Nimmt das Kräfteverhältnis in Moto2 und Moto3 bereits deutliche Züge an? Nur eine Woche nach den wetterbedingt wenig aussagekräftigen Tests in Valencia trafen sich die mittlere und kleine Klasse der Motorrad-Weltmeisterschaft im südspanischen Jerez de la Frontera zu neuerlichen Probefahrten - mit klaren Ergebnissen.

Während in der mittleren Klasse vor allem der Franzose Johann Zarco, Sam Lowes und Weltmeister Tito Rabat mächtig den Gashahn aufdrehten, standen die Sessions der Moto3 meist klar im Zeichen von Supertalent Fabio Quartararo.

Nach schwierigen und kühlen Bedingungen am Dienstag erwarteten die Piloten am Mittwoch und Donnerstag beste Testbedingungen. Auch die deutschen Piloten Sandro Cortese und Jonas Folger blühten auf. Doch wie erging es den weiteren deutschsprachigen Fahrern? Motorsport-Magazin.com liefert wie immer die wichtigsten Antworten zum Test:

Jetzt schon eine Klasse für sich? Fabio Quartararo beherrschte die Moto3-Tests bislang nach Belieben, Foto: motogp.com
Jetzt schon eine Klasse für sich? Fabio Quartararo beherrschte die Moto3-Tests bislang nach Belieben, Foto: motogp.com

Wer setzte die positiven Glanzlichter?

Mit der schnellsten jemals in Jerez gemessenen Moto2-Zeit von 1:42.121 Minuten und insgesamt drei Sessionbestzeiten drückte Johann Zarco den Tagen in Valencia klar seinen Stempel auf. Der Ajo-Motorsport-Pilot war bereits am kühlen ersten Tag der schnellste Mann, steigerte sich im Warmen jedoch noch einmal beträchtlich. Bereits in der Vorwoche in Valencia entschied der Franzose die Tests für sich. Zarco ist in der Mittelklasse momentan klar der Mann der Stunde.

Wie bereits in Valencia war der Brite Sam Lowes in Jerez erneut zweitschnellster Mann im Feld (1:42.165), beeindruckte im Süden Spaniens jedoch zusätzlich mit selten offenbarter Konstanz. In den drei Dienstags-Sessions landete Lowes jeweils auf dem zweiten Rang, entschied die nächsten vier Einheiten gar allesamt für sich. Nur am Freitagmittag ließ Lowes - wohl dem Testprogramm geschuldet - etwas nach. Dennoch gehört er ohne Zweifel zu den Gewinnern des Testauftakts.

Weltmeister Tito Rabat (1:42.392) sicherte sich wie bereits in der Vorwoche den dritten Rang bei den Tests. Dass der Marc-VDS-Pilot sicher nicht alle Pfeile im Köcher verschossen hat, liegt dabei klar auf der Hand. Das Arbeitstier Rabat sammelte fleißig Kilometer und testete unerlässlich an seiner Rennmaschine.

Weltmeister Tito Rabat tummelt sich erwartungsgemäß weit vorne im Feld der Moto2, Foto: Marc VDS
Weltmeister Tito Rabat tummelt sich erwartungsgemäß weit vorne im Feld der Moto2, Foto: Marc VDS

Als einer von insgesamt sieben Piloten blieb Rabat im pfeilschnellen Feld der Moto2 unter dem alten Rundenrekord von Stefan Bradl (1:42.706) aus dem Jahr 2011. Auch Axel Pons (1:42.410), Luis Salom (1:42.484) sowie das deutsche Duo Cortese (1:42.566) und Folger (1:42.625) glänzten mit ansprechenden Leistungen.

In der Moto3 stelle das französische Supertalent Fabio Quartararo mit seiner Zeit von 1:45.580 Minuten nicht nur deutlich einen neuen inoffiziellen Rundenrekord auf (-0,593), sondern holte bei seinem WM-Debüt binnen sieben Tagen bereits zum zweiten Mal die absolute Bestzeit.

Nach einem verhaltenen Jerez-Auftakt am kühlen Dienstag fing Quartararo mit steigender Temperatur förmlich Feuer, brannte in fünf der nächsten sechs Sessions die Bestzeit in den Asphalt. Zudem erwies sich der 15-Jährige als Arbeitstier, spulte ab dem Mittwoch kaum fassbare 165 Runden ab - mit Abstand die meisten im Feld. Wenig überraschend lagen auch seine Longruns durchweg in der Spitzengruppe.

Auch Mapfre-Mahindra-Fahrer Jorge Martin (1:45.593), Leopard-Racing-Pilot Danny Kent (1:45.964) und Niccolo Antonelli unterboten Jack Millers offiziellen Pole-Rekord von 1:46.173 Minuten, überzeugten somit zumindest auf eine schnelle Runde.

Wie schlugen sich die deutschsprachigen Piloten?

Während vor allem Cortese (6.)nach seinem durchwachsenen Auftritt der Vorwoche in Valencia (19.) einen deutlichen Sprung nach vorne machte, behielten Folger (7.)und auch Schrötter (13.) ihr Niveau weitestgehend bei. Einen Rückschlag zu verkraften hatte hingegen Spitzenpilot Tom Lüthi. Der WM-Vierte des Vorjahres kam in Jerez nie wirklich in die Gänge, landete lediglich auf dem zehnten Gesamtrang.

Sandro Cortese blickt nach positive Tests in Jerez wieder beruhigter in die Zukunft, Foto: Intact GP
Sandro Cortese blickt nach positive Tests in Jerez wieder beruhigter in die Zukunft, Foto: Intact GP

Desaströs verliefen die Jerez-Tests hingegen für das deutschsprachige Quintett Dominique Aegerter (18.), Robin Muhlhauser (25.), Randy Krummenacher (26.), Florian Alt (28.) und Jesko Raffin (29.). Mit einem Rückstand von 1,2 Sekunden auf die Spitze scheint Aegerter zumindest in dieser frühen Phase der Saison seiner Ausnahmeform des Vorjahres noch deutlich hinterherzuhängen. Das Schluss-Quartett bestätigte traurigerweise die Eindrücke der Vorwoche.

Moto3-Pilot Philipp Öttl wurde den hohen Erwartungen nach seinem Wechsel von Kalex zu KTM einmal mehr nicht gerecht, belegte mit deutlichem Rückstand von 1.562 Sekunden lediglich den enttäuschenden 21. Rang. Gegenüber dem Test in Valencia steigerte sich Öttl zwar um zwei Positionen - der Rückstand zur Spitze blieb jedoch nahezu unverändert. Der Deutsche wird sich nun mächtig strecken müssen, soll ihm 2015 ein positiver Aufschwung gelingen.

Wer blieb hinter den Erwartungen zurück?

Außerhalb der deutschsprachigen Piloten zeigten sich vor allem Vizeweltmeister Mika Kallio (14., + 1.101), Moto3-Weltmeister Alex Marquez (16., +1.133) sowie Simone Corsi (17., +1.166) weiter von der Musik entfernt als erwartet. Nach dem besten Jahr seiner Karriere 2014 auf Marc VDS scheint sich der Finne Kallio nach seinem Wechsel zu Italtrans wieder weiter nach hinten orientieren zu müssen.

Marquez zeigte gegenüber dem wettertechnisch ungemütlichen Test in Valencia immerhin bereits einige Fortschritte, wird die Zeit bis zum Saisonstart jedoch noch intensiv nutzen müssen, will er von Beginn an eine Rolle spielen. Auf dem Weltmeister-Bike hat er definitiv schlagkräftiges Material zur Verfügung, was den Druck auf ihn nicht gerade schmälern dürfte.

Alex Marquez hat bis zum Saisonstart noch eine Menge Arbeit vor sich, Foto: Marc VDS
Alex Marquez hat bis zum Saisonstart noch eine Menge Arbeit vor sich, Foto: Marc VDS

Im Feld der Moto3 blieben vor allem die WM-Anwärter Enea Bastianini (12., +1.120), Romano Fenati (14., +1.162) und Miguel Oliveira (15., +1.194) deutlich unter ihren Möglichkeiten. Trotz bester Testbedingungen rutschten alle drei gegenüber ihrer Leistungen in Valencia in der Vorwoche deutlich ab. Efren Vazquez belegte am Ende der Jerez-Tests zwar lediglich den letzten Rang, fällt aufgrund einer gravierenden Fußverletzung jedoch quasi aus der Wertung.

Welche Aussagekraft hat der Test?

Testfahrten bleiben zwar Testfahrten und sollten keinesfalls als unumstößlicher Maßstab gewertet werden, jedoch gaben die drei Tage in Jerez definitiv eine deutlichere Vorschau auf das aktuelle Kräfteverhältnis im Feld der Moto2 und Moto3 als die Tests im kalten und verregneten Valencia in der Vorwoche.

Dass sich Moto2-Weltmeister Rabat auch dieses Jahr wieder in der Spitzengruppe tummeln wird, ist deutlich mehr als nur ein offenes Geheimnis. Auch Zarco scheint noch einmal stärker als in der erfolgreichen Vorsaison (WM-Sechster, vier Podien), wird seine enorme Leistung jedoch in den Rennen beweisen müssen. Selbiges gilt für Lowes, der nichtsdestotrotz einen gewaltigen Sprung gegenüber dem Vorjahr gemacht zu haben scheint.

Aus Sicht des Quartetts Cortese, Folger, Lüthi und Aegerter bleibt zu hoffen, dass die Leistungskurve in den kommenden Wochen (weiter) nach oben zeigt. Alle sollten aber permanent mindestens um die Top-10 kämpfen können. Im extrem engen Feld der Moto3 sind Prognosen hingegen deutlich schwieriger zu treffen.

Dass das Ausnahmetalent Quartararo jedoch bereits als Rookie massiv von sich reden machen sollte, liegt auf der Hand. Es scheint bereits so, als sei der Estrella-Galicia-Pilot der Mann, den es zu schlagen gilt.