Es war ein vertrautes und doch ungewöhnliches Bild beim regnerischen Sonntagslauf der DTM auf dem Nürburgring: Während des Rennens schaute plötzlich Mirko Bortolotti bei seinen früheren Teamkollegen des Grasser Racing Team in der Box vorbei! Der Sieger des Samstagsrennens hatte ohnehin nicht allzu viel zu tun, nachdem er wegen eines technischen Problems im morgendlichen Qualifying zum Zuschauen verdammt war.

Bortolottis Besuch bei der Mannschaft von Teamchef Gottfried Grasser war dennoch eine besondere und im Rennsport eher selten anzutreffende Geste, schließlich startet der Italiener inzwischen für das Lamborghini-Konkurrenzteam von SSR Performance. Nachdem Bortolotti den Rennstart aus der eigenen Garage - neben den Mechanikern im Campingstuhl sitzend - verfolgt hatte, spazierte er später rüber zur Truppe von Teamchef Gottfried Grasser.

Bortolotti hilft Ex-Team GRT bei Strategie

Mirko Bortolotti, Glücksbringer und Strategie-Helfer! Beim sensationellen und völlig überraschenden Sieg von GRT-Neuzugang Maximilian Paul tauschte sich der Lamborghini-Werksfahrer lebhaft mit Teamboss Grasser über die richtige Taktik aus. Das sollte sich angesichts der schwierigen Witterungsbedingungen, bei denen es genau auf das korrekte Setup und den passenden Luftdruck der Pirelli-Regenreifen ankam, bezahlt machen.

"Toll fand ich, dass uns während des Rennens Mirko aufgesucht und zu mir gesagt hat: 'Chef, du musst mit hohem Luftdruck fahren'", sagte Gottfried Grasser später zu Motorsport-Magazin.com. "Wir haben nur über Reifendruck, Setup und die Strategie diskutiert. Ich weiß nicht einmal, welche Probleme er hatte. Für Mirko tut er mir wirklich leid, dass er nicht an den Start gehen konnte."

GRT-Lamborghini feiert den DTM-Sieg auf dem Nürburgring
GRT-Lamborghini feiert Sensations-Sieg am Nürburgring, Foto: Axel Weichert

Bortolotti und Grasser: Bedingungslose Freundschaft

Grasser und Bortolotti kennen sich seit vielen Jahren und feierten gemeinsam Erfolge rund um den Globus. 2022 führte der Lambo-Star die GRT-Mannschaft beim DTM-Debüt zum vierten Platz in der Fahrer-Wertung. Mit Grasser gewann Bortolotti schon 2017 die Gesamt-Meisterschaft in der Blancpain-GT-Serie, heute als GT World Challenge bekannt.

Dazu zwei Klassensiege 2018 und 2019 bei den berühmten 24 Stunden von Daytona und ein Triumph in der GTD-Kategorie bei den 12 Stunden von Sebring. Seit 2015 war Bortolotti für die Grasser-Mannschaft im ADAC GT Masters, bei den 24h Spa-Francorchamps oder in der US-amerikanischen IMSA-Serie im weltweiten Einsatz.

"Wir kennen uns so viele Jahre und diese bedingungslose Freundschaft ist in diesem Sport keine Selbstverständlichkeit", wusste Gottfried Grasser die große Geste auf dem Nürburgring zu schätzen. Dabei hätte der Österreicher, der gerne selbst an den Setups der Lamborghini Huracan GT3 mittüftelt, Bortolottis Tipps nicht unbedingt nötig gehabt. Wie man am Nürburgring Erfolg hat, stellte GRT in den vorangegangenen Wochen mit einem Sieg im ADAC GT Masters sowie einem Klassensieg in der GT World Challenge bereits eindrucksvoll unter Beweis.

Gottfried Grassers Weitsicht zahlt sich aus

"Ich habe mir am Sonntag vom Balkon aus die Wetterveränderung angeschaut, während andere auf dem Grid waren - das hat sich ausgezahlt", erklärte Grasser. "Wir haben auf Regen gesetzt und Setup sowie Reifendruck angepasst. Die Bedingungen waren wirklich grenzwertig, umso mehr muss man die fahrerisch sehr starke Leistung von Max loben. Er ist auf einem sehr hohen Level fehlerfrei gefahren, einfach unglaublich."

GRT hatte bei Paul nur wenige Minuten vor dem Rennstart von Slicks auf Regenreifen gewechselt. Es blieb hektisch, als der Dresdner während der zweiten Formationsrunde zunächst die Nachricht erhielt, für einen neuerlichen Tausch auf Slicks in die Boxengasse abzubiegen: "Kurz bevor ich in die Box abgebogen bin, sagte Gottfried, dass ich draußen bleiben soll. Ich habe ihnen vertraut und bin froh, dass sie so entschieden haben."

Anders als bei Teamkollege Clemens Schmid, der auf der nassen Piste mit Trockenreifen ins Rennen ging, bei zunehmendem Regen chancenlos war und vorzeitig ausfiel. Ein Fehlgriff ebenso wie bei den BMW-Stars Rene Rast, Sheldon van der Linde und Marco Wittmann.

GRT-Chef Gottfried Grasser auf dem DTM-Podium am Nürburgring
Gottfried Grasser feiert den Nürburgring-Sieg auf dem Podium, Foto: Axel Weichert

Grasser: "Paul der richtige Ersatz für Wishofer"

Unterdessen lieferte Paul, der 2021 bereits einen DTM-Gaststart beim früheren Team T3 Motorsport auf dem Red Bull Ring absolviert hat, eine blitzsaubere Leistung vom 13. Startplatz ab. Eine Full-Course-Yellow-Phase spielte dem 23-Jährigen während des gut getimten Pflicht-Boxenstopps auf dem Weg zum Sieg zwar in die Karten, doch der Sieg gelang letztendlich aus eigener Kraft. Unklar ist noch, ob Paul als Nachfolger des finanziell strauchelnden Mick Wishofer auch beim nächsten DTM-Wochenende auf dem Lausitzring für GRT-Lamborghini an den Start gehen wird.

Teamboss Grasser, der an einem Deal arbeiten will: "Ich kenne Max schon länger und habe ihn mir bei unserem Auftritt im ADAC GT Masters Mitte Juli noch einmal genau angeschaut. Er hat auf mich einen guten Eindruck hinterlassen und ich war überzeugt, dass er der richtige Ersatz für Mick sein könnte. Ich habe ihn dann angerufen und ihm gesagt, er könne bei uns fahren. Als er Interesse signalisierte, fehlte nur noch das grüne Licht von Lamborghini und das haben wir sofort bekommen."

DTM Nürburgring, Sonntag: Highlights und Zusammenfassung (04:28 Min.)

DTM-Tabelle 2023 nach 8/16 Rennen (Top-10)

Pos.FahrerTeamPunkte
1Thomas PreiningManthey-Porsche117
2Sheldon van der LindeSchubert-BMW89
3Mirko BortolottiSSR-Lamborghini88
4Ricardo FellerAbt-Audi88
5Maro EngelLandgraf-Mercedes78
6Lucas AuerWinward-Mercedes70
7Franck PereraSSR-Lamborghini66
8Dennis OlsenManthey-Porsche63
9Rene RastSchubert-BMW54
10Laurin HeinrichBernhard-Porsche51