Kein Nachtreten, kein böses Blut. Cal Crutchlow zieht nach einem äußerst schwierigen Jahr bei Ducati am Tag vor seinem Wechsel zu LCR ein recht positiv formuliertes Fazit. Trotz seines schwachen Abschneidens mit lediglich 74 WM-Zählern und Endrang 13 sei das Jahr keinesfalls verloren gewesen. Vor allem in Saisonhälfte zwei verzeichnete der Engländer einen deutlichen Leistungsaufschwung, auch wenn sich dies mit Ausnahme seines dritten Ranges in Aragon sowie Platz fünf beim Saisonfinale in Valencia eher weniger auf der Punktetabelle abzeichnete.

"Mein Jahr hat in Losail eigentlich ganz gut begonnen. Ich wurde auf einem für mich neuen und ungewohnten Bike direkt Sechster, auch wenn ich natürlich von einigen Stürzen profitiert habe", blickt der ehemalige Supersport-Weltmeister zurück. Im zweiten Rennen in Austin stürzte Crutchlow dann jedoch schwer, fiel verletzt für den Argentinien GP in Termas de Rio Hondo aus. "Das war irgendwie zwischenzeitlich der Anfang vom Ende für mich, denn ich habe lange gebraucht, um mental, physisch und formtechnisch wieder in Schwung zu kommen."

Crutchlow einsichtig: Habe Dall'Igna zu spät verstanden

Ebenfalls fiel Crutchlow nach eigenen Angaben die Zusammenarbeit mit dem neuen starken Mann an der Spitze Ducatis - Gigi Dall'Igna - alles andere als einfach: "Es war nicht immer leicht, mit ihm zusammenzuarbeiten, vor allem, als es dann auch noch gar nicht gut lief. Erst gegen Ende habe ich begonnen, ihn zu verstehen - was sich auch in meinen Leistungen widergespiegelt hat. Ich stimme nun voll mit ihm überein, und seine Resultate sprechen ja ganz klar für sich. Mit ihm hat Ducati einen wahnsinnigen Sprung nach vorne gemacht."

Highlight: In Aragon bejubelte Cal Crutchlow seinen einzigen Podestplatz der Saison, Foto: Ducati
Highlight: In Aragon bejubelte Cal Crutchlow seinen einzigen Podestplatz der Saison, Foto: Ducati

Nach lediglich vier Punkteankünften in der ersten Saisonhälfte wurde die einst als 'Traumehe' deklarierte Liaison auf eine harte Probe gestellt. Vor allem die starken Resultate Andrea Doviziosos trugen für Crutchlow nicht viel dazu bei, seine Position im Team zu festigen. Noch vor dem Start in die zweite Saisonhälfte in Indianapolis gaben Ducati und Crutchlow ihre Trennung zum Jahresende bekannt. Vom Druck befreit zeigte der Engländer fortan aufsteigende Form, lieferte vor allem auf der Desmosedici GP14 starke Rennen ab, als Dovizioso längst auf dem Nachfolgermodell GP14.2 unterwegs war.

Crutchlow sicher: Kann auf Niveau von Dovizioso fahren

Rang drei beim Chaosrennen in Aragon sollte zwar der einzige Podestplatz Crutchlows bleiben, jedoch verpasste er nur knapp einen sensationellen zweiten Platz auf Philipp Island. Auf auskühlenden Reifen stürzte er unbedrängt Mitte der letzten Runde, hatte jedoch bereits klar unter Beweis gestellt, dass er trotz des schwierigen Jahres das Fahren nicht verlernt hatte. "Ich habe mich als es schlecht lief durchgebissen, und mit jeder guten Runde, mit jedem guten Ergebnis und jedem guten Qualifying an Stärke und Selbstvertrauen zurückgewonnen. Ich war mir immer sicher, dass ich auf dem Niveau von Dovi fahren kann - und letztlich ist mir das denke ich auch gelungen."

Dass er mit seiner Saison insgesamt dennoch nicht zufrieden sein kann, gibt Crutchlow unumwunden zu. In Manier eines strengen Lehrers bewertet er seine Leistung entsprechend auch unterdurchschnittlich mit vier von zehn Punkten. Dann blickt er jedoch auf das Positive: "Ich habe in diesem Jahr viel gelernt, und bereue auf keinen Fall, zu Ducati gewechselt zu sein. Damals war das ganz klar die beste Entscheidung, und ich würde mich immer wieder so entscheiden. Für Ducati und für mich ist es aber das Beste, sich jetzt zu trennen. Ich denke wir brauchen einfach einen Neuanfang. Sie haben jetzt zwei starke Fahrer und ich habe bei LCR auch eine gute neue Perspektive."