Dass Mercedes die DTM-Geschichte wie kein anderer Hersteller prägte, bezweifelt heute niemand: Sämtliche Erfolgsstatistiken der DTM führen die Stuttgarter seit Jahren überlegen an - längst nicht nur auf Grund der Tatsache, dass man die meisten DTM-Einsätze vorzuweisen hat. Seit dem werksseitigen Einstieg 1988 hat Mercedes in alter und neuer DTM ein Bild hinterlassen, wie es noch vor 20 Jahren niemand auch nur annähernd erahnt hätte:

Vom Glanz der alten Silberpfeilära, die Mercedes ab den 30er-Jahren gemeinsam mit der Auto Union prägte, war zur Mitte der 80er-Jahre nicht mehr viel übrig geblieben: Seit 1955 hatten sich die Stuttgarter in motorsportlicher Abstinenz geübt, lediglich unter privater AMG-Regie waren vereinzelt Fahrzeuge mit Stern auf den Rennstrecken gesichtet worden. Infolge eines tragischen Unfalls im Rahmen der 24 Stunden von Le Mans, bei dem durch umherfliegende Trümmerteile des mit einem Rivalen kollidierten Mercedes 300 SLR des Franzosen Pierre Levegh mehr als 80 Zuschauer ihr Leben ließen, hatte Mercedes die ohnehin schon vorhandenen Rückzugspläne verwirklicht: Das Team um Rennleiter Alfred Neubauer zog sich aus dem Motorsport zurück.

(5) 1985 - 1993: Die 190er-Ära

Der konsequente Verzicht auf motorsportliche Aktivitäten - abgesehen von Rallye-Einsätzen - spiegelte sich bei Mercedes in den folgenden Jahrzehnten auch im Modellprogramm: Als repräsentativ, komfortabel, sicher und solide waren die Fahrzeuge bekannt - nach betont sportlichen und fahraktiven Modellen suchte man hingegen vergeblich. Auch die 1982 vorgestellte Baureihe 190, mit der sich Mercedes erstmals ins absatzträchtige Mittelklassesegment wagte, stellte ein komfortables und gutbürgerliches Transportmittel dar - die anvisierten jüngeren Käufer fühlten sich jedoch weiterhin zum fahraktiven 3er-BMW hingezogen.

Die Mercedes-Motorsporteinsätze fanden in den 50ern ein jähes Ende, Foto: Sutton
Die Mercedes-Motorsporteinsätze fanden in den 50ern ein jähes Ende, Foto: Sutton

Und doch war es ausgerechnet der so genannte "Baby-Benz", der sich als erster Mercedes seit mehr als 30 Jahren wieder mit offiziellem Segen auf Rundstrecken bewies - nachdem man in Stuttgart in Anbetracht erfolgreicher privater Einsätze des 190ers auf den Geschmack gekommen war: Mit eher mäßigem Erfolg versuchte sich Leopold Gallina 1985 an DTM-Einsätzen im 190E 2.3-16, bevor im Jahr darauf eine kleine Gruppe an Mercedes-Privatiers für Achtungserfolge sorgte: Ausgerüstet mit Motoren des heutigen Mercedes-Werkstuners AMG fuhr die Scuderia Kassel um Teamchef Dr. Helmut Marko mit Volker Weidler am Steuer den ersten Sieg ein, mit einem weiteren Sieg auf der Berliner Avus ebnete sich Weidler den Weg zum Vizetitel hinter Rover-Pilot Kurt Thiim. Ein dritter Saisonsieg durch Peter Oberndorfer scheiterte an einer Disqualifikation.

Zwar fiel die Erfolgsbilanz im von dem Titelkampf zwischen der bereits werksseitig vertretenen Konkurrenz von BMW und Ford geprägten Jahr 1987 ungleich magerer aus - mit einem dritten Platz fuhr Jörg van Ommen beim Saisoneinstand das beste Ergebnis des Jahres ein -, doch die Comeback-Pläne der Stuttgarter nahmen Formen an. Die 1988 einsetzende werksseitige Unterstützung von fünf unterschiedlichen DTM-Teams machten sich rasch bezahlt, Dany Snobeck und Johnny Cecotto eroberten jeweils drei Siege. Den Erzrivalen BMW schlug man in der Gesamtwertung angesichts eines ähnlichen Fahrzeugskonzepts schon in der Debütsaison mit eigenen Waffen - hinter Ford-Pilot Klaus Ludwig nahm Roland Asch im Mercedes 190E den zweiten Meisterschaftsrang ein.

Gegen BMW war 1989 kein Kraut gewachsen, Foto: Sutton
Gegen BMW war 1989 kein Kraut gewachsen, Foto: Sutton

So versprach auch der Wechsel des amtierenden DTM-Meisters Ludwig zu AMG-Mercedes für 1989 den ersten Titelerfolg - der allerdings auf sich warten ließ. Zwar überzeugte Klaus Ludwig mit fünf Saisonsiegen, angesichts häufiger Ausfälle hatte sich die Zahl der Einsen in seinem Gesamtwertungsrang jedoch am Ende verglichen mit 1988 verdoppelt... Mit Gesamtplatz vier avancierte Kurt Thiim zum erfolgreichsten Mercedes-Piloten. Angesichts der zunehmenden Querelen um das Handicap-Reglement, das insbesondere mit Blick auf die Chancengleichheit zwischen den von Saugmotoren befeuerten BMW und Mercedes sowie den 200 PS stärkeren Turbo-Ford gefragt war, sahen sich die Stuttgarter zwischenzeitlich zu einem Test mit einem V8-Coupé der S-Klasse genötigt, versprach man sich doch von den fünf Litern Hubraum des zweitürigen Kolosses einen Vorteil...

Der Erfolg des Tests hielt sich in Grenzen, auch 1990 kam der 190er-Mercedes zum Einsatz. Mit dem neuen, bereits in den letzten Rennen des alten Jahrzehnts erprobten 190E 2.5 16 Evo gelang in Form dreier Siege in Folge ein viel versprechender Saisonstart, in den folgenden 19 Rennen nahm man allerdings im Titelkampf zwischen BMW sowie den neuen Audi V8 quattro nur eine Nebenrolle ein - die dritte Gesamtposition Kurt Thiims hinter den Audi- und BMW-Speerspitzen Hans-Joachim Stuck und Johnny Cecotto stellte das Maximum dar.

1992 gelang der lang ersehnte Durchbruch, Foto: Sutton
1992 gelang der lang ersehnte Durchbruch, Foto: Sutton

Auch 1991 platzten die Titelträume: Schien sich während der ersten drei Rennwochenenden noch ein Titelkampf zwischen Klaus Ludwig sowie dem BMW-Duo Steve Soper und Johnny Cecotto abzuzeichnen, fand Audi ab dem vierten Saisonlauf zunehmend zu alter Stärke zurück - am Ende überflügelte Frank Biela im Audi V8 quattro Klaus Ludwig um acht Meisterschaftspunkte. Das Jahr 1992 mit dem im Zuge der neuesten Evolutionsstufen bereits auf 373 PS hochgezüchteten 190er-Mercedes sollte die nunmehr seit vier Jahren währende Geduld der Stuttgarter endlich belohnen:

Stellte Audi schon zu Beginn der Saison keine Konkurrenz mehr dar, bevor sich die Ingolstädter noch während der Saison nach Reglementsstreitigkeiten entnervt zurückzogen, so entschied Mercedes auch das folgende Duell gegen BMW souverän für sich: Insgesamt 16 von 24 zu vergebenden Rennsiegen gingen auf das Konto des Mercedes 190E 2.6-16 Evo2, die Rennmannschaft um Sportchef Norbert Haug zählte sieben verschiedene Sieger - mit Ellen Lohr unter anderem die erste und bislang einzige Siegerin eines DTM-Laufs. Am Ende setzte sich Klaus Ludwig souverän gegen seine teaminternen Widersacher Kurt Thiim und Bernd Schneider durch, die auf den zweiten und dritten Meisterschaftsrängen folgten.

Dass jener deutliche Triumph der Stuttgarter 1993 kaum zu wiederholen wäre, stand für die DTM-Beobachter bereits vor der Saison fest: Nach dem BMW-Rückzug duellierte sich Mercedes gegen Alfa Romeo - deren 155 V6 TI allerdings bei der Entwicklung auf das neue einheitliche Klasse-1-Reglement, das die Ära der viel diskutierten Handicapregeln beendet, zugeschnitten wurde. Mit einem eher notdürftig an das neue Regelwerk angepassten 190er musste sich Mercedes durch die 1993 kämpfen - und wartete sehnsüchtig auf die Fertigstellung der neuen C-Klasse...