Wie würdest du die erste Rennhälfte 2012 einschätzen?
Stefan Kiefer: Bis jetzt ist es eine enttäuschende Saison und wir waren uns eigentlich sicher, dass wir regelmäßig in die Top-15 fahren. Dabei haben wir uns bewusst keine zu hohen Ziele wie die Top-5 gesetzt. Wir dachten schon, dass wir es immer unter die ersten 15 schaffen. Dieses Ziel haben wir bisher ganz klar nicht erfüllt. Deshalb sind wir - wie auch Max [Neukirchner] - von der bisherigen Saison enttäuscht.

Liegt das nun am Material, am Fahrer oder ist es eine Mischung?
Stefan Kiefer: Das Material ist aus 2012, wie es alle anderen auch haben. Die Mannschaft ist komplett identisch und wir haben die gleiche Unterstützung von Kalex, die gleichen Techniker von Öhnlins wie schon bei Stefan Bradl. Da hat sich nichts geändert. Max hat einen riesigen Grundspeed, er ist hoch motiviert und gibt immer alles. Wir glauben, dass er einfach nicht genug Verständnis dafür hat, die Moto2-Maschine zu bewegen. Da liegt unserer Meinung nach das Problem.

Wird die Kluft zwischen Kalex und Suter größer oder täuscht der Eindruck?
Stefan Kiefer: Nein, das täuscht. Ich glaube, dass die Fahrwerke insgesamt - egal ob das Suter, Kalex, FTR, TSR oder was auch immer - gar nicht so weit auseinanderliegen. Was wir ganz klar sehen ist, dass der Fahrer besonders in der Moto2 die alles entscheidende Person ist.

Max ist sehr schnell, daran gibt es gar keinen Zweifel. Aber in wieweit spielt der Kopf noch mit, wenn es lange nicht so läuft wie es laufen sollte?
Stefan Kiefer: Ich kenne Max erst seit diesem Jahr. Wir versuchen wirklich alles und egal, was wir ändern, wir kommen irgendwie nicht weiter voran. Es gibt nicht einmal einen Schub, bei dem wir sagen können 'das geht überhaupt nicht' oder 'das ist jetzt gut'. Wir bewegen uns immer auf einem relativ niedrigen Level - was die Rundenzeiten angeht. Das ist für Max sicherlich nicht förderlich. Irgendwie muss er versuchen da herauszukommen. Ich glaube, dass wir ihm für die Moto2-Verhältnisse das geben, was man braucht. Ich glaube, er sucht nach einem Gefühl, was wir nicht wirklich geben können. Wir reden hier von Prototypen-Chassis und wirklich harten Fahrwerken und dementsprechend muss man auch seinen Fahrstil anpassen.

Gerüchte bleiben in derartigen Fällen bekanntermaßen nicht aus. Habt ihr bereits über einen Fahrerwechsel nachgedacht?
Stefan Kiefer: Nein, wir haben definitiv nicht darüber nachgedacht. Das habe ich auch ganz klar gesagt. Von unserer Seite aus fährt er bis zum Ende der Saison, es sei denn, er sagt von sich aus, dass er nicht mehr für uns fahren will. Dann können wir das nicht ändern, aber wir stehen dazu. Wir ziehen die Saison durch und bringen sie zu Ende.

Die Kiefer Truppe zieht mit Max Neukirchner durch, Foto: Kiefer Racing
Die Kiefer Truppe zieht mit Max Neukirchner durch, Foto: Kiefer Racing

Am Ende seid ihr zwar recht plötzlich getrennte Wege gegangen, aber bist du trotzdem stolz darauf, dass du dabei mitgeholfen hast Stefan Bradl dahin zu bringen, wo er jetzt ist?
Stefan Kiefer: Ja auf jeden Fall. Stefan war vier Jahre bei uns. Im Laufe der vier Jahre gab es auch sicherlich viele Entscheidungen zu treffen, die von uns gefällt wurden und Stefan dahin gebracht haben, wo er jetzt ist. Ich mache mir jetzt weniger Gedanken darüber, ob man darauf stolz sein kann oder nicht. Ich weiß, dass Stefan vier Jahre bei uns fuhr und wir mit ihm einigermaßen erfolgreich waren. Dass es zum Ende letzter Saison dann so kurzfristig nicht zu einer Vertragsverlängerung kam, war sehr ärgerlich und auch bedauerlich. Aus sportlicher Sicht kann man seine Entscheidung natürlich nachvollziehen, wenn man ein solches Angebot von Honda bekommt. Man sieht ja, was er momentan in der MotoGP schafft und das ist ordentlich. Für ihn war es aus sportlicher Sicht sicherlich die richtige Entscheidung. Am Ende der Saison 2011 ist unser Verhältnis auch anständig auseinandergegangen.

Du bist nun schon lange Zeit im Rennsport unterwegs. Hättest du jemals gedacht, dass man dein Team einmal als Weltmeisterteam bezeichnen würde?
Stefan Kiefer: Nein, definitiv nicht. Wir konnten uns es auch früher nicht vorstellen, dass wir einmal Internationaler deutscher Meister oder Vize-Europameister werden. Als wir dann in die WM gegangen sind, haben wir direkt gemerkt, wie hoch die Trauben hängen und waren wir froh, wenn wir einmal in die Punkte gefahren sind. Aber mit der Zeit entwickelt sich eben alles, man bekommt den richtigen Fahrer und die richtigen Leute ins Team und dann ist wie im letzten Jahr mit dem Moto2-WM-Titel alles möglich. Es ist auch immer eine finanzielle Geschichte. Da muss ich ganz ehrlich sagen, wäre die 250er-WM so geblieben, also hätte ein gutes Bike weiter 1,5 Millionen gekostet und wir hätten weiter mit einem Production Racer fahren müssen, weil wir einfach nicht genug Geld gehabt hätten, dann wären wir vermutlich nie Weltmeister geworden. So gesehen war die Moto2 eine Klasse, in der eine große Chancengleichheit herrscht. Deshalb konnten wir Weltmeister werden. Wir hätten wohl nie eine Werks-250er leasen können, weil wir dazu einfach nicht das Geld hatten und damit wären wir verloren gewesen.

Auch die kleine Klasse ist als Moto3 jetzt ausgeglichener und günstiger. Wäre das auch eine Option für dich?
Stefan Kiefer: Ja, auf jeden Fall. Es wird sich zeigen, ob wir die Plätze bekommen, aber wir werden für das nächste Jahr definitiv versuchen, einen Fahrer in der Moto3 und einen in der Moto2 an den Start zu bringen. Das könnten theoretisch auch jeweils zwei sein, aber ein Fahrer in jeder Klasse würde mir schon sehr gefallen.

Was wäre euer Wunsch-Motorrad in der Moto3?
Stefan Kiefer: Das hängt sehr vom Fahrer ab. es könnte eine Kalex-KTM sein, eine FTR-Honda, also alles Mögliche.

Gesetzt dem Fall, Marcel Schrötter ist für nächstes Jahr noch verfügbar - wäre das ein Kandidat für euch?
Stefan Kiefer: Sicher ist das ein Kandidat für die kommende Saison. Da müssen wir uns einmal unterhalten, bisher gab es noch keine Gespräche, aber es wäre eine denkbare Variante.

Wäre Marcel Schrötter deiner Meinung nach besser in der Moto3 oder in der Moto2 aufgehoben?
Stefan Kiefer: Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, dass der Marcel auch noch in der Moto3 fahren könnte.