Auch beim letzten Kräftemessen vor den 24h Le Mans (10./11. Juni 2023) zeigte Toyota in Spa-Francorchamps vor 72.000 Zuschauern seine Überlegenheit. Das 6-Stunden-Rennen auf dem 7,004 km langen belgischen Grand-Prix-Kurs brachte kaum neue Erkenntnisse, obwohl von außen betrachtet, der technische und damit auch zeitliche Rückstand von Cadillac, Ferrari und Porsche nicht mehr so groß ist, wie noch beim Saisonstart in Sebring Mitte März.

Mike Conway, Kamui Kobayashi und José María López gewannen das Rennen im #7 GR010 von der PolePosition und sicherten Toyota nach den Siegen des Teams in Sebring und Portimao den Hypercar-Hattrick beim "Heimspiel", denn die Teambasis liegt nur knapp 120 km von Spa entfernt in Köln-Marsdorf.

Toyota gewann das dritte Saisonrennen der Langestreckenweltmeisterschaft, Foto: LAT Images
Toyota gewann das dritte Saisonrennen der Langestreckenweltmeisterschaft, Foto: LAT Images

Die Überlegenheit der Japaner wurde auch durch den zweiten Doppelsieg nach Sebring unterstrichen, den das Schwesterauto (#8) mit Sébastien Buemi, Brendon Hartley und Ryo Hirakawa sicherstellte. Das Trio war wegen eines Unfalls von Hartley im Qualifying vom letzten Startplatz ins Rennen gegangen und zeigte von dort eine beeindruckende Aufholjagd - die auch durch insgesamt vier Safety-Car-Phasen begünstigt wurde. Dadurch verteidigte das Trio die Tabellenführung in der Fahrerwertung der WM mit fünf Punkten Vorsprung auf ihre siegreichen Teamkollegen.

"Das war ein fantastischer Job des gesamten Teams, um das bestmögliche Ergebnis aus diesem Rennen herauszuholen. Es war absolut unglaublich, den GR010 hier in Spa zu fahren, vor allem vor so einem Publikum. Ich habe hier noch nie so viele Zuschauer gesehen" betonte Kobayashi, Teamchef und Fahrer bei Toyota in Personalunion.

Auch dank der Zuverlässigkeit (es gab an beiden Prototypen keinerlei technische Probleme) und einem fehlerfreien Job aller sechs Fahrer konnte Toyota den Fans erneut eine gute Show bieten und wie Kobayashi anmerkte, optimistisch vorausblicken: "Jetzt wollen wir in Le Mans so weitermachen."

Keine Absprachen bei Toyota-Doppelsieg

Bei der Teamführung legte man Wert auf die Tatsache, dass es keine Absprachen gab, welcher der beiden GR010 am Ende die Nase vorn haben sollte. Das führte zu einem spannenden Finish, in dem 45 Minuten vor Schluss eine Vorentscheidung fiel, als Kobayashi dank schnellster Rennrunde (2:02.327 Minuten) seinen kurz zuvor aus der Boxengasse kommenden Teamkollegen Hartley (beide hatten ihre letzten Tankstopps nun absolviert) in Raidillon überholen konnte.

Eau Rouge und Raidillon gehören seit jeher zu den spektakulärsten Kurven im Motosport, Foto: LAT Images
Eau Rouge und Raidillon gehören seit jeher zu den spektakulärsten Kurven im Motosport, Foto: LAT Images

Der Schnellere der beiden früheren Formel-1-Piloten ließ in den folgenden 20 Runden keine Zweifel aufkommen, wer das Rennen gewinnen würde. Beim Fallen der Zielflagge nach 148 Umläufen hatte Kobayashi 16,637 Sekunden Vorsprung auf Hartley herausgefahren, obwohl er eine Fünf-Sekunden-Strafe wegen Nutzung einer Auslaufzone in Kauf nehmen musste.

Teamkollege Buemi zeigte sich mit einem positiven Fazit zufrieden mit dem Ausgang des Rennens. "Für uns war es eine großartige Aufholjagd. Von Platz 37 zu starten und nach einem Kampf um den Sieg den zweiten Platz zu erzielen, ist eine echte Leistung." Es sei ein ereignisreiches Rennen gewesen, "vor allem zu Beginn mit dem Regen, aber ich habe versucht, mich aus allen Schwierigkeiten herauszuhalten und mich einfach weiter nach vorne zu arbeiten."

Porsche verpasst nächstes WEC-Podest knapp

Dieses Vorhaben konnte auch die Konkurrenz nicht verhindern, obwohl Ferrari und Porsche den Toyotas näherkamen als in den ersten beiden Rennen. Dabei entbrannte in der letzten Stunde ein spannender Zweikampf zwischen Frederic Makowiecki (#5 Porsche Penske 963) und James Calado (#51 Ferrari 499P) um den letzten Podiumsplatz.

Porsche ging im Kampf um die Podestplätze leer aus, Foto: Porsche AG
Porsche ging im Kampf um die Podestplätze leer aus, Foto: Porsche AG

Bitter für Porsche: 30 Sekunden vor Schluss lag die #5 nach Beendigung der 147. Runde noch mit 0,726 Sekunden vorne, Werksfahrer Makowiecki musste allerdings noch einen weiteren Umlauf absolvieren und hatte dabei wegen Reifenproblemen keine Chance gegen den Ferrari von Calado, der zum Schluss in Sekundenschritten Zeit gutmachte. Deshalb mussten sich Makowiecki und seine Teamkollegen Dane Cameron und Michael Christensen mit weniger als drei Sekunden Rückstand mit dem vierten Platz zufriedengeben.

Was Porsche Penske Motorsport in Spa letztendlich hauchdünn verwehrt blieb, hatte das deutsch-amerikanische Team zuletzt vor 14 Tagen sogar an zwei verschiedenen Standorten (Long Beach und Portimao in IMSA und WEC) geschafft: Drei Podiumsplätze (Ein Sieg zwei dritte Plätze) innerhalb von nur 24 Stunden.

Porsche-Motorsportchef: Große Enttäuschung

"Wir haben den Podestplatz erst in der allerletzten Runde verloren und sind auf Platz vier ins Ziel gefahren - die Enttäuschung ist daher groß", offenbarte Thomas Laudenbach, Leiter Porsche Motorsport seine Gefühlswelt nach dem dritten Saisonrennen. Das Team hätte einen guten Job gemacht, wobei er vor allem "die erstklassige Strategie" lobte, weil man sich beim Start für die richtigen Reifen (Slicks) entschieden hätte.

Realistisch fügte Laudenbach mit Blick in die Zukunft an: "Dennoch müssen wir festhalten: Aufgrund des aktuellen Kräfteverhältnisses liegt bisher für uns nicht viel mehr in Reichweite. Das heutige Ergebnis müssen wir abschütteln und hart an weiteren Verbesserungen arbeiten."

Die sind absolut nötig, will man den Erfolgsweg des japanischen Wettbewerbers schon beim 100-jährigen Jubiläum in Le Mans stoppen. An der Sarthe ist Toyota seit dem WEC-Ausstieg von Rekordsieger Porsche ungeschlagen und hat seit dem letzten Porsche-Erfolg am 16.09.2017 in Austin (USA) von den folgenden 34 Rennen 29 Rennen gewonnen. Die restlichen Siege gehen auf das Konto der Teams Rebellion (3) und Alpine (2).

Porsche: Deutliche Worte vor 24h Le Mans

Für den Porsche 963 (#5) begann das Rennen mit einem Handicap: Die elektrische Steuerung der Kupplung erschwerte Startfahrer Michael Christensen die Arbeit im Cockpit. Beim ersten Boxenstopp konnte das Problem durch das Rebooten des Systems behoben werden. Der Däne setzte zur Aufholjagd an und profitierte dabei auch von Safety-Car-Phasen aufgrund von Unfällen.

Beim Fahrerwechsel zu Cameron lag das Auto zeitweise wieder auf der dritten Position. Als dritter Fahrer setzte Makowiecki das Rennen gut 100 Minuten vor dem Ende auf Platz sechs fort. Als das Safety-Car von Porsche wenige Minuten später zum vierten Mal zum Einsatz kam, spielte dies dem Werks-Trio in die Karten: Es rückte wieder auf Rang drei vor. Makowiecki verteidigte den Podimsplatz bis zur letzten Runde, dann musste der Franzose aufgrund nachlassender Performance der Hinterreifen den Ferrari (#51) passieren lassen.

Porsches Saisonstart verlief bisher enttäuschend, Foto: LAT Images
Porsches Saisonstart verlief bisher enttäuschend, Foto: LAT Images

Auch beim Schwesterauto von Kévin Estre, André Lotterer und Startfahrer Laurens Vanthoor gab es Probleme. Dabei hatte der belgische Lokalmatador die mutige Reifenwahl des Teams auf abtrocknender Strecke und trotz kühler Asphalttemperaturen perfekt umgesetzt: Auf profillosen Slicks war er innerhalb weniger Minuten von der sechsten Startposition bis auf Rang zwei vorgefahren. Kurz vor seinem zweiten Boxenstopp rollte die #6 eingangs der Start-Ziel-Geraden jedoch mit einem Elektrikproblem in Runde 54 aus.

"Als ich durch die letzte Schikane fuhr, fiel plötzlich die komplette Elektrik aus. Ich habe gewisse Prozeduren durchgespielt, um die Systeme wieder zu starten - leider hat das nicht funktioniert", erklärte Pechvogel Vanthoor sichtlich frustriert. Auch für Jonathan Diuguid, war es "ein harter Tag".

Der Leitende Direktor Porsche Penske Motorsport bilanzierte den Werkseinsatz nüchtern: "Unsere Startnummer 6 ist aufgrund eines technischen Defekts ausgefallen - da müssen wir die Ursachen genau erforschen. Bei der Nummer 5 haben wir gute Arbeit geleistet und eine optimale Strategie gewählt. Allerdings waren wir schlichtweg nicht schnell genug. Wir müssen schauen, wo wir zulegen und weitere Fortschritte machen können. Auf operativer Seite lief es top."

WEC: Ferrari jagt Toyota

Das galt auch für Ferrari, die mit beiden 499P (#50 und #51) um die Pole Position kämpften und dabei lediglich vom siegreichen Toyota (#7) knapp bezwungen wurden. Nach Platz drei in Sebring und Rang zwei in Portimao, jeweils durch die #50 (Antonio Fuoco / Miguel Molina / Nicklas Nielsen) war es diesmal das Trio (#51) mit Calado sowie Alessandro Pier Guidi und Antonio Giovanazzi, die für den dritten Podiumsplatz im dritten WEC-Rennen sorgten - fast 75 Sekunden hinter den beiden Toyotas - immerhin aber knapp vor Porsche, obwohl sie beim Reifenpoker die falsche Entscheidung getroffen haben.

Ferrari's 499P wurde vom Toyota bezwungen, Foto: Ferrari
Ferrari's 499P wurde vom Toyota bezwungen, Foto: Ferrari

Auf Rang fünf (eine Runde zurück) sorgte Cadillac Racing dafür, dass sich vier verschiedene Hersteller auf den Top-5-Positionen in der Gesamtwertung klassierten. Dafür zeichneten Sebastien Bourdais, Renger van der Zande und Jack Aitken im bestplatzierten #2 V-Series.R Hybrid verantwortlich. Das Trio hatte zuvor schon in Sebring und Portimao mit jeweils Platz vier um die Podestplätze gekämpft.

Mit einer überraschend starken Vorstellung überzeugte das Hertz Team JOTA bei seiner Premiere in der Königsklasse. Beim Start mit dem ersten privat eingesetzten Porsche 963 belegte das britische Team Rang sechs, nachdem man zuvor in der LMP2-Kategorie einen Klassensieg in Sebring feiern durfte.

Porsche-Werksfahrer António Félix da Costa konnte bereits in der ersten Runde drei Konkurrenten überholen und Rang vier übernehmen. Pech mit Safety-Car-Phasen kosteten die Porsche-Kundenmannschaft, die praktisch ins kalte Wasser springen musste, später wieder einige Positionen. Dank konstanter Performance sprang für den Portugiesen und seine Mitstreiter Yifei Ye und William Stevens dennoch ein bemerkenswertes Resultat heraus.

Peugeot auf der Suche nach der Pace

Für alles andere als Aufmerksamkeit sorgte dagegen Peugeot mit seinen beiden 9X8, die beim letzten Rennen in Portugal durchaus zuverlässig waren und mit den Rängen fünf und sieben das bisher beste WEC-Ergebnis erzielten und dabei einen Aufwärtstrend signalisierten. Vor dem Rennen in Spa äußerten die Verantwortlichen den Wunsch, "die Zuverlässigkeit des Peugeot 9X8 mit den Startnummer 93 und 94 auf dem gleichen Niveau wie in Portimao zu halten".

Davon konnte in Spa aber keine Rede sein, im Gegenteil: Die Franzosen erlebten einen Rückschlag, der sich schon mit einer falschen Reifenwahl zu Beginn des Rennens andeutete. SC-Pech und ein Technikdefekt (Sensor) verhinderten ein besseres Resultat als die Ränge 13 und 17 mit jeweils zwei Runden Rückstand.

Lilou Wadoux: Erster Damen-Sieg in der WEC

In dieser heiß umkämpften LMP2-Kategorie gab es im dritten Rennen auch die dritten Sieger: Nach dem Doppelerfolg von United Autosports in Sebring und Portimao setzte sich in Spa erstmals das erfolgsverwöhnte belgische WRT-Team mit Rui Andrade, dem früheren Formel-1-Piloten Robert Kubica sowie ELMS-Champion Louis Deletraz im Oreca 07 - Gibson bei seinem Heimspiel durch. Das WRT-Trio konnte einen erneuten Erfolg von United Autosports mit Oliver Jarvis, Josh Pierson und Giedo van der Garde knapp verhindern.

Das traf auch in der GTE-Am-Kategorie zu, in der sich erstmals in dieser Saison und völlig überraschend Luis Perez Companc, Alessio Rovera und Lilou Wadoux im Richard-Mille-Ferrari 488 GTE EVO von AF Corse gegen die zuvor in Sebring und Portimao erfolgreichen Nick Catsburg, Ben Keating und Nicolas Varrone in einer Chevrolet Corvette C8.R behaupteten. Mit der gerade erst 22 Jahre alt gewordenen Französin Wadoux gelang erstmals überhaupt einer Frau ein WEC-Triumph!

Lilou Wadoux gewann die GTE-AM-Kategorie zusammen mit Luis Perez Companc und Alessio Rovera, Foto: LAT Images
Lilou Wadoux gewann die GTE-AM-Kategorie zusammen mit Luis Perez Companc und Alessio Rovera, Foto: LAT Images

Dieses Kunststück hatte man eigentlich eher Sarah Bovy, Rahel Frey und Michelle Gatting mit ihrem Porsche 911 RSR zugetraut. Die "Iron Dames" mussten sich nach anfänglicher Führung aber hinter Ahmad Al Harthy/Michael Dinan/Charlie Eastwood (Aston Martin Vantage AMR) sowie ihren Proton-Competition-Markenkollegen Ryan Hardwick, Zacharie Robichon und Harry Tincknell mit Rang fünf begnügen. Im äußerst engen Wettstreit an der Spitze belegten am Ende vier verschiedene Marken auch die besten vier Klassenplätze.

Mehrere Zwischenfälle, wechselhaftes Wetter, enge Kämpfe im gesamten 37-köpfigen Starterfeld sowie insgesamt 13 Hypercars und LMDh (WEC-Rekord 2023) unterhielten die Zuschauer, die mit spannenden Auseinandersetzungen in allen drei Kategorien bis zum Fallen der Zieflagge für ihr Kommen belohnt wurden.

Heizdecken-Verbot erntet harte Kritik

Überschattet wurde das WEC-Event von etlichen schweren Unfällen, verursacht wegen kalter Slickreifen, weil Heizdecken und damit das Vorwärmen der profilosen Pneus, angeblich aus Gründen der Nachhaltigkeit, verboten ist. Dieser von vielen Kritikern als 'Schwachsinn' bezeichnete Schritt war auch schon in der VLN/NLS ein großes Thema, das Veto von Experten verhinderte aber eine entsprechende Fehlentscheidung.

Betroffen waren in Spa neben mehreren Amateuren auch Profis wie Brendon Hartley (Toyota), der im Qualifying crashte sowie Renger van der Zande, der mit seinem Cadillac im Rennen spektakulär abflog und von einer Streckenbegrenzung in Eau Rouge gestoppt wurde.

Mehrere Piloten äußerten sehr kritisch ihre Bedenken, die schon seit den Testfahrten vor Saisonbeginn die Runde machten. In Spa war das "Kälte"-Fass nun endgültig übergelaufen. "Mit kalten Reifen eine Outlap zu fahren, ist wahnsinnig gefährlich", schimpfte etwa Pole-Setter Kamui Kobayashi, der wie viele andere auch kein Verständnis für die Entscheidung der FIA und WEC hat. "Hier sind doch Profis unterwegs und wenn die ihr Auto nicht auf der Strecke halten können, stimmt etwas nicht. Es kann doch nicht sein, dass wir mit kalten Reifen wie Fahranfänger aussehen und um den Kurs rollen!"

Ausgerechnet der Automobil-Weltverband FIA, der ansonsten das Thema Sicherheit ganz weit oben auf der Agenda hat, war an der Entscheidung maßgeblich beteiligt. Auch in der Formel 1 war ein Verbot von Heizdecken schon ein viel diskutiertes Thema, das aber schließlich am Veto einiger Fachleute scheiterte.

Als solcher äußerte sich auch Toyota-Gazoo-Teamchef Rob Leupen bei der Liveübertragung von NITRO zu dem heiklen Thema und signalisierte, dass es diesbezüglich demnächst Gespräche mit der FIA geben würde.

Dass neben Werksteams auch Kunden- und Privatrennställe betroffen waren, macht die Angelegenheit noch dramatischer, denn ein Totalschaden wie beim Porsche-Team Project 1 AO im Qualifying belastet das Budget völlig unnötig.

"Das Auto ist irreparabel beschädigt, deshalb können wir leider nicht am Rennen teilnehmen", sagte Teamchef Hans-Bernd Kamps zu Motorsport-Magazin.com. "Wir sind sehr enttäuscht, zumal wir siegfähig waren! Gott sei Dank hat sich der Verdacht einer möglichen Rückenverletzung bei unserem Fahrer PJ Hyett bei Untersuchungen im Krankenhaus nicht bestätigt. Der US-Amerikaner kam wie alle anderen 'Unfallopfer' mit dem Schrecken davon...