebracht hat? Frank Stippler könnte dem kaum zustimmen. "Ich hatte in diesem Jahr einen sehr guten Renningenieur, der 2006 sein erstes Jahr als Ingenieur gearbeitet hat. Er ist sehr intelligent und ambitioniert; wir haben uns gut zusammengerauft", resümiert der studierte Ingenieur Stippler die Zusammenarbeit, "bei seiner guten Arbeit muss ich mein Ingenieurswissen gar nicht erst viel einbringen." Im Kampf gegen die eine oder andere auf eigener Seite liegen gelassene Zehntelsekunde sowie vor allem das bei Stippler 2006 reichlich vorhandene Rennpech hätte in der Tat auch doppeltes Ingenieurswissen nicht viel ausrichten können...