Die Tragödie vom Nürburgring schockiert auch am Sonntag noch die VLN-Gemeinde. Ein Zuschauer verstarb, nachdem der Nissan GT-R Nismo GT3 des Nissan GT Academy Team RJN in den Zuschauerbereich krachte. Mehrere Fans mussten ins Krankenhaus. Schon wenige Stunden nach dem Unglück kochten die Diskussionen über die Sicherheit der legendären Nordschleife sowie die Gefahr durch GT3-Boliden hoch.

Reifenstapel als Risikofaktor?

Erst der Reifenstapel katapultierte den Nissan über den Zaun, Foto: Youtube
Erst der Reifenstapel katapultierte den Nissan über den Zaun, Foto: Youtube

Während viele Medien darüber berichteten, dass der Nissan der GT Academy aufgrund von Unterluft abhob und über die Streckenbegrenzung flog, ist das eigentliche Problem in diesem Fall ein völlig anderes: die Reifenstapel. Erst als der senkrechtstehende Bolide darauf aufprallte, wurde er unkontrolliert über den FIA-Zaun katapultiert.

Marc Hennerici, der bei Teichmann Racing einen Porsche 911 GT3 Cup pilotiert, bringt die Problematik des Unfalls auf den Punkt. "Man hat in den letzten Jahrzehnten im Motorsport erkannt, dass Reifenpakete oftmals negative Auswirkungen haben, da die Energie wieder unkontrolliert abgegeben wird, wie auch im gestrigen Fall", schrieb der Porsche-Pilot auf Facebook. "Hier wurde das Auto erst nach dem Einschlag in die Reifenpakete nach oben über den Zaun katapultiert und hätte genauso auch ohne den vorherigen Backflip geschehen können."

Beispielsweise bei den Test- und Einstellfahrten im Vorjahr: Auch ohne Abheben und Backflip wurde der Mercedes SLS von Rowe Racing durch die Reifenstapel hochgeschleudert und in den FIA-Zaun katapultiert. Auslöser für diesen Unfall war ein harmloser Dreher, wie er an vielen anderen Streckenabschnitten passieren kann.

Darüber hinaus bietet auch die Position der Leitschienen eine große Gefahr. "Der stumpfe Winkel der Leitplanke im hinteren Bereich des Flugplatzes ist gefährlich", weiß Hennerici. "Auch hier hat man in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass eine Leitplanke, die nahe an der Strecke entlang führt, zwar weniger Spielraum lässt, dafür jedoch die Autos im Fall eines Einschlags besser führen." An anderen Stellen der Strecke, beispielsweise am Schwedenkreuz, wurde die Führung der Leitplanken vor einigen Jahren angepasst, um stumpfe Einschlagswinkel zu verhindern.

Abheben vermeiden!

Nichtsdestotrotz ist auch die eigentliche Entstehung des Unfalls - das Abheben des Fahrzeugs an der Sprungkuppe - ein unberechenbares Sicherheitsrisiko. "Das ein GT3 einen Backflip am Flugplatz macht ist absolut inakzeptabel und muss verhindert werden", mahnt Hennerici. Gerade dieser Punkt sorgt bei den Fans und Fotografen für ein beliebtes Fotomotiv. Nicht selten machten spektakuläre Bilder von abhebenden Boliden, etwa beim Top-30-Qualifying des 24-Stunden-Rennens, die Runde.

Auch die Cup-Porsche heben am Flugplatz ab, Foto: Patrick Funk
Auch die Cup-Porsche heben am Flugplatz ab, Foto: Patrick Funk

Schon jetzt drängen sich die Fragen auf, wie die Sicherheit in Zukunft verbessert werden kann, um derartige Unglücke zu verhindern. Wieder einmal ist die Kritik an den schnellen GT3-Boliden groß. Doch ein Unfall, wie er beim VLN-Auftakt passierte, ist nicht zwingend den SP9-Fahrzeugen verschuldet. Auch die Fahrzeuge anderer Klassen, beispielsweise die Cup-Porsche, verlieren oftmals den Kontakt zur Strecke.

Die neu eingeführte Nordschleifen-Lizenz und das Register für Gelbverstöße, die die Sicherheit auf der Nordschleife weiter erhöhen sollten, konnten das tragische Unglück nicht vermeiden. Dem Fahrer des Boliden, dem Briten Jann Mardenborough, ist an diesem Vorfall keine Schuld zu geben. Nissan zeigte sich bereits am Samstag tief betroffen und übermittelte in einem Statement Anteilnahme. "Die heutigen Ereignisse sind tragisch", schrieb die Motorsport-Abteilung. "Das Team arbeitet eng mit den Veranstaltern des Rennens zusammen, um eine schnelle und lückenlose Aufklärung des Unfalls zu gewährleisten."