Im Motorsport geht es neben Siegen immer auch um Geld. Dabei ist das Haben oder Nicht-Haben von existentieller Bedeutung. Während andere mit großen Hauptsponsoren arbeiten und sich so ihren Jahres-Etat hereinholen, verfolgt Lucio Cecchinello ein anderes Konzept, das ihm 2009 durchaus einiges an Aufmerksamkeit brachte.

In unserem Special "Best of Motorsport-Magazin.com 2009" können Sie das Feature über Lucio Cecchinello aus der Juli-Ausgabe des Motorsport-Magazins nachlesen. Ein Blick auf seinen Werdegang, seine sportlichen und marketingtechnischen Erfolge. Mehr Interviews und Hintergrundgeschichten gibt es jeden Monat neu im Motorsport-Magazin.

Bikes & Bunnies

Lucio Cecchinello: Mechaniker, Rennfahrer, Teamchef, Marketingprofi in Personalunion. Ein Tausendsassa in der MotoGP, der es auch verstanden hat, neue Wege zu erschließen, um sein Team zu finanzieren. Ganz nach dem Motto: Kleinvieh macht auch Mist.

An einem grauen November Tag vor 40 Jahren wird in Venedig ein Spross Namens Lucio Cecchinello geboren. Von frühester Jugend begeistert ihn der Motorsport. Seine Eltern teilten diese Leidenschaft aber nicht und zwangen ihn zu einer Lehre als Elektrotechniker, was ihn aber nicht davon abhalten konnte, bei fünf verschiedenen Rennteams in nationalen und internationalen Serien zu arbeiten. Bevor es für ihn auf zum Straßenrennsport ging, versuchte er sich als Motocrosser. 1989 feierte er bei seinem erst dritten Rennen seinen ersten Sieg in der 125er Klasse. Im Jahr darauf belegte er in der Gesamtwertung Platz zwei hinter einem gewissen Max Biaggi.

1991 debütierte er im Team Italia in der Europameisterschaft, jenem Team, in dem er noch drei Jahre zuvor als Schrauber tätig war. 1992 erreichte er den Vizeeuropameistertitel hinter Juan Borja. 1993 kam der Umstieg in die Weltmeisterschaft, mit einem erfolglosen Team holte er in 12 Rennen keinen einzigen Punkt. 1994 startete er für GIVI Racing und erntete die ersten WM Punkte. Im Team von Paolo Pileri wurde er 1995 klar Europameister. Auf Platz drei landete damals ein Superstar von heute, Valentino Rossi. Ab 1996 ging er erstmals mit einem eigenen Team an den Start. 1998 holte er sich als 29jähriger seinen Grand Prix Sieg in Madrid Jarama. (Anm. Heute wäre das durch das vorgegebene Alterslimit von maximal 27 Jahren bei den 125er gar nicht mehr möglich).

Im Jahr darauf holte er sich einen zweiten Fahrer in sein Team, den Japaner Noboru Ueda. Sein Angestellter war sehr oft vor ihm im Ziel und die beiden verstanden und verstehen sich abseits der Rennstrecke noch immer blendend. Nach zwei gemeinsamen Jahren war vorerst auch seine Phase mit Honda zu Ende. Aprilia war nun der neue Motorradlieferant und das war kein Nachteil für den Venezianer. 2001 siegte er in Barcelona und wurde WM-Vierter. Sein bestes WM-Ergebnis. Im Jahr darauf setzte er immer wieder auf junge Talente und gab ihnen in der 125er Weltmeisterschaft eine Chance. Alex de Angelis oder Mattia Pasini begannen eigentlich ihre richtige Karriere bei LCR (Lucio Cecchinello Racing) - hat nichts zu tun mit (La Causa Radical) einer venezolanischen Partei.

Roberto Locatelli holte zwei Mal den 3. WM Gesamtrang. Längst hatte der schlaue Fuchs seine Heimat in Richtung Monaco verlassen und zog von dort aus die Fäden. So gelang es ihm, einen der größten Brillenhersteller der Welt für einige Jahre als Sponsor in die WM zu locken. Der nächste Schritt war sofort gemacht und ein 250er Team gegründet. Casey Stoner, der aus sehr schwierigen Verhältnissen kam, lag Lucio besonders am Herzen. Irgendwie konnte man meinen, hier sieht sich Lucio im Spiegelbild. Er half wo er nur konnte, als Lohn gab es auf Anhieb den Vize WM-Titel hinter Dani Pedrosa.

Auch Randy de Puniet ist zu dieser Truppe dazu gestoßen. Als sich die Gerüchte mehrten, Sito Pons würde aus der MotoGP aussteigen packte der 165cm große Venezianer die Gelegenheit beim Schopf und schnappte zu. Er besiegelte wieder einen Deal mit HRC und war plötzlich MotoGP Teamchef und Besitzer. Zu solchen Vorhaben gehört natürlich auch immer das nötige Kleingeld. Lucio: "Meine Eltern haben mir nie im Motorsport geholfen, ich habe mir alles selber bezahlt und organisiert." Stoner kam 2006 in die MotoGP WM belegte beim ersten Europarennen Platz sechs, Pole Position in Qatar und Platz 2 in der Türkei und verschrottete danach Ersatzteile ohne Ende. Am Ende reichte es für Rang acht in der WM. Im Jahr darauf vertraute Lucio auf die Dienste vom spanischen Senior Carlos Checa. Außer sehr hohen Ersatzteilrechnungen ist auch in diesem Jahr nicht viel geblieben.

Playboy war ein großer Coup für Lucio Cecchinello, Foto: LCR Honda MotoGP
Playboy war ein großer Coup für Lucio Cecchinello, Foto: LCR Honda MotoGP

Immer wieder von neuen fand Lucio einen Weg das Team und alles drum herum zu finanzieren. Viele im Fahrerlager halten ihn für einen Eigenbrötler, mit dem nicht alle unbedingt ein Bier trinken gehen würden. Cecchinello ist verbissen in seiner Aufgabe, ein 16-18 Stunden Tag ist für ihn normal. Auch früher in seiner Zeit als Fahrer war er oft spät Nachts noch in der Garage zu treffen weil er selbst am Motorrad schraubte. Diese Zeiten sind jetzt natürlich vorbei. Jetzt heißt es, Geld für die Rennerei aufzutreiben.

Da hatte der Wahlmonegasse wieder eine blendende Idee. In Indianapolis verhandelte er sich mit Playboy eine Strategie aus, dass er selbst und unabhängig mit nationalen Herausgebern verhandeln darf. Schon beim offiziellen test in Jerez schwärmten die Playboyhäschen rund um die Cecchinello Box. Ein genialer Schachzug, die Aufmerksamkeit war und ist ihm bestimmt.

Als Fahrer geht seit 2008 der Franzose Randy de Puniet für ihn an den Start. Zwar war im letzten Jahr die Ersatzteilrechnung bei Honda nicht wesentlich geringer als in den Jahren zuvor, doch sorgte der Franzose doch immer wieder für Lichtblicke, wie Casey Stoner. Verschiedene Werbepartner auf der Verkleidung zu haben, ist vielleicht wirklich das Rezept der Zukunft. Siebenstellige Summen sind immer schwerer zu aufzutreiben und auch von den Konzernen zu Verfügung zu stellen. Einige Grand Prix zu unterstützen und vielleicht gerade auf den Hauptmärkten ist eine tolle Sache, sind sich auch die Playboy-Verantwortlichen einig.

Am Donnerstag vor dem Italienischen Grand Prix feierte man eine Riesenparty mit über 3500 Gästen in der größten Disco von Florenz. 15 Playmates waren zu sehen, wie auch Stars aus der Motorradszene und einige junge Damen, die sich der Wahl des Umbrellagirl 2009 stellten. Die Siegerin durfte am Sonntag den Schirm in der Startaufstellung für Randy halten. In Frankreich waren die Geldgeber von De Puniet auf der Verkleidung zu sehen.

Auch Radio Monte Carlo gehört zu den Werbepartnern, einige werden erst während der Saison präsentiert und werden noch geheim gehalten. Cecchinello: "Unsere Saison ist natürlich abgesichert, ich habe überall Sponsoren. Viele wollten nicht glauben. dass es funktioniert. Natürlich sind gute Ergebnisse auch sehr wichtig zum Gelingen." Das Restrisiko besteht jetzt darin, dass ein Fahrer oder Team bei einem Grand Prix überhaupt nicht in die Gänge oder ins Bild kommt. Im kommenden Jahr mit nur einem Motorrad pro Fahrer wird es noch etwas risikoreicher, denn ein früher Ausrutscher beim Qualifying und die Chancen auf einen guten Startplatz sind dahin und damit auch die Möglichkeit auf ein annehmbares Rennergebnis.

Die Kosten- Nutzenrechnung geht aktuell aber voll auf. Vielleicht macht dieses Modell ja Schule. LC darf zufrieden sein, sein Chauffeur wurde heuer viel konstanter, liefert fast keine Verschrottungen mehr, holte bei allen Rennen Punkte und war bereits mehrmals der beste Hondapilot nach dem Training. Cecchinello genießt auch die Anerkennung von HRC, in diesem Jahr kriegt er ebenfalls Topmaterial geliefert und bedankt sich mit guten Leistungen. In den 14 Jahren seit bestehen des Teams gab es in 239 Rennen 71 Podiumsplätze und 21 Siege (Stand Mugello 2009) Die neuen Ideen gehen LC nicht aus. "Ich tüftle schon wieder an etwas Neuem", schmunzelt der sympathische Italiener. Es wird doch nicht ein Moto2 Junior Team sein? Lucio lebt nach dem Motto von Enzo Ferrari: Rennfahrer ... welche Art von komischen Menschen!

Das Feature über Lucio Cecchinello wurde in der Juli-Ausgabe des Motorsport-Magazins veröffentlicht. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie monatlich im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online im Vorzugs-Abo bestellen: