Gemeinsam haben sie 22 WM-Titel gesammelt, weswegen eine Analyse der aktuellen WM-Saison ihrerseits sicher nicht nur auf oberflächlichen Beobachtungen basieren dürfte. Anlässlich der Sommerpause werfen die ehemaligen Repsol-Piloten Angel Nieto, Jorge Martinez, Alex Criville, Emilio Alzamora und Sito Pons einen Blick auf die wichtigsten Diskussionspunkte des MotoGP-Jahres 2007.

Was ist für euch die größte Überraschung zur Halbzeit?

Angel Nieto:Natürlich Ducati und Stoner. Ich denke, dass dies etwas ist, was uns alle überrascht hat; wir haben von Ducati und Stoner nicht so eine Reaktion erwartet. Casey ist nicht mit einer großartigen Statistik angekommen - er ist in der 250er oft gestürzt - und voriges Jahr in der MotoGP auch. Er war klarerweise nicht unter den Favoriten. Er hat aber eine unglaubliche Saison und macht die Dinge für Honda und Yamaha schwer.

Jorge Martinez: Ich bin überrascht, welche großartige Balance Ducati, Bridgestone und Stoner erreicht haben. Ich war überzeugt davon, dass Honda viel weiter vorne sein würde. Die Wahrheit ist, dass dies generell eine überraschende Saison ist. Eine, die nicht viele Menschen von Beginn an hätten voraussagen können. Nicht einmal ich. Ich habe auch nicht gedacht, dass das passieren würde, was gerade passiert.

Alex Criville: Es ist klar, dass Stoners Leistung auf der Ducati das ist, was mich am meisten überrascht hat.

Emilio Alzamora: Das Überraschendste sind Stoner und seine Ducati. Die Leute haben gedacht, er würde auf den kurvigen Strecken Schwierigkeiten haben, aber das ist nicht der Fall. Er war bis heute konkurrenzfähig, eine halbe Saison, auf allen Strecken, in allen Bedingungen, egal ob nass oder trocken und auch in schwierigen Trainings-Sessions... Das hat am meisten überrascht.

Gleichzeitig war Dani Pedrosas Position und wo er jetzt ist die negative Überraschung, denn er ist ein Fahrer, der alles hat, um weiter vorne zu sein. Er hatte ein Jahr gehabt, dass nur wenige Fahrer haben und das war seine erste Saison in der Königsklasse. Aber in diesem Jahr ist er auf ein paar Probleme gestoßen, auf einer Maschine, von der sogar HRC [Honda Racing] gesagt hat, dass sie falsch war - im Konzept und im MotoGP-Projekt. Das bedeutet, wir sehen nicht den Dani, den wir zur Halbzeit der Saison sehen sollten.

Casey Stoners Stärke hat alle überrascht, Foto: Ducati
Casey Stoners Stärke hat alle überrascht, Foto: Ducati

Sito Pons: Die Wahrheit ist, dass diese Saison so überraschend ist, weil Stoner großartige Konstanz zeigt. Ich denke, dass war die Entdeckung der Saison. Zuallererst weil er eine große Reife für sein Alter zeigt. Es war klar, dass er ein schneller Fahrer ist - mit Talent und einer großartigen Zukunft. Das haben wir uns gedacht, als wir ihn für das MotoGP-Projekt verpflichtet haben, damit er einen Schritt nach vorne machen konnte. Aber jetzt, mit der Ducati und den Bridgestone-Reifen, denke ich, dass diese Kombination ihm das nötige Selbstvertrauen gegeben hat, um keine Fehler mehr zu machen und eine großartige Saison zu haben.

Eure Meinung zum Kampf zwischen Bridgestone und Michelin in der MotoGP. Ist es fair, dass sie so einen großen Unterschied machen?

Angel Nieto: Für mich ist es so, dass die Leute zu viel über die Reifen sprechen. Es schien zuletzt so zu sein, dass sie der Grund waren, warum einige gewinnen und andere verlieren. Ich denke, die Reifen funktionieren, wenn das Chassis und alle anderen Komponenten der Maschine am richtigen Platz sind. Dann kann das Reifenverhalten immer besser oder schlechter sein und wenn das Chassis Probleme macht, dann werden sie schneller abbauen und der Fahrer sich wahrscheinlich nicht wohl fühlen. Ich denke, dass die Maschine alles ausmacht. Was passiert, ist, dass die Reifen wahrscheinlich ihre Wichtigkeit haben. Bridgestone und Michelin kämpfen um den Sieg in der WM; ein anderer Kampf neben dem zwischen Fahrern und Konstrukteuren. Die Weltmeisterschaft ist aufregend.

Jorge Martinez: Wir sprechen über eine Weltmeisterschaft. Die Regeln sind so, wie sie sind und die Reifen haben immer einen Unterschied gemacht, wenn es um die Titel ging. In jeder Kategorie. In der momentanen Situation beschwert sich Michelin wahrscheinlich mehr, weil sie immer diejenigen waren, die dominiert haben. Jetzt ist Bridgestone aber ohne Zweifel vorne.

Alex Criville: Ich denke, es ist OK. Dieses Jahr sieht es so aus, als ob Bridgestone den Kampf gegen Michelin gewinnt, wir müssen aber die Saison erst beenden. Noch ist nichts entschieden und Michelin setzt sicher alle Hebel in Bewegung. Sie werden gut arbeiten und werden Rennen gewinnen, wie sie es immer getan haben.

Emilio Alzamora: Wir sind mitten in einem komplizierten Jahr für die Fahrer und die Hersteller, denn die neuen Regeln, die die Anzahl an Reifen beschränken, bedeuten Änderungen und wir haben dieses Jahr schon einige gesehen. Ich denke, dass Bridgestone einen Schritt voraus ist, durch der Erfahrung, die man hatte und durch die neuen Regeln. Die Reifentechnologie sollte auch etwas limitiert werden, denn das Verhalten der Maschine hängt stark von ihnen ab.

Sito Pons: Ich denke, es ist einfach nur eine weitere Zutat, wodurch die Meisterschaft interessanter wird.

Der technische Fortschritt. Glaubt ihr, dass er das Spektakel ruiniert?

Durch Technologien wie die Traktionskontrolle hat das Spektakel etwas abgenommen, Foto: Honda
Durch Technologien wie die Traktionskontrolle hat das Spektakel etwas abgenommen, Foto: Honda

Angel Nieto: Ja, ein wenig. Was passiert, ist, dass die Maschinen sicherer werden. Was ich am wenigsten sehen möchte, sind stürzende Fahrer und in dieser Hinsicht ist der technologische Fortschritt gut. Wir sehen aber kein Sliding, so wie es in der Zweitakter-500cc-Kategorie war. Die Traktionskontrolle ist großartig, aber ein wenig des Spektakels ist verloren gegangen. Gleichzeitig ist es aber noch ein Spektakel, denn wir sehen viele Marken und viele Fahrer mit Chancen auf den Sieg. Einige Rennen, die wir jetzt in der MotoGP sehen, sind wie jene in der 125er, wo sieben oder acht Fahrer während des ganzen Rennens kämpfen.

Jorge Martinez: Naja, ohne Zweifel. In einigen Bereichen ohne Zweifel. Ich bin überzeugt, dass die Maschinen vor ein paar Jahren spektakulärer waren und viel schwerer abzustimmen und zu fahren. Die neueste Technologie bringt alles vorwärts, aber gleichzeitig ist alles leichter. Deswegen glaube ich, dass es das Spektakel ruiniert.

Alex Criville: Ja, ein wenig. Wenn man sich auf die Traktionskontrolle bezieht, denke ich, dass wir uns in diesem Aspekt mit der Technologie weiterentwickelt haben. Wir haben aber einen kleinen Schritt zurück gemacht, was das Spektakel betrifft. Vielleicht muss man dort [bei der Traktionskontrolle] einen kleinen Schritt zurück machen.

Emilio Alzamora: Ich denke, es hängt von der Perspektive ab. Denn es ist klar, dass all die Elektronik und Technologie das Fahren auf der einen Seite ausgeglichener macht. Und mit der Änderung des Hubraums sind die Marken auch ausgeglichener. Das ist einerseits gut, weil es mehr Maschinen gibt, die ähnliche Zeiten fahren und mehr Fahrer, die eine Chance auf die Weltmeisterschaft haben. Es ist aber auch wahr, dass die fahrerischen Fähigkeiten weniger und weniger wichtiger werden. Es ist immer der Fahrer, der auf einem Motorrad zählt, aber es gibt mit der ganzen neuen Technologie nun viele Hilfen, vor allem für die Traktion.

Sito Pons: Ich denke nicht. Ich denke, dass die Rennen immer noch so spektakulär sind wie zuvor. Vielleicht haben sie etwas weniger Emotion, wenn man die Slides in Betracht zieht, die es zuvor gegeben hat. Aber prinzipiell sind die Rennen, wenn man sie mit anderem Motorsport vergleicht, spektakulärer, unterhaltsamer und aufregender als alles andere in der Motorsport-Welt.

800cc, 990cc oder 500cc? Warum?

Die 800er sind atemberaubend, Foto: Ducati
Die 800er sind atemberaubend, Foto: Ducati

Angel Nieto: Ich denke, die 800er ist großartig, denn es ist nicht die 990er, die wir in den vergangenen Jahren gesehen haben. Sie scheint eine gute Größe zu haben. Es ist atemberaubend, diesen Maschinen zuzusehen, der Ducati ebenso wie der Honda. Ich habe das Gefühl, dass die technische Seite ihre Evolution hat und die da sein muss - genauso wie sich Fahrer weiterentwickeln.

Jorge Martinez: Ich denke, es liegt nicht am Hubraum. Ich denke, es ist ein Problem der Technologie. Die Evolution mit der 800er vom vorigen Jahr zu diesem ist unglaublich. Sie sind wirklich schnell. Ich denke, es ist kein Problem der Größe, sondern der Regeln, wenn man die Traktionskontrolle und andere, ähnliche Dinge bedenkt - und nicht den Hubraum.

Alex Criville: Für mich ist die 800er-Kategorie die richtige. Wie ich aber schon zuvor gesagt habe, denke ich, dass die Traktionskontrolle eliminiert gehört. Diese Maschine kann viel Spaß machen, denke ich.

Emilio Alzamora: Im Moment gibt es in allen Kategorien ein gutes Spektakel. Auf dem Niveau der letztendlichen Show denke ich, dass die 800er das ist, was die WM ausgeglichener macht, was die Öffentlichkeit im Endeffekt sehen will. Es gibt mehr Fahrer, die um die Führung kämpfen und darum dass es ausgeglichener ist.

Sito Pons: Ich denke, es hängt etwas von der Epoche ab und wie sich die Technologie entwickelt und verbessert. Zu ihrer Zeit waren die 500cc-Zweitakter die am weitesten entwickelten Maschinen, was die Technologie betraf. Dann kamen die 990er und die Viertakter. Was jetzt passiert, ist, dass Viertakt-Motoren mit kleinerem Hubraum verwendet werden, ohne dass man vergessen darf, dass all diese technologischen Fortschritte auch auf normalen Straßenmaschinen montiert werden.

Glaubt ihr, dass dieses Jahr der Wendepunkt für eine neue Generation in der MotoGP sein wird?

Die neue Generation ist schon da oder kommt demnächst, Foto: Aprilia
Die neue Generation ist schon da oder kommt demnächst, Foto: Aprilia

Angel Nieto: Ich denke, die neue Generation ist schon da. Wir haben Fahrer wie Dani Pedrosa, 21, Stoner, auch 21... Es sind viele junge Fahrer auf dem Weg und es scheint, dass Valentino jetzt sehr alt ist, er ist aber nur 28. Außerdem ist Valentino ein Fahrer, der nicht wirklich oft von Verletzungen heimgesucht wurde, also lebt er in diesem Sinne nicht von geborgter Zeit. Wenn wir also von einer neuen Generation sprechen, dann scheint er kein Teil davon zu sein, weil er vier oder fünf Jahre älter ist. Der Generationswechsel passiert schon seit einer Weile.

Jorge Martinez: Ohne Zweifel, denn er hat im vorigen Jahr begonnen und bekommt in diesem Jahr den letzten Schliff. Es ist logisch und natürlich. So ist das Leben. Deswegen kommen die neuen Generationen an.

Alex Criville: Es ist wahrscheinlich, aber es ist noch nicht klar, ob Fahrer wie Capirossi und Barros weitermachen werden. Ich denke schon, sie wollen weitermachen und sie sind die alte Generation. Nächstes Jahr ist vielleicht zu früh, aber Fahrer wie Lorenzo werden ankommen und wir haben schon Pedrosa. Sie sind alle die neue Generation, wo Stoner momentan der König ist. Rossi ist auch da, obwohl nicht klar ist, ob er noch immer voll in Form ist oder etwas abgebaut hat. Wir werden sehen.

Emilio Alzamora: Meiner Meinung nach ist Rossi ein Mann, der nur schwer zu schlagen ist. Ich denke also, dass es kein Wendepunkt ist. Valentino Rossi wird die Weltmeisterschaft gewinnen, wenn er keine Probleme hat. Was stimmt, ist, dass es einen Generationswechsel beim Hubraum gibt, in den junge Fahrer hineinkommen, wie Pedrosa, Stoner und andere die kommen werden. Es gibt eine neue Generation, aber wenn sich die Dinge so entwickeln, wie sie es sollten, dann ist Rossi immer noch einen Schritt vor dem Rest. Auch wenn Stoner einige Dinge zu seinem Vorteil hat, so hat er [Rossi] eine garantierte Chance, zu siegen.

Sito Pons: Ich denke, der Generationswechsel in der MotoGP hat voriges Jahr begonnen, 2006. Was in diesem Jahr passiert, ist, dass sich die neue Generation etabliert und das wird 2008 noch deutlicher werden, wenn noch mehr junge Fahrer kommen. Das wird der bestimmende Moment sein, was andererseits das ist, was auch im wahren Leben passiert.