Im MotoGP-Sprint von Spielberg gingen am Samstag schon in Kurve eins die Wogen hoch. Es kam zu einer Massenkarambolage zwischen Jorge Martin, Fabio Quartararo, Maverick Vinales, Marco Bezzecchi, Johann Zarco, Miguel Oliveira und Enea Bastianini. Bezzecchi, Zarco und Oliveira kamen zu Sturz, Vinales, Quartararo und Bastianini fielen weit zurück, lediglich Martin ging mit Platz sechs glimpflich aus der Kollision hervor.

Ausgegangen war der Dominoeffekt von einer Berührung zwischen Martin und Quartararo. Martin hatte von Startplatz 12 aus mächtig Boden gutgemacht und war auf der Innenlinie, neben ihm Quartararo und der von P2 katastrophal gestartete Vinales. Wie so oft in Kurve eins des Red Bull Ring ging den MotoGP-Stars in der Folge der Platz aus. Die Stewards vermeldeten sofort, die Szene nach dem Sprintrennen zu analysieren. Eine Entscheidung gab es erst um 18:20 Uhr. Öffentlich kommuniziert wurde diese um 19:11 Uhr, also mehr als vier Stunden nach dem Vorfall. Zuvor waren Martin und Vinales zu den Stewards rund um Freddie Spencer zitiert worden.

Schlussendlich hatten die Stewards Jorge Martin als Auslöser der Massenkarambolage identifiziert. Er hat sich ihrer Meinung nach in Turn 1 unverantwortlich, aggressiv und übermotiviert verhalten und so die Stürze anderer Fahrer verursacht. Als angemessene Strafe betrachten Spencer & Co. dafür eine Longlap-Penalty, die Martin im nächsten Grand-Prix-Rennen absitzen muss, also im Normalfall am Sonntag in Spielberg.

Fahrer sind einig: Jorge Martin schuld

Die involvierten Piloten erklärten am Nachmittag ihre Sicht der Dinge. Jorge Martin schob die Schuld an der Kollision von sich: "Ich habe mir die Szene 50-mal angesehen. Ich bin eine gerade Linie gefahren, war ganz innen und hatte die richtige Geschwindigkeit. Ich hätte die Kurve ganz locker auf der Innenseite nehmen können. Ein Fahrer ist aber von der Außenbahn nach innen gezogen, dann musste Fabio (Quartararo, Anm.) in meine Richtung ziehen und hat dabei die Kontrolle verloren. Auf jeden Fall bin ich der Meinung, dass es nicht mein Fehler war. Vielleicht muss ein Fahrer für diese Kollision bestraft werden, aber ich bin es nicht. Ich will keine Namen nennen, aber ein Fahrer auf der Außenbahn hat die Linie extrem zugemacht. Deshalb ist Fabio mir nahegekommen und hat die Kontrolle verloren." Der Fahrer, dessen Namen Martin nicht nennen wollte, ist anhand seiner Beschreibung eindeutig als Maverick Vinales zu identifizieren.

Maverick Vinales fiel am Start weit zurück, Foto: LAT Images
Maverick Vinales fiel am Start weit zurück, Foto: LAT Images

Die anderen involvierten Fahrer sahen aber Martin als Auslöser des Crashes. "Martin hat das Rennen von vielen Fahrern ruiniert", sagte Vinales. "Meiner Meinung nach ist das eine klare Strafe. Mehr kann ich dazu nicht sagen." Ganz ähnliche Worte fand Miguel Oliveira: "Meiner Meinung nach ist das eine sofortige Longlap-Penalty. Da muss man nicht warten. Er hat die Kollision ausgelöst und in einem Dominoeffekt viele Fahrer abgeräumt. Er hat die Kurve falsch eingeschätzt." Kritik an Martin kam sogar von Teamkollege Johann Zarco. "Er hatte einen großartigen Start, war beim Überholen von Fabio aber zu optimistisch. Er hätte etwas zurückstecken müssen." Marco Bezzecchi gab sich in seiner Medienrunde kryptisch. "Die Videoaufnahmen sind ziemlich eindeutig. Ihr könnt das selbst entscheiden", ließ er die versammelte MotoGP-Presse wissen. Fabio Quartararo sah die Situation gelassen: "Diese Dinge können passieren."

Eine klare Position nahm MotoGP-Legende Valentino Rossi ein. "Jorge war nach seinem schlechten Qualifying wohl richtig geladen und wusste, dass er in den ersten Kurven etwas verrücktes machen muss. In Turn 1 war er aber zu verrückt, hat Quartararo berührt und so diese Kettenreaktion ausgelöst. Meiner Meinung nach muss er sofort eine Longlap-Penalty bekommen", sagte Rossi.

Martin bleibt einmal straffrei

Martin war nach der Startkollision noch in eine zweite heikle Situation verwickelt, erneut war ein Schützling von Valentino Rossi Leidtragender. Im Kampf um Platz drei attackierte Martin Luca Marini in der Schikane, es kam zur Berührung und Luca Marini stürzte. Hier trafen die Stewards schnell eine Entscheidung: Rennunfall, keine Strafe. Für eine vergleichbare Aktion gegen Lorenzo Savadori erhielt Fabio Quartararo am Samstag eine Longlap-Penalty. Eine Inkonstanz, die sich im MotoGP-Paddock von Spielberg niemand wirklich erklären konnte. Zur Schuldfrage in diesem Fall: Martin sah den Fehler bei Marini, der zu hart verteidigt habe. Marini wiederrum beschuldigte Martin, den zur Verfügung stehenden Platz nicht richtig genutzt zu haben.

Späte Steward-Entscheidung sorgt für Unverständnis

Die getroffenen Entscheidungen in den Fällen Quartararo gegen Savadori, Martin gegen Marini sowie der Massenkollision von Turn 1 waren am Sonntag das eine große Thema. Die Art und Weise, wie diese gefällt wurden, das andere. "Die Stewards treffen schnelle Entscheidungen, wenn es völlig egal ist, etwa wenn Quartararo im Kampf um Platz 16 kollidiert. Wenn der WM-Zweite in Turn 1 so eine Aktion liefert, machen sie gar nichts", schimpfte Oliveira. Selbst Martin sprach sich für ein schnelleres Urteil aus: "Wenn sie 14 Runden Zeit haben, um eine Strafe auszusprechen, dann sollte das nicht nach dem Rennen passieren."