In seinem ersten Jahr im Repsol Honda-Team war Casey Stoner unangreifbar. Bis auf den Spanien Grand Prix war Stoner bei jedem Rennen auf dem Podium. Bei einer 17 Rennen umfassenden Saison egalisierte er den Rekord von 12 Pole Positionen und 11 Siegen. Den wichtigsten Sieg erzielte er bei seinem Heim Grand Prix auf Phillip Island. Vor seinen Landsleuten und seiner Familie beendete Stoner die 800cc-Ära, wie er sie begonnen hat, mit dem Gewinn der MotoGP-Weltmeisterschaft. Er gewann aber nicht nur den australischen Grand Prix zum fünften Mal in Folge, sondern feierte an diesem Tag auch noch seinen 26. Geburtstag. Das Beste wird aber mit Sicherheit noch kommen.

Nicht nur auf der Rennstrecke. Nach seiner dominanten Vorstellung beim ersten Test der Saison in Sepang zwischen dem 31. Januar und dem 2. Februar, kehrte Stone an seinen Schweizer Wohnort in Lausanne zurück, um mit seiner Frau Adriana die Geburt des ersten Kindes zu erwarten. Am 16. Februar konnten Casey und Adriana um 21:55 Uhr eine Tochter namens Alessandra Maria Stoner begrüßen. Nach ein paar Wochen der Vaterschaft, bereitet sich Stoner darauf vor, nach Sepang zum zweiten Test in der MotoGP 1000cc-Ära, zurückzukehren.

Die ersten Vorbereitungen waren beeindruckend. Stoner musste den ersten von drei Testtagen in Sepang wegen einer wiederkehrenden Rückenverletzung, die er sich 2003 in der 125cc-Klasse bei der Dutch TT zugezogen hat, auslassen. Am Ende markierte er nicht nur die schnellste Zeit, sondern hatte auch noch einen beeindruckenden Vorsprung von 0,591 Sekunden auf die besten Straßenfahrer der Welt. Dabei sammelte er wichtige Daten für die Honda-Ingenieure, um die RC213V zu verbessern. Nach fast einem Monat Pause wird Stoner noch stärker und zielstrebiger nach Malaysia zurückkehren und seine Arbeit wiederaufnehmen, um den ersten Weltmeistertitel in der 1000cc-Ära zu erringen.

Im Folgenden gibt es eine Abschrift einer Unterhaltung mit dem zweifachen Weltmeister.

Wie unterscheidet sich die 1000cc-Maschine von der 8ooer am Kurveneingang, in der Kurvenmitte und am Ausgang?
Casey Stoner: Die Maschinen unterscheiden sich nicht so sehr. Honda hat vielmehr die Bremsstabilität verbessert. Auch der Radstand hat sich vielleicht auch etwas verändert. Wenn wir jetzt bremsen haben wir ein wenig mehr Stabilität, wenn wir in die Kurven gehen. Das Heck will jetzt nicht mehr so hart hüpfen wie bisher. Wir können deswegen jetzt also härter bremsen als zuvor. Dadurch verändern sich die Bremspunkte etwas weniger, als wir es erwartet hätten. Unser Motorrad wurde in diesem Punkt doch deutlich verbessert. Am Kurveneingang ist es genau dasselbe. Alles nach diesem Punkt ist sehr ähnlich. Ich glaube wir haben uns hauptsächlich auf dem Bereich des Chassis verändert. Das Gewicht des Motorrades ist identisch geblieben. Auch die Reaktionen sind sehr ähnlich, wenn nicht sogar die gleichen.

Das Gewicht ist gleich geblieben?
Casey Stoner: Erst vor kurzem wurde entschieden, vier Kilogramm draufzupacken. Die Motorräder wurden designed und gebaut und dann entschieden sie, wir fügen vier Kilo hinzu. Ich denke nicht, dass das der richtige Weg ist. Ich hoffe, dass dagegen gekämpft wird. Ich hoffe, es wird dagegen gekämpft und gewonnen, da man nicht einfach Regeln machen und diese in der letzten Minute wieder ändern kann, wenn die Motorräder bereits fertig entwickelt sind. Die vier Extra-Kilos werden aber nicht viel verändern. Es ist jetzt mehr oder weniger das gleiche Gewicht. Wenn es zwanzig Kilo Unterschied wären, wäre es ein Unterschied. Jetzt fühlt es sich sehr ähnlich an, wie die 800cc-Maschine. Das einzige, was sich anders anfühlt ist das Chassis. Wie ich bereits gesagt habe, haben wir einige Verbesserungen in diesem Bereich gemacht. Etwa am Kurvenausgang können wir die Kraft jetzt viel besser umsetzen. Wir kriegen jetzt mehr Drehmoment aus dem Motor, haben viel mehr Kontrolle über den Motor, da er nicht mehr so schwach ist. Schließlich habe ich auch deutlich mehr Traktion gefunden. Durch das Extra-Drehmoment und die verbesserte Kontrolle, kann man nun aus den Kurven viel länger herausbeschleunigen, bevor das Motorrad zu rutschen anfängt.

Kannst Du jetzt weniger präzise mit der 1000cc-Maschine umgehen und damit durchkommen?
Casey Stoner: Ich würde sagen: Nein. Auf einem schmalen Grad vielleicht, eben durch das zusätzliche Drehmoment kann man jetzt eckig durch die Kurven fahren und quasi aus ihnen herausschießen. Aber auch die 800er-Maschinen hatten schon viel Kraft. Besonders zu ihrem Ende hin hatten sie eine Menge. Überall drehten die Räder durch. Deswegen würd ich nein sagen. Man muss sie aber immer noch sehr ähnlich fahren und versuchen möglichst genau zu fahren. Jeder versucht im Moment noch die Fehler rauszukitzeln.

Wird heute ein Fehler weniger verziehen als bei den 800ern?
Casey Stoner: Nein, das ist ähnlich. Bei den 800ern hatte man vielleicht etwas mehr Geschwindigkeit in den Kurven. Da man nicht die gleiche Kraft mit den 800ern hatte, hatte man auch nicht die gleichen Probleme mit den Wheelies. Besonders auf einer kurzen Strecke mit einer kurzen Übersetzung, neigen die 1000cc-Maschinen zu einem Wheelie - daran muss man als Fahrer denken. Die Motorräder sind jetzt etwas härter. In der Kurvenmitte ist man kurzzeitig etwas mehr am Gas. Man kann die Motorräder aber immer noch sehr ähnlich fahren. Ich habe mir an der Strecke einige verschiedenen Linien der anderen Fahrer angesehen und die schwarzen Markierungen gesehen. Sie brauchen immer noch die gesamte Strecke. Ich brauche weniger Strecke, weil ich mit dem zusätzlichen Drehmoment zufrieden bin. Aber im Großen und Ganzen kann man die Motorräder auf zwei Wege fahren.

Fischen in der Freizeit, Foto: motogp.com
Fischen in der Freizeit, Foto: motogp.com

Du hast einmal gesagt, dass die Geburt deines Kindes deinem Leben mehr Sinn gegeben hat. Wann bist du zu dieser Einsicht gekommen?
Casey Stoner: Vor vier Jahren würde ich sagen. Ich wusste immer, dass es im Leben mehr gibt als ewig Rennen zu fahren. Als ich das damals realisierte, suchte ich mir Dinge, die ich abseits vom Rennsport machen kann. Das sind zum Beispiel die Fischerei und Dinge, die mir wirklich Spaß machen und natürlich so viel Zeit mit meinen Freunden zu verbringen wie nur möglich. Dinge, die ich vernachlässigen musste, weil diese Meisterschaft es dir verbietet. Zudem fahren alle meine guten Freunde in anderen Rennserien weshalb wir an unterschiedlichen Wochenenden unterwegs sind und keine Zeit füreinander haben. Diese Dinge vermisst man und man lernt, dass man die gemeinsame Zeit genießen muss und möglichst viel davon verbringen soll.

Du hattest davor schon einen Titel gewonnen. Ist es leichter, ihn zu gewinnen oder zu verteidigen?
Casey Stoner: Ich glaube, dass es keine Titelverteidigung gibt, man geht ja nicht mit einem Punktevorsprung in die Saison. Wenn man es will, bekommt man eine andere Startnummer auf das Motorrad aber jeder beginnt wieder bei Null, vor allem in diesem Jahr. Wir wechseln von den 800ern auf die 1000er, also gibt es überhaupt keine Gemeinsamkeit mit dem vergangenen Jahr, außer dass wir mit Reifen auf einem Motorrad fahren und die selbe Art von Meisterschaft bestreiten aber dann doch auf eine andere Weise - ich denke man kann es jetzt andere Kategorie nennen. Ich denke man geht nicht in eine Saison, um seinen Titel zu verteidigen, sondern um den nächsten anzugreifen.

Im Jahr nach dem Gewinn deines Meistertitels hattest du einige Probleme, die es erschwerten, die Startnummer Eins zu verteidigen.
Casey Stoner: Wir starteten nicht besonders gut mit der Maschine von 2008, am Anfang der Saison stolperten wir über eine Menge Probleme. Wir hatten einige Ungereimtheiten mit der Benzinpumpe und wussten nicht, welche Kettenspannung wir fahren sollten. Lauter solche Sachen, sogar Kleinigkeiten wie den Schlupf zu verringern. In Estoril löste sich eine Kamera und baumelte an meinem Motorrad, ohne dass es überhaupt jemand bemerkte. Dann versagte ein Motor in Le Mans und am Ende des Jahres kamen richtige Probleme mit meinem gebrochenen Handgelenk hinzu. Trotzdem erinnert sich jeder nur daran, wie ich den Titel verloren habe. Ich glaube, dass wir uns danach höllisch angestrengt haben und ich konnte nach dem schwierigen Jahr wohl beweisen, dass wir den Titel verdient gehabt hätten. Leider wurde daraus nichts. Es lief einiges schief, auch 2009. Wir führten die Meisterschaft an, als meine Laktoseintoleranz Chaos verursachte. Eigentlich hatten wir nur 2010 keine Entschuldigungen. Wir hatten nicht das Motorrad, wir hatten nicht das Equipment, wir sortierten uns nicht schnell genug aus. Wir machten Fehler, pushten zu hart als es nicht nötig war, kurz gesagt: es lief einfach nicht. Am Ende der Saison zeigten wir aber wieder, dass wir selbst mit einem Motorrad, das uns nicht zufriedenstellen konnte, bei der Musik waren und dass es eine fantastische Partnerschaft zwischen mir und dem Team war.

Wayne Rainey sagte bekanntermaßen, dass er am Ende jeder Meisterschaft das Gefühl hatte, gewinnen zu müssen und Platz zwei ihn nicht zufriedenstellte.
Casey Stoner: Diese Meisterschaft ändert sich recht deutlich. Ich betrachte sie aus verschiedenen Blickwinkeln, teilweise ähnlich wie Wayne. Er war damals der Maßstab und musste nichts und niemanden jagen aber ich denke, dass man während einer Saison immer mehr Rennen gewinnen könnte. Man muss sich seine eigenen Ziele setzen, doch für mich ist es ein Problem in welche Richtung sich die Serie entwickelt und wie auf welche Art Regeländerungen immer umgesetzt werden. Immer gibt es Entschuldigungen, dies, das und jenes - es scheint nicht als ginge es ums Rennfahren wie damals und es gehört viel mehr dazu als nur auf die Strecke zu gehen und schnell zu sein. Wenn man den gleichen Augen auf die Dinge blickt, macht es mich traurig zu sehen, wie sich die Meisterschaft entwickelt. Zur selben Zeit habe ich aber auch noch Ziele, die ich in diesem Jahr erfüllen möchte. Wenn das nicht gelingt, muss ich mit der Karriere zufrieden sein, die ich hatte.

Eines seiner Probleme war, dass es kaum Weiterentwicklungen gab, weil er so oft siegreich war. Das scheint bei Honda kein Problem zu sein.
Casey Stoner: Bei diesem Team merkt man, dass jeder noch so kleine Input von mir sie motiviert und Verbesserungen suchen lässt. Bei Honda sieht man, dass sie sich immer verbessern wollen, sie nicht stillstehen wollen. Im vergangenen Jahr gab es nicht allzu viel aber mit der 1000er kann ich so viel anregen und sie kramen sofort alle ihre kleinen Kobolde hervor.

In Laguna Seca hattest du 2009 eines der frustrierensten Rennen und letztes Jahr eines deiner besten.
Casey Stoner: Jeder sollte anerkennen, dass das Rennen auf der Ducati nicht recht leicht war, dass es nicht so einfach war wie angenommen. Ich gab alles in diesem Rennen, aber es funktionierte am Ende nicht. Das habe ich im Gegensatz zu allen anderen aber schnell vergessen - das ist nicht mehr mein Problem.

Das Überholmanöver gegen Jorge Lorenzo, wie lange zuvor hattest du es geplant?.
Casey Stoner: Um ehrlich zu sein, einige Runden. Nicht an exakt dieser Stelle aber ich dachte mir: wenn die Möglichkeit besteht, werde ich sie nutzen. Es ist eine der Kurven, die mir gut liegen, allgemein der letzte Sektor in Laguna Seca, das hat nichts mit der Beschleunigung zu tun hat. Ich war dort schon auf der Ducati flott unterwegs, es ging nur darum, schnell hoch zu schalten und die Front unten zu lassen weil es so ein kurzer Kurs ist. Die Gangwechsel sind sehr schnell und schwierig aber ich mochte es immer, aus der letzten Kurve zu kommen und auf die Start-Ziel-Gerade zu gehen. In den Runden zuvor habe ich dort immer auf Jorge aufgeholt und ich dachte mir, dass ich nahe genug an ihm sein muss, falls er einen Fehler beim Schalten begeht. Das tat er und ich nutze den Drehmomentüberschuss. Wenn man sich die Bilder ansieht, glaubt man eine plötzliche Beschleunigung zu sehen, aber das scheint nur so, weil er zu lange einen Wheelie hatte und Schwung verlor, so dass ich außen vorbei konnte.

Manche glauben, das war der Wendepunkt in der Meisterschaft. Stimmst du zu oder nicht?
Casey Stoner: Nein, da muss ich komplett Widersprechen. Danach wendete sich das Blatt wieder und drehte sich noch einmal. Es gibt ständig Wendepunkte in der Meisterschaft. Ich lasse jedes Rennen einen verschiedenen Wendepunkt sein. Dieses Rennen musste kein Wendepunkt sein. Es gibt immer unterschiedliche Momente, die man laufen lassen soll.