Die Testpremiere der MotoGP-Saison 2015 auf dem Sepang International Circuit ermöglichte spannende erste Eindrücke: Während an der Spitze des Feldes weiterhin der Kampf der Alphatiere Honda, Yamaha und Ducati tobte, lohnte sich auch ein Blick weiter hinten ins Zeitentableau. Neben den ‚Debüts‘ der namhaften Piloten Stefan Bradl, Cal Crutchlow und Aleix Espargaro für ihre neuen Rennställe rückten auch die Rückkehrer-Teams Suzuki und Aprilia vermehrt in den Fokus des Interesses.

Etwas abseits der wichtigsten ‚Kriegsschauplätze‘ standen die drei Tage von Sepang jedoch ebenfalls im Zeichen der MotoGP-Neulinge, die ihre weiterentwickelten Arbeitsgeräte sowie ihren eigenen Leistungsstand erstmals auf Herz und Nieren prüften. Maverick Vinales (Suzuki), Jack Miller (LCR Honda), Eugene Laverty (Aspar Honda)und Loris Baz (Forward Yamaha) trafen sich somit zum ersten ‘Kräftemessen´. Motorsport-Magazin.com nimmt unter die Lupe, wie sich die Neulinge in Malaysia schlugen und wagt eine erste Prognose im Hinblick auf den Kampf um den Titel ‚Rookie des Jahres‘.

Maverick Vinales

Noch bei den Tests in Valencia vergangenen November sowie über den Winter sah es so aus, als stünde Suzuki eine raue Saison im Jahr der Rückkehr bevor. Während die Fahrer Vinales und Espargaro immer wieder betonten, dass die Entwicklung stetig und positiv von statten ginge, stand über der Leistungsfähigkeit Suzukis beim Testauftakt 2015 jedoch stets mindestens das eine oder andere Fragezeichen. Mit dem Auftakt in Malaysia war jedoch klar: Suzuki hat seine Hausaufgaben definitiv gemacht.

Maverick Vinales zeigte bereits bei Sepang I unglaubliches Potential, Foto: Milagro
Maverick Vinales zeigte bereits bei Sepang I unglaubliches Potential, Foto: Milagro

Bereits in seinem ersten Jahr in der Moto2 beeindruckte der als Moto3-Weltmeister 2013 aufgestiegene Vinales mit einer rasanten und außergewöhnlichen Entwicklungskurve. Für die ‚Paginas Amarillas‘ von Sito Pons gewann er bereits sein zweites Rennen, fuhr in der zweiten Saisonhälfte bisweilen Kreise um die überlegenen WM-Dominatoren von Marc VDS. Auch in der MotoGP zeichnet sich wohl ein rasanter Aufstieg des Supertalents Vinales ab.

In Sepang ließ der erst 20-jährige Spanier mit der Spitzenzeit von 2:00.964 Minuten aufhorchen, war somit auf eine Runde klar schnellster Rookie. Außer den altbekannten Größen der Werks- und stärksten Satellitenfahrer ließ Vinales als Gesamt-Zwölfter jedoch ebenfalls gleich einmal das Gros des 30-köpfigen Testfeldes hinter sich. Von Mittwoch (2:03.164) bis Freitag steigerte Vinales nicht nur seine persönliche Bestzeit um über zwei Sekunden, sondern legte ebenfalls auf die Distanz mächtig zu.

So gelang ihm am Freitag eine äußerst beeindruckende Rennsimulation von 16 Runden, von denen 11 im Bereich der 2:02-Minuten-Marke angesiedelt waren. Bereits nach drei Tagen auf seinem neuen MotoGP-Bike lag Vinales somit auch bei den Longruns im Fenster von knapp einer Sekunde auf die besten Satellitenpiloten. Bedenken wir den wahrscheinlichen weiteren Leistungssprung Suzukis, scheint möglich: Supertalent Vinales ist 2015 bereits für starke Ergebnisse und einige Überraschungen gut. Stand heute ist der Spanier haushoher Favorit auf den Titel des Rookies des Jahres.

Jack Miller

Der Australier Jack Miller wählte den außergewöhnlichen Ausbildungsweg und stieg nach seiner Niederlage im Herzschlagfinale um die Moto3-Meisterschaft 2014 direkt mit LCR Honda in die MotoGP auf. Auf einem Honda Production Racer nimmer Miller das Abenteuer MotoGP in Angriff, will dabei im ersten Jahr vor allem lernen und eine solide Basis aufbauen. Nachdem ‚Jackass‘ bereits gegen Ende vergangenen Jahres Privattests in Malaysia auf einer ‚Open-Honda‘ der 2014er-Spezifikation absolviert hatte, kam er mit einem kleinen Wissensvorsprung auf seine Rookie-Kollegen nach Sepang.

Jack Miller will in seiner Debüt-Saison in der MotoGP viel lernen, Foto: Milagro
Jack Miller will in seiner Debüt-Saison in der MotoGP viel lernen, Foto: Milagro

Zwar drehte Miller mit seiner persönlichen Bestzeit von 2:01.895 nur die drittschnellste Runde aller Neulinge, war neben Vinales jedoch der einzige, der bereits eine Rennsimulation absolvierte. Bei seinem 17-Runden-Longrun am Freitag startete Miller mit vier beeindruckenden Umläufen im 2:02er-Bereich, rutschte bis zum Ende dann jedoch um zwei bis drei Sekunden pro Runde ab.

Miller, der in der Saison 2015 die downgegradete Weltmeistermaschine Marc Marquez‘ aus dem Vorjahr pilotiert, muss vor allem in Sachen Konstanz sowie Rennausdauer sichtlich zulegen. Über Speed und Potential verfügt der Australier jedoch allemal. Mit Vinales wird er sich in seiner Debüt-Saison in der Königsklasse aller Voraussicht nach jedoch nicht messen können. Platz zwei in der Sonderwertung Rookie des Jahres ist ihm jedoch allemal zuzutrauen.

Loris Baz

Der Franzose Baz wechselte nach drei Jahren in der Superbike-Weltmeisterschaft in die Königsklasse des Motorrad-GP-Sports und geht 2015 an der Seite von Stefan Bradl für Forward Racing in der Open-Klasse an den Start. Auf dem Yamaha Production Racer – seines Zeichens überlegenes Open-Bike der Saison 2014 – hat Baz starkes Material zu Vefügung, wird also zumindest unter moderatem Druck stehen, auch als Rookie schon einige sehenswerte Ergebnisse zu liefern.

Bei den Tests in Sepang zeigte Baz umgehend sein ungeheures Potential. Von Mittwoch (2:04.163) bis Freitag (2:01.624) steigerte er seine persönliche Bestzeit um knapp 2,5 Sekunden. Unter den Neulingen war er somit der zweitschnellste Pilot. Allerdings offenbarte Baz bei den Longruns noch Schwächen. So absolvierte er nie mehr als acht Runden am Stück, lag dabei zudem meist auf einem äußerst moderaten Zeitenniveau – bisweilen konstant in den 2:07er-Minuten.

Loris Baz wird sich 2015 auch an Stefan Bradl messen lassen müssen, Foto: Forward Racing
Loris Baz wird sich 2015 auch an Stefan Bradl messen lassen müssen, Foto: Forward Racing

Zwar sind weder das Testprogramm noch das tatsächliche Leistungsniveau Forwards bekannt, jedoch ist der fehlende Qualitätsbeweis bei Rennsimulationen für Baz hinsichtlich unserer Wertung so lange ein Nachteil, bis er das Gegenteil beweist. Der Franzose verfügt ohne Frage über großes Potential, und sollte er mit der starken Yamaha zurechtkommen, ist ihm ebenfalls Platz zwei bei den Rookies zuzutrauen. An Vinales sollte es jedoch auch für ihn kein Vorbeikommen geben.

Eugene Laverty

Der erfahrene Eugene Laverty kommt wie auch Baz aus der Superbike-Weltmeisterschaft, erwies sich dort als einer der schnellsten und rennintelligentesten Piloten. Mit 28 Jahren wagt der Nordire auf einem Honda Production Racer bei Aspar nun sein Debüt in der Motorrad-Königsklasse. Mit seiner persönlichen Bestzeit von 2:02.334 fällt Laverty gegenüber den anderen Neulingen bislang jedoch klar ab. Vor allem Vinales brachte ähnliche Rundenzeiten konstant in seinem Longrun aufs Zeitentableau.

Eugene Laverty hat nach seinem Wechsel aus der Superbike-WM eine Menge zu lernen, Foto: Milagro
Eugene Laverty hat nach seinem Wechsel aus der Superbike-WM eine Menge zu lernen, Foto: Milagro

Wie auch Baz absolvierte Laverty keinen Longrun, kam an drei Tagen nie über sechs gezeitete Runden in Serie hinaus. Auch das Trainingsprogramm Aspars ist natürlich nicht bekannt, die Wichtigkeit konstanter Longruns hingegen schon. Stand jetzt wird es für Laverty 2015 sehr schwierig werden, mit seinen Rookie-Koolegen ernsthaft mitzuhalten.