Am Sonntagabend in der Lausitz war Ausharren angesagt. Erst 4 Stunden und 20 Minuten nach dem Ende des zweiten DTM-Rennens gab die Rennleitung das endgültige Ergebnis bekannt. Als die Nachricht um 20:35 Uhr eintrudelte, herrschte Konfusion. Verwarnung für Mattias Ekström wegen einer nicht vollständig gefahrenen Auslaufrunde, hieß es da. Eine Strafe, die es so in der DTM zuvor noch nie gegeben hatte.

Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Entscheidung, die nun möglicherweise sogar eine Anpassung des Reglements nach sich ziehen könnte? Im Rennen war Ekström dank einer riskanten, aber brillanten Strategie - dem Pflichtboxenstopp schon in der ersten Runde - vom achten bis auf den zweiten Platz gefahren. Soweit, so gut. Doch unmittelbar nach dem Zieleinlauf wurde es spannend.

Ekström spricht von Technikproblem

Ekström funkte an seinen Kommandostand, dass etwas an seinem Auto kaputtgegangen sei und er es nicht aus eigener Kraft in den Parc fermé schaffe. Sein Audi musste per Abschleppwagen dorthin transportiert werden, nachdem Ekström den Motor abgeschaltet hatte. "In den letzten zwei Runden habe ich etwas gehört", sagte er anschließend. "Und in der letzten Kurve ist irgendwas mit dem Antriebsstrang passiert. Ich dachte, bevor etwas passiert, mache ich lieber aus."

Eine Untersuchung seitens der Rennleitung gegen Ekström beziehungsweise Audi wurde zu keinem Zeitpunkt eingeleitet. Das Auto wurde allerdings überprüft, um zu klären, wieso der Schwede die laut Reglement vorgesehene Auslaufrunde nicht absolvieren konnte.

Ekströms Audi musste ins Parc fermé geschleppt werden, Foto: DTM
Ekströms Audi musste ins Parc fermé geschleppt werden, Foto: DTM

Zweifel wegen Spritmenge

Im Fahrerlager wurde während der langen Warterei auf das Ergebnis gemunkelt, dass Ekström nicht ausreichend Sprit an Bord gehabt haben könnte und deshalb auf die Auslaufrunde verzichtete. Laut Reglement muss jedes Auto nach Rennende mindestens 500 Gramm Benzin für die obligatorische Spritprobe mit sich führen, ansonsten droht ein nachträglicher Ausschluss aus der Wertung. "Die Technischen Kommissare untersuchen die Rest-Benzinmenge", teilte der DMSB am Abend mit.

Die Auswertung ergab schließlich, dass Ekströms Audi die erforderliche Menge an Bord hatte, also nicht gegen die Regeln verstieß. Sein Auto wurde als komplett legal eingestuft. Unter Experten herrschten allerdings Zweifel, ob Ekströms Auto auch noch die 500 Gramm Mindestmenge im Benzinsystem gehabt hätte, wenn er die Auslaufrunde wirklich gefahren wäre.

DTM Lausitzring: Highlights von Rennen 2: (01:49 Min.)

Willkommen in der Grauzone

Und genau hier liegt die Crux, die sich auf die Zukunft der DTM auswirken könnte. Im Reglement ist nirgendwo definiert, was passiert, wenn ein Auto die vorgeschriebene Auslaufrunde nicht absolviert. In Artikel 44.3 des Sportlichen Reglements steht lediglich: "In Wertung befindliche Fahrzeuge, die den Parc fermé nicht mehr aus eigener Kraft erreichen können, werden unter Kontrolle von Offiziellen in den Parc fermé gebracht."

Also eine Grauzone in den Regeln, die den Herstellern theoretisch die Freiheit gibt, mit weniger Benzin im Tank zu fahren und dadurch Gewicht einzusparen. Denn: Hat ein Fahrer oder ein Team das Gefühl, dass es knapp werden könnte mit den vorgeschriebenen 500 Gramm Rest-Sprit, könnte er sein Auto jedes Mal bedenkenlos nach dem Überqueren der Ziellinie abstellen und auf die Möglichkeit eines technischen Problems pochen.

Doppelsieg für Audi in der Lausitz: Green gewinnt vor Ekström, Foto: DTM
Doppelsieg für Audi in der Lausitz: Green gewinnt vor Ekström, Foto: DTM

Präzedenzfall in der Lausitz

Nicht umsonst dauerten die Besprechungen am Lausitzring mehr als vier Stunden, um ein finales Ergebnis zu finden. Schon häufiger waren Fahrer wenig zu wenig Sprit nach Rennende nachträglich disqualifiziert worden - einen Fall wie bei Ekström gab es allerdings noch nicht. Es ist möglich, dass das Reglement in dieser Hinsicht vor dem nächsten Rennwochenende in Ungarn angepasst wird, damit Klarheit herrscht.

In der Lausitz erteilte die Rennleitung Ekström eine Verwarnung - bei drei folgt eine Grid-Strafe. Die Strafe erhielt der zweifache DTM-Meister lediglich für den Umstand, dass er die Auslaufrunde nicht gefahren war. Schließlich gab es an seinem Auto nichts zu beanstanden und die erforderlichen mindestens 500 Gramm waren ebenfalls vorhanden.

Ob an Ekströms Audi tatsächlich, wie er vermutete, ein technisches Problem herrschte, war zunächst nicht zu klären. Das ist durchaus möglich. Und doch dürften die Diskussionen über die Rest-Spritmenge noch eine Weile andauern. Schließlich gilt es, möglichst viele Grauzonen im Reglement zu bereinigen.

Alle Überholmanöver des zweiten Rennens: (02:34 Min.)

Clever oder unmöglich?

Ob Ekström tatsächlich das Gefühl hatte, dass es mit dem Sprit knapp werden könnte und er deshalb sein Auto lieber mit der Vermutung eines technischen Problems abstellte? Schwer zu beurteilen. Eine entsprechende Anzeige im Auto gibt es nämlich nicht, und auch der Kommandostand konnte ihm wegen des neuen Funkverbots keine Hinweise geben. Telemetrie gibt es in der DTM ohnehin nicht. Auch funkte Ekström während des Rennens nur selten an die Box, übermittelte dabei keine Informationen bezüglich des Benzins.

Andererseits ist Ekström ein cleverer Fahrer, der über die Erfahrung von 180 DTM-Rennen verfügt. Zumindest ist nicht auszuschließen, dass er einen Graubereich im Reglement zu seinen Gunsten nutzte. Das ist soweit legal, sorgte aber für einen Präzedenzfall. Einen, der bei den Regelhütern in den nächsten Tagen und Wochen garantiert keine Langeweile aufkommen lassen wird...