Fast exakt zwei Jahre ist es her, dass Kelvin van der Linde ganz oben auf dem Podium stand – am 2. Oktober 2021. Eine unglaubliche lange Zeitspanne, wenn daran gedacht wird, dass es sich bei Kelvin van der Linde bekanntermaßen um einen der etabliertesten GT3-Piloten im 28-köpfigen DTM-Fahrerfeld handelt.

Dennoch musste er so lange auf seinen fünften Erfolg in der DTM warten. Gründe gab es viele, 2023 spielt vor allem viel Pech in den Rennen des 27-jährigen Südafrikaners mit. Dass es dann aber ausgerechnet auf dem als Angststrecke betitelten Red Bull Ring klappt, hätten wohl die wenigsten erwartet. Doch wie konnte dieser Triumph gelingen.

Kelvin van der Linde: Ein "unglaubliches" Rennen

"Es war ein unglaubliches Rennen", zeigte sich Kelvin van der Linde kurz nach der Zieleinfahrt in der anschließenden Pressekonferenz überglücklich. Es war ein Arbeitssieg, bei dem ihm mal das zugutekam, was dem jungen Abt-Piloten bisher so häufig fehlte: Glück.

Oft ist Glück aber auch das Ergebnis der eigenen Entscheidungen. Denn Kelvin van der Linde musste schließlich erstmal in die Situation kommen, das Rennen an der Spitze zu Ende zu fahren. Besonders bei solchen Wetterkapriolen, wie sie die DTM heute auf dem Red Bull Ring erlebt hat. "Wir haben viele Rennen gehabt, wo wir mehr verdient hätten, es aber nicht umsetzen konnten." Heute war nicht so ein Tag.

Wurde Audi in Spielberg beschenkt?

Das Rezept für den Erfolg hatte den Red Bull Ring vermutlich dennoch nicht ganz oben auf der Zutatenliste stehen. Der Freitag war ein Nackenschlag für alle Audi-Piloten, das Auto war nicht konkurrenzfähig.

Dabei sollte wohl das einen Grundstein für den letztlichen Erfolg von Abt Sportsline und Kelvin van der Linde legen. Es gab Eingeständnisse gegenüber den Audi-Teams. 10 Kilogramm durften abgeladen werden – ein BoP-Segen auf einem Kurs, auf dem der Topspeed so entscheidend ist wie kaum woanders.

Und plötzlich steht Audi ganz oben auf dem Treppchen. Ein Zufall? Nicht, wenn man den Aussagen Mirko Bortolottis Glauben schenkt. "Für mich ist es keine Überraschung, dass Audi hier gewinnt. Mehr kann ich dazu nicht sagen", lässt Bortolotti leichten Unmut vermuten. Wurde es Audi zu leicht gemacht?

Bei Audi will man von solchen Vorwürfen nichts wissen. "Man darf sich bei diesen Bedingungen nicht täuschen lassen. Man hat auf den Geraden gesehen, welche Marken da sehr stark waren", verteidigt Abt-Sportdirektor Martin Tomczyk. Die Rede ist vor allem von BMW – Abt-Fahrer Ricardo Feller konnte zu Rennende nur mit viel Mühe und dank der schwierigen Bedingungen mehrere Angriffe von Rene Rast abwehren.

Strategie wird zum Abt-Trumpf

Was war es dann, das Abt Sportsline an diesem Samstag zu einem solchen Erfolg verholfen hat? Ein Blick auf den Rennverlauf verrät, Abt ist des eigenen Glückes Schmied. Profitiert hat das Team dabei aber auch vom Wetter. Das Team wählte bei den Reifendrücken einen aggressiven Weg. Sowohl auf dem ersten Stint mit den Regenreifen, als auch auf dem zweiten mit Slicks.

"Das hat sich aber als richtig herausgestellt, weil uns erst zum Schluss die Luft ausgegangen ist", verrät Geschäftsführer bei Audi Sport, Rolf Michl. Im zweiten Stint war es letztlich aber auch das Safety Car, dass Kelvin van der Linde in die Karten spielte. "Weil sich dann irgendwie der Luftdruck eingependelt hat", erklärt er weiter.

Besonders entscheidend war aber die Boxenstopp-Phase. Abt Sportsline holte beide Piloten vergleichsweise früh an die Box. "Wir haben die Slicks beobachtet und wollten dann schon zu Beginn des Pitstopp-Fensters an die Box", so Michl. Dort haben sie letztlich den richtigen Zeitpunkt erkannt. Auch Kelvin van der Linde habe sich in dieser Phase bewusst für Risiko entschieden: "Wir haben in der Meisterschaft nichts zu verlieren und das sind die Rennen, wo du das zu deinem Vorteil nutzen musst." Und genau das haben Abt Sportline und Kelvin van der Linde an diesem Samstag getan.