Kris Nissen, was war die schönste Erkenntnis der Zentral-Europa-Rallye?
Kris Nissen: Ganz klar drei Dinge: Dass das Team hervorragend gearbeitet hat, der Volkswagen Race Touareg diese extreme Belastungsprobe mit Bravour überstanden hat und dass wir bewiesen haben, dass wir bestens vorbereitet in die Rallye Dakar 2008 gestartet wären. Dort hätten wir ein ernstes Wort um den Sieg mitreden können – leider wurde sie abgesagt. Wir sind absolut konkurrenzfähig, die Performance stimmt – und dieses Ergebnis bei dieser so genannten Ersatz-Dakar auch.

Was bedeutet der Sieg für Volkswagen Motorsport?
Kris Nissen: Jeder bei Volkswagen Motorsport ist stets hoch motiviert. Doch ein Team, das mit Carlos Sainz auf Rang eins, mit Dieter Depping auf Rang drei und mit Carlos Sousa auf dem fünften Rang drei Spitzenpositionen geholt hat, hat Selbstvertrauen für kommende Aufgaben getankt. Wir können jetzt gestärkt in die Zukunft starten.

Wie ordnen Sie den Sieg bei der Zentral-Europa-Rallye ein?
Kris Nissen: Nach dem zweiten Platz für Giniel de Villiers bei der Rallye Dakar 2006 ist der Sieg von Carlos Sainz hier bei dieser Rallye der größte Erfolg für uns. Dabei darf man nicht vergessen, dass wir von Anfang an konsequent auf ein Fahrzeug mit innovativem TDI-Diesel-Motor gesetzt haben. Jetzt ist die TDI-Technologie auch in diesem Sport das Maß der Dinge. Wir haben den Sieg bei der Zentral-Europa-Rallye gegen sehr starke Konkurrenz auf der Strecke geholt, durch technische Kompetenz, fahrerische Klasse und eine Menge Teamgeist. Besser geht es nicht.

Die Zahlen sprechen für sich: sieben von sieben möglichen Etappen-Siegen, Gesamtsieg, zwei Podiumsplätze. Was war das Rezept zu diesem Erfolg?
Kris Nissen: Um im Marathon-Rallyesport erfolgreich zu sein, ist von technischer Seite viel mehr nötig, als beispielsweise pure Motorleistung. Es geht hier – wie in den meisten Motorsport-Disziplinen – um Fahrbarkeit, Gewichtsverteilung, Abstimmung. Darüber hinaus hat man es aber auch mit extrem unterschiedlichen Bedingungen, verschiedenen Geländesituationen zu tun. Allein was die Zuverlässigkeit und die Laufleistung einzelner Komponenten angeht, braucht es jahrelange Erfahrung, die unsere härteste Konkurrenz seit mehr als 20 Jahren hat.

Carlos Sainz sezte sich durch, Foto: VW Motorsport
Carlos Sainz sezte sich durch, Foto: VW Motorsport

Im Team gab es kleine strukturelle Änderungen. Auf der technischen Seite ist Andreas Lautner dazugekommen, als Teammanager Andreas Hainke. Wie haben sich die "Neuen" eingefunden?
Kris Nissen: Ganz richtig. Andreas Lautner ist bei Volkswagen Motorsport seit diesem Jahr als Technischer Direktor für alle Chassis, im Marathon-Rallye-Sport und im Rundstrecken-Programm, so auch für den neuen Scirocco für das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, verantwortlich. Er kann sich auf die Erfahrung von unserem Technischen Leiter im 'Dakar'-Projekt, Eduard Weidl, verlassen, der bei dieser Rallye wegen einer Verletzung nicht dabei sein konnte. Beide, Andreas Lautner und Andreas Hainke, haben sich bestens eingefügt und wie alle im Team ihren Anteil am Sieg.

Was macht den Erfolg bei der Zentral-Europa-Rallye besonders wertvoll?
Kris Nissen: Der Veranstalter A.S.O. hat mit der 'Dakar' in den vergangenen Jahren für ein großes Medien-Interesse gesorgt, beispielsweise mit einer Fernsehberichterstattung in 189 Ländern. Auch von ihrer neuen Rallye, der Zentral-Europa-Rallye, wurde in 160 Ländern berichtet. Ich bin für die Zukunft zuversichtlich, dass die A.S.O. und auch der Automobil-Weltverband FIA weitere attraktive Veranstaltungen integrieren können, um diesen Sport weiter zu fördern. Diese Rallye war der Start in eine neue Ära im Marathon-Rallyesport.

Sie haben die Leistungsdichte angesprochen. Mussten die Fahrer während dieser Rallye ein höheres Risiko wählen als bei anderen Marathon-Rallyes?
Kris Nissen: Die Mischung aus Weltklasse-Starterfeld und kurzen Prüfungen hat für die spannendste Marathon-Rallye gesorgt, die wir seit unserem Einstieg 2004 erlebt haben. Sicher mussten die Fahrer dabei permanent ans Limit gehen, um am Ende vorn zu sein. Wir haben mit den Unfällen von Mark Miller und Giniel de Villiers während der Rallye zwei Fahrzeuge verloren, doch das ist sicher kein Ergebnis von zu hohem Risiko. Dass sich Giniel de Villiers und sein Beifahrer Dirk von Zitzewitz überschlagen haben, war ein Fehler im Roadbook, auf das man sich aber dank der guten Vorbereitung der A.S.O. ansonsten verlassen konnte. Dass die Fahrer unverletzt geblieben sind, ist der guten Sicherheit in unseren Autos zu verdanken.

Wie bewerten Sie den dritten Rang von Dieter Depping und Timo Gottschalk bei ihrer Wettbewerbs-Premiere im Race Touareg?
Kris Nissen: Dass Dieter Depping und Timo Gottschalk schnell sind, hat mich nicht überrascht. Genau deshalb haben wir sie als Fahrer/Beifahrer-Kombination ausgewählt. Die Frage war nur: Können sie dem Druck innerhalb dieses Weltklasse-Starterfeldes standhalten? Schließlich sind hier unsere Mitbewerber der 'Dakar' angetreten. Wie die beiden sich in diesem Umfeld bewährt haben, war wirklich stark. Dieter Depping hat im Zweikampf mit Luc Alphand, in dem es um Sekunden ging, souverän reagiert, hat im richtigen Maße gepusht und trotzdem Ruhe bewahrt. Sein Beifahrer Timo Gottschalk hat immer den richtigen Weg gefunden. Ein wirklich gelungener Einstand für die beiden.