Was wäre Motorsport ohne Spannung? Immerhin ist es doch gerade der Kampf um Hundertstel und Zentimeter, der einen großen Teil der Faszination ausmacht. Natürlich gibt es auch für die Technik-Fetischisten einiges zu bestaunen, aber ohne Spannung wäre Motorsport bei weitem nicht so erfolgreich. Deswegen blicken viele schon vor der Saison darauf, was denn das kommende Jahr aufregender machen könnte als eine Lesung des neuesten Telefonbuchs.

Und 2010 bietet durchaus einige Spannungsfaktoren, die nicht nur die Rennen, sondern auch alles darum herum mit Aufregung füllen dürften. Das fängt bereits beim potentiellen Titelkampf an, der wohl auch 2010 wieder unter vier Fahrern entschieden werden dürfte. Sollte es keine außergewöhnlichen Umstände geben, könnte die Luft für Titelverteidiger Valentino Rossi diesmal äußerst dünn werden.

Spannungsfaktor: Titelanwärter

Hat Rossi seine Gegner auch 2010 hinter sich?, Foto: Milagro
Hat Rossi seine Gegner auch 2010 hinter sich?, Foto: Milagro

Dafür sprechen mehrere Gründe. Erstens ist Jorge Lorenzo wieder ein Jahr reifer geworden, langsamer dürfte er sowieso nicht geworden sein. Der Spanier war bereits 2009 einige Male beängstigend schnell und dazu noch geistig stabil. Wenn etwas bei ihm schief lief, ließ er sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen, anders als bei einigen Rossi-Kontrahenten der Vergangenheit. Er schlug mehrfach zurück, seine Ausfälle waren letztendlich aber doch zu viel des Guten, um Rossi am Ende zu halten.

Es war allerdings klar, dass Rossi die Gefahr selbst bereits erkannt hat, sonst hätte er sich nicht so kritisch gegenüber Yamaha geäußert und darüber gemosert, dass er es nicht verdient habe, den stärksten Gegner weiter im eigenen Team zu haben. Dabei muss Lorenzo nicht einmal der stärkste Gegner sein, denn Casey Stoner hat beim traditionellen Ducati-Jahresauftakt Wrooom in Madonna di Campiglio schon einmal anklingen lassen, dass er sich fit fühlt wie lange nicht. Und auch mit dem auf Big Bang umgearbeiteten Motor fühlte er sich beim Testen sehr wohl.

"Wir haben beim Top-Speed natürlich etwas verloren, aber in Valencia hatten wir am Ende der Geraden dennoch den gleichen Speed, da wir aus der letzten Kurve dank der zusätzlichen Traktion so viel mehr Geschwindigkeit hatten. Ich weiß nicht, ob wir oben heraus verlieren werden, vielleicht auf den wirklich langen Geraden, aber ich denke, wir werden auf dem Rest der Runde gewinnen, da die Maschine viel fahrbarer ist, sie wird viel leichter zu handhaben sein."

Dani Pedrosa gibt Honda die letzte Chance., Foto: Milagro
Dani Pedrosa gibt Honda die letzte Chance., Foto: Milagro

Das große Fragezeichen bleiben Dani Pedrosa und Honda. Dass der Spanier ein guter Fahrer ist, wird von niemandem bezweifelt, mittlerweile hat er sogar gezeigt, dass er überholen kann, obwohl seine besten Rennen nach wie vor jene sind, wo er vorne wegfahren kann. Ohne die passende Maschine kann allerdings auch der beste Fahrer kaum etwas ausrichten und voriges Jahr hat Honda selbst zugegeben, dass die RC212V nicht unbedingt ein Siegmotorrad war. Anscheinend wird 2010 für beide Seiten das Jahr der letzten Chance.

Wenn Pedrosa der Honda Racing Corporation (HRC) auch in der fünften Saison der Zusammenarbeit keinen Titel bringen kann, wird man den Spanier wohl ziehen lassen. Gleichzeitig ließ Pedrosa voriges Jahr nach seiner Vertragsverlängerung in Misano wissen, dass er Honda eine letzte Chance gebe. Also entweder gibt es den Titel oder die Trennung, dürfte man vermuten.

Spannungsfaktor: Fahrermarkt

In punkto Fahrermarkt dürfte 2010 aber ohnehin einiges bieten, immerhin laufen mit Saisonende die Verträge von Rossi, Lorenzo, Stoner und Pedrosa aus, was in den Sommermonaten zu den wahnwitzigsten Gerüchten führen sollte. Ducati hat bereits anklingen lassen, dass man Casey Stoner halten will, auch den Arbeiter Nicky Hayden würde man im Moment gerne weiter verpflichten, Ducati-Präsident Gabriele del Torchio könnte sich aber auch eine Verpflichtung Rossis gut vorstellen. "Wir wollen eine Weltmeisterschaft mit einem italienischen Fahrer gewinnen, um unsere Rolle als Botschafter von Made in Italy noch zu verstärken", sagte er und schwärmte von den Kommunikations-Fähigkeiten seines Landsmanns.

Gibt Stoner weiter für Ducati Gas?, Foto: Milagro
Gibt Stoner weiter für Ducati Gas?, Foto: Milagro

Rossi hat seinerseits betont, dass er trotz aller Kritik in der Frage Lorenzo gerne seine Zweirad-Karriere bei Yamaha beenden würde. Lorenzo könnte derweil genug davon haben, sich ein Team mit der lebenden Legende teilen zu müssen und abwandern. Wer dann seinen Platz einnehmen könnte, lässt noch mehr Raum für Spekulationen. Wenn Ben Spies als Rookie so einschlägt wie in der Superbike-WM, dann wohl der Texaner, aber schon voriges Jahr gab es Gerüchte darum, dass Dani Pedrosa zu Yamaha kommen könnte - gleiches galt aber auch für Ducati. Bei Honda könnte sich aber in jedem Fall einiges ändern.

Immerhin ist dort nun Livio Suppo an Bord und der ist dafür bekannt, dass er Nägel mit Köpfen macht. Bei Ducati zeigte man sich jedenfalls bereits besorgt, dass er versuchen könnte, Stoner abzuwerben. Noch lustiger könnte die Charade dann werden, wenn wie bereits erwähnt Spies oder jemand anderer überrascht. Marco Melandri sollte bei Gresini Honda endlich wieder auf einer Maschine sitzen, auf der er sich wohl fühlt und die bei der Entwicklung nicht ständig zurückfällt, Mika Kallio könnte ebenfalls der Durchbruch gelingen und Aleix Espargaro war bislang immer für eine Überraschung gut - und da gibt es noch einige andere.

Spannungsfaktor: Rookies

Ben Spies kommt mit vielen Vorschusslorbeeren in die MotoGP., Foto: Milagro
Ben Spies kommt mit vielen Vorschusslorbeeren in die MotoGP., Foto: Milagro

Besonders die Rookies könnten das Feld in der kommenden Saison durcheinander wirbeln. Spies hat bereits früh Eindruck gemacht, nicht nur durch seinen Superbike-Titel als Rookie in der seriennahen Klasse, sondern auch mit seinem Auftritt als MotoGP-Wildcard in Valencia. Beim Test danach legte er noch weiter zu und näherte sich den Spitzenzeiten immer weiter an. Sein Talent ist unbestritten, sein Speed ebenso, dann darf er mit Tom Houseworth seinen Crewchief behalten.

Der muss sich zwar ebenfalls erst einarbeiten, aber Kontinuität hat noch nie geschadet. Und auch den Faktor Colin Edwards darf man nicht unterschätzen. Der Texaner strotzt nur so vor Erfahrung und zählt Spies zu seinen besten Kumpels, die Unterstützung, die James Toseland 2008 auch zu einem guten Einstieg verhalf, sollte also in Mengen vorhanden sein - und dass Spies Edwards so verärgert, dass der nicht mehr mit ihm spricht, scheint unwahrscheinlich.

Aber auch die anderen Neulinge darf man nicht unterschätzen. Marco Simoncelli ist schnell, wenn er sitzenbleibt, Alvaro Bautista ebenfalls. Hector Barbera war zwar nie der konstanteste, aber an seinen guten Tagen konnte er in der 250er mit jedem mithalten. Hiroshi Aoyama ist auch nicht umsonst Weltmeister geworden. Alles wird davon abhängen, wie sie sich einfinden, alleine das wird schon spannend zu beobachten. Aber auch der Kampf um den Rookie of the Year ist spannend wie lange nicht, denn so stark war das Feld der Neueinsteiger in der MotoGP schon lange nicht mehr.

Spannung sollte also wirklich nichts mehr im Wege stehen. Wichtig wäre nun natürlich nur, dass die Fahrer auch mitmachen. Garantie gibt es keine, dass einige Rennen nicht wieder Schnarchfeste werden, wie Barcelona 2009 aber gezeigt hat, es geht auch ganz anders.

Auszug aus der MotoGP-Jahresvorschau im Motorsport-Magazin 3/10. In der aktuellen Ausgabe des Motorsport-Magazins lesen Sie eine ausführliche MotoGP-Saisonvorschau aller Fahrer und Teams. Die April-Ausgabe 4/10 des Motorsport-Magazins ist seit 1. April im Handel erhältlich oder am besten gleich online zum Vorzugspreis abonnieren: