Herve Poncharal ist einer der ehrlichsten Typen im Fahrerlager der MotoGP-Weltmeisterschaft. Nicht umsonst ist der Tech 3-Teamchef auch Vorsitzender der Teamvereinigung IRTA. Dabei nimmt er auch kein Blatt vor den Mund und machte jetzt seinem Unmut über die zusätzlichen Rookie-Testfahrten Luft. "Ehrlich gesagt verstehe ich die Leute manchmal nicht", erklärte der Franzose gegenüber der Website Crash.net. "Einige Leute, die eine ganze Weile nicht mitbekommen hatten, dass es in der MotoGP ein wachsendes finanzielles Problem gibt, reagierten Anfang des Jahres plötzlich panisch. Aber wir konnten die Dinge etwas beruhigen und es gab viele Diskussionen, wie wir in 2009 und 2010 Geld sparen können." Resultat dieser Konversationen war, dass das Freitagmorgen-Training gestrichen und die Testfahrten eingeschränkt wurden. Außerdem kamen die Einheitsreifen und seit Brünn sind die Anzahlen der einzusetzenden Motoren stark limitiert. "Und für 2010 hatten wir drei Tests zu je zwei Tagen anstelle von je Dreien. Daher dachten wir: 'Okay, wir gehen alle zusammen in eine Richtung'. Dann hörten wir auf einmal: 'Warum geben wir den Rookies mehr Tests und machen daraus Dreitages-Tests?'."

Dass die Rookie-Tests zustande kamen sieht Poncharal extrem kritisch - vor allem den Umstand, wie es dazu kommen konnte. "Es gab immensen Druck, viel Lobbyismus einiger Leute, daher kam die Entscheidung, dass bis zum Ende von 2009 ein Rookie ein Testfahrer sein könne", schilderte er. "Aber vom 1. Januar an, kann ein MotoGP-Fahrer nicht mehr als Testfahrer nominiert werden. Wir versuchen immer, die Regeln zu biegen. Ist das gut oder nicht? Ich denke für mich, dass das nicht gut ist, aber andere Leute denken es sei so. Ich bin ein Demokrat, also folge ich der Mehrheit."

Zeichen der Zeit verstehen

Poncharal glaubt, dass viele im Grand Prix-Sport die Zeichen der Zeit noch nicht richtig verstanden, geschweige denn interpretiert haben. Auch er wünsche sich eigentlich, dass es anders laufe, doch müsse man die Augen öffnen. "In einer Idealen Welt hätten wir in jedem Bereich Wettbewerb, unlimitierte Motoren und unlimitierte Testfahrten, aber wir müssen der Realität ins Auge sehen", fasste er zusammen. "Die Realität ist, dass es wenig Geld gibt. Und würden mehr Ausgaben für Testfahrten die Show verbessern? Schaut einmal, was in der Formel 1 passiert ist. Schaut, wie viele Werke aufhören. Sogar der Reifenlieferant hört auf. Wir hatten einen Hersteller, der aufgehört hat und am Ende müssen wir verstehen, dass wir nicht in einer idealen Welt leben. Wir brauchen eine gute Show, eine spannende Meisterschaft für die Leute, die im TV und an der Strecke zusehen. Und wir brauchen Teams, die mit einem Budget operieren können, welches durch Sponsoring hereinkommt. Das ist es, worauf wir hinarbeiten müssen. Nicht hier und da Testtage hinzufügen."

Auch Poncharal hat mit Ben Spies einen Rookie im Team. Der US-Amerikaner fuhr zwar 2008 schon drei WildCard-Einsätze für Suzuki und nahm in der gerade abgelaufenen Saison für Yamaha am Rennen in Valencia teil, doch wird er 2010 seine erste Saison bestreiten und gilt daher als Rookie. Trotzdem wird er keine bevorzugte Behandlung genießen und verzichtet nach Absprache mit Poncharal und Yamaha auf den Zusatztest. "Ich denke, dass Ben klug genug ist um zu verstehen, was er realistisch erreichen kann und er ist überzeugt von seinem und Yamahas Potenzial, um nicht Druck ob eines Extra-Tests zu machen", sagte sein Teamchef. "Er hatte die WildCard in Valencia und den Test nach dem Rennen und er wird genügend Zeit haben, um für das erste Rennen 2010 in Katar bereit zu sein. Ich sage nicht, dass meine Sicht auf diese Dinge die Einzige ist, die man haben musst, aber es ist eben das, was ich denke und es ist eine Ansicht, die Yamaha und Ben teilen. Wir sind alle einverstanden. Das ist gut." Diese Entscheidung resultiere auch daraus, dass man den Test nach dem Saisonfinale in Valencia effektiv und sehr gut habe nutzen können. Erst beim Test für alle MotoGP-Fahrer im Februar in Sepang, wird die Tech 3-Mannschaft wieder dabei sein. Dann wird auch das neue Modell der Yamaha M1 zur Verfügung stehen.

Regeln sollen nicht mehr gebogen werden

Poncharal regt immer wieder auf, dass seiner Meinung nach viele Leute den Sinn für die Realität verloren haben und dass diese Leute nach Kostenreduzierung schreien und im gleichen Atemzug mehr testen wollen. "Ich sagte: 'Wir werden nach Rennen in 2009 nicht testen' und wir waren das einzige Team, welches nach Barcelona und der Tschechischen Republik nicht testete. Colin war trotzdem Fünfter in der Fahrer-Wertung und wir waren Vierter in der Teamwertung. Ich sage nicht, dass wir die Besten sind oder das wir alles wissen, aber manchmal muss man erwachsen und stark genug sein, zu hinterfragen, was wirklich erreicht werden kann. Wäre es ein wirkliches Handicap, nicht zu testen? Müssen wir wirklich Geld ausgeben, wenn wir nichts besonderes zu testen haben? Wir würden nur Benzin verbrennen und Reifen abnutzen."

Auch wie sinnvoll solche Tests sein würden, ist für Poncharal nicht klar. "Am Ende steht noch die Frage, ob ein weiterer Winter-Test die Karriere eine Rookies verändern kann? Ich denke nicht. Aber wenn du Fahrer oder Ingenieur bist, willst du immer mehr Runden. Das haben die im Blut. Aber das Fazit ist, dass wir keine doppelten Standards zur Kostenreduzierung haben sollten, die in der einen Minute sagen 'Es ist eine Katastrophe! Es gibt kein Geld! Wir werden alle sterben!' und in der nächsten Minute versuchen wir genau das aufrecht zuerhalten, wogegen wir eigentlich kämpfen wollten."

Besondere Sorgen macht sich Poncharal auch, wie dieses ständige Suchen nach Lücken im Reglement auf Außenstehende und damit auch potenzielle Sponsoren wirken muss. "Das ist für die Außenwelt einfach nur eine konfuse Botschaft, da wir immer wieder die Regeln, darüber was erlaubt und verboten ist, ändern", fasste der Franzose zusammen. "Ich kritisiere nicht irgendjemand spezielles, ich denke nur einfach, dass wir alle ruhiger, ein bisschen mehr erwachsen werden und die richtige Message zusammenpacken sollten. Ich denke wir sollten manchmal etwas weiter schauen, als nur auf heute und morgen. Das ist meine Position."