Stefan Bradl: 21 Jahre jung, Moto2-Pilot und seit wenigen Minuten offiziell auch Moto2-Weltmeister 2011. Er selbst bezeichnet sich als Denker. "Ich bin ein schneller Hund, glaube ich, aber auch einer, der den Kopf einsetzt, wenn er gebraucht wird", äußerte er gegenüber Motorsport-Magazin.com. Leicht hatte es der Bayer allerdings selten...

Die Karriere des Kiefer Piloten kennt alle Aufs und Abs. Das hat ihn stark gemacht und deswegen ist er die größte Hoffnung des deutschen Motorradsports. Der Glaube an die zweite Chance ist ein verträumter. Nur zu gerne gehen wir davon aus, noch einmal von vorne beginnen zu können, wenn wir einen Fehler begehen. Nur zu oft ist dem nicht so. Vor allem im harten Geschäft des Rennsports sind zweite Chancen rar gesät. Ist man dort einmal weg vom Fenster, ist es nur schwer, sich wieder ins Rampenlicht zu spielen. Viele junge Karrieren haben vorzeitig geendet, ohne die Möglichkeit einer Wiederbelebung zu erlangen.

Zu weich und untauglich

So wäre es auch beinahe Bradl ergangen, dessen Motorrad-Laufbahn im Jahr 2007, als er gerade einmal 17 Jahre alt war, bereits beendet schien. Am 14. Februar des besagten Jahres erklärte er seinen Rücktritt, weil er nicht gewillt war, Alberto Puigs Anweisung zu folgen und zur Saisonvorbereitung sieben Wochen durchgehend in Spanien zu verbringen. Als zu weich und daher untauglich wollten ihn viele damals bereits abstempeln und nun ist er das heißeste Eisen, das Deutschland im Motorradsport zu bieten hat.

Stefan Bradl hatte nicht nur leichte Zeiten, Foto: KTM/Milagro
Stefan Bradl hatte nicht nur leichte Zeiten, Foto: KTM/Milagro

Die Väter von Bradls zweiter Chance sind schnell benannt: da war zunächst das Blusens Team, das ihn 2007 beim Rücktritt vom Rücktritt unter Vertrag nahm und dann die Kiefer-Mannschaft, bei der er seit 2008 unterwegs ist. Mit Kiefer gelang ihm sein erster Grand-Prix-Sieg, mit Kiefer stieg er von der 125cc-Klasse in die Moto2 auf und mit Kiefer wurde er in diesem Jahr der erste deutsche Motorrad-Weltmeister seit Dirk Raudies im Jahr 1993.

Daher verwundert es auch nicht, wenn Bradl bereits als die nächste große MotoGP-Hoffnung aus deutscher Sicht gefeiert wird. Das nötige Rüstzeug dafür scheint er zu haben. Die schweren Zeiten der Vergangenheit haben ihn stark gemacht. Er weiß mittlerweile, wie er mit Erfolg und mit Niederlage umzugehen hat. Zudem ist er nicht nur schnell, sondern hat auch die nötige Konstanz gefunden, die gerade in einer Klasse wie der Moto2 als das Um und Auf gilt, um sich am Ende einer langen Saison an der Spitze des Klassements zu behaupten.

Auf dem Boden bleiben

Bradls größter Vorteil scheint dabei zu sein, dass er weiter geerdet bleibt. Er weiß, wie groß der Anteil des Teams an seinem Erfolg ist und ist dankbar dafür. Er weiß auch, wie wichtig der familiäre Rückhalt für ihn ist und genießt es, zuhause seinen sicheren Hafen zu haben. Und obwohl er im PS-Geschäft zeigt, dass er auch knallhart kalkulieren kann, wenn es darum geht, das Beste herauszuholen, hat er seinen Humor nicht verloren. Er ist noch nicht zu einem Rennroboter verkommen, sondern weiß, wann es Zeit ist, den Moment zu genießen.

Die ständigen Höhen und Tiefen haben den Deutschen allerdings geprägt. "Ich habe ja schon einiges durchgemacht. Das kann ich jetzt ganz gut anwenden und deswegen möchte ich jetzt auch nicht zu stark in Euphorie verfallen, denn ich kenne auch die andere Seite von diesem Sport. Deshalb bleibe ich auch mit beiden Füßen auf dem Boden", erklärt er. Das hilft ihm auch dabei, nicht zu verkrampfen, wenn es einmal nicht läuft, etwa nach einem Sturz wie in Assen. Er kennt die Situation, wenn man ganz unten ist und hat nur zu gut erfahren, dass es mit Krampf dort nicht hinausgeht. So gesehen schafft er den richtigen Spagat zwischen Lenken und Denken, der gerade in den obersten Sphären des Spitzensports den entscheidenden Unterschied ausmacht.

Zu Saisonbeginn hätte der Zahlinger allerdings in keinster Weise mit diesem Erfolg gerechnet. "Es geht ja wirklich sehr, sehr gut. Wir sind auf einem optimalen Weg und die aktuelle Leistung ist einfach hervorragend. Ich versuche, das jede Sekunde zu genießen und das ist mir auch sehr wichtig. Wenn mir das aber vor der Saison jemand gesagt hätte, dass ich in der WM so weit vorne bin, hätte ich nur gemeint, schön wär's", gab er gegenüber Motorsport-Magazin.com zu.

Nur ein Sturz

In dieser Saison gelang es Bradl allerdings mit einer unglaublichen Konstanz zu punkten. Im Vergleich zu seinem Kontrahenten Marc Marquez, der den Titelkampf vorzeitig absagen musste, schmiss Bradl das Bike nur ein Mal in den Kies. "Es sind sehr viele da, die ganz vorne mitmischen können. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Konstanz und die sieht bei uns bislang sehr, sehr gut aus", verriet er sein Geheimnis.

Das Team bildet die treibende Kraft, Foto: Kiefer Racing
Das Team bildet die treibende Kraft, Foto: Kiefer Racing

Ein weiterer wichtiger Faktor sei seine Crew: "Ich fühle mich sehr, sehr wohl im Team. Wir sind alle miteinander über den Winter sehr stark gewachsen. Kiefer hat sich zu einem tollen Team entwickelt, was auch mich sehr stolz macht. Wir sind gemeinsam gewachsen, haben uns sehr stark weiterentwickelt und ich bin sehr stolz, dass ich den Jungs mit dem Erfolg etwas zurückgeben kann. Denn die Leute arbeiten Tag und Nacht für mich und tun alles, damit ich Erfolg habe. Wir ziehen alle an einem Strang und momentan ist es für uns alle wie in einem Traum."

Der Moto2-Titel an diesem Wochenende in Valencia wird allerdings vom tragischen Unfall Marco Simoncellis vor knapp zwei Wochen in Malaysia überschattet. "Deswegen sage ich auch, man muss auf dem Boden bleiben", sagte Bradl, der genau weiß, dass im Rennsport alles von einem Tag auf den anderen komplett anders aussehen kann. Der Kalex Pilot wünscht sich einfach nur gesund zu bleiben und weiter gute Leistung zu zeigen. "Das wäre für mich ein Traum."

Neben seinen bescheidenen Zukunftswünschen bleibt Bradl auch im Privatleben auf dem Boden. "Die Resonanz zu Hause ist natürlich stärker geworden, mein Gesicht wird öfter erkannt und ich bin einfach bekannter. Aber grundsätzlich hat sich nichts geändert, ich bin immer noch mit meiner Familie so beisammen wie sonst auch immer. Das ist mir sehr wichtig", schloss er ab.