Monsieur Henry-Biabaud, wie wichtig ist ein Sieg in Le Mans für Michelin?
Frédéric Henry-Biabaud: Es ist unser Heimspiel! Hier geschlagen zu werden, kommt für uns nicht in Frage. Dabei hilft es uns natürlich, dass wir hervorragende Teams ausrüsten, aber diese Top-Teams haben uns auch aus gutem Grund als Partner ausgewählt - wir bieten ihnen die besten Pneus und den besten Service. Bei den 24 Stunden von Le Mans brauchst du einen Reifenpartner, der alles über das Rennen weiß. Und sie können sich darauf verlassen: Wir werden trotz unserer Siegesserie und Favoritenstellung nicht nachlassen - eine falsche Entscheidung reicht, um unseren Ruf zu beschädigen.

Der Bib will wieder gewinnen., Foto: Patching/Sutton
Der Bib will wieder gewinnen., Foto: Patching/Sutton

Stichwort Siegesserie: Michelin rüstet rund 60 Prozent des Feldes aus - da sind zehn Siege in Folge doch kein so großes Kunststück, oder?
Frédéric Henry-Biabaud: Wir wünschen uns ehrlich, mehr starke Gegner zu haben, aber wir können ja auch nicht absichtlich schlechtere Leistungen bringen. In Le Mans demonstrieren wir nicht nur den Wert erstklassiger Reifen, wir zeigen unseren Partnern auch, dass wir den extremsten Herausforderungen gewachsen sind. An einer Monopolstellung hatten wir nie Interesse - im Gegenteil: Ich hoffe, dass die verstärkte Berichterstattung über den Langstreckensport bald auch weitere Wettbewerber anzieht - vor allem andere Reifenhersteller.

Sieht Michelin den Langstreckensport als langfristige Aufgabe?
Frédéric Henry-Biabaud: Unser Engagement ist auf viele Jahre angelegt, ich gehe sogar davon aus, dass wir es noch intensivieren. Das hängt aber davon ab, wie sich die weltweite Wahrnehmung des Langstreckensports entwickelt. Wir fahren Langstreckenrennen, weil sie unser natürliches Revier sind. Hier kommen unsere Markenwerte und die Philosophie all unserer Produkte klar zum Tragen: Performance, Konstanz, Langlebigkeit - ganz gleich, ob über 100 oder 100.000 Kilometer.

Warum genießen die 24 Stunden von Le Mans so eine Sonderstellung?
Frédéric Henry-Biabaud: Le Mans ist einzigartig und buchstäblich mit nichts anderem zu vergleichen. Es ist der Brennpunkt der Zusammenarbeit mit unseren Partnern und ein Event mit riesiger Publikumswirkung. In diesem Jahr steht für uns das Ziel im Vordergrund, durch Erfolge auf der Rennstrecke unsere Beziehungen zu den Herstellern weiter zu stärken. In meinen Augen bilden Le Mans, die Le Mans Series LMS und die American Le Mans Series ALMS eine Weltmeisterschaft. Diese drei Titel sind Teil desselben Pakets - und wir möchten sie alle gewinnen.

Michelin ist bereit für 24 Stunden Rennaction., Foto: Patching/Sutton
Michelin ist bereit für 24 Stunden Rennaction., Foto: Patching/Sutton

Monsieur Bonardel, trotz der meist feuchten Strecke war bei den Vortests zu erahnen, dass die Top-Teams deutlich schneller unterwegs sein werden als 2008. Machen Sie sich aus Sicht des Reifeningenieurs Sorgen wegen der verschärften Gangart in Le Mans?
Matthieu Bonardel: Das beunruhigt uns in keiner Weise. Wir wussten, dass die Teams auf trockener Fahrbahn viel schneller fahren würden als im Vorjahr. Damals lagen die schnellsten Runden in Qualifying und Rennen knapp unter 3.30 Minuten, in diesem Jahr greifen wir die 3.20-Grenze an. Seit dem Vortest ist klar, dass ähnliches auch bei Regen gilt. Die LMP1-Spitzenteams fahren auf nasser Strecke jetzt zwischen zehn und 15 Sekunden pro Runde schneller.

Informieren die Teams Sie regelmäßig über ihre technischen Fortschritte?
Matthieu Bonardel: Die Leistungsexplosion geht vor allem auf den Wettkampf zwischen Audi und Peugeot zurück. Beide Teams öffnen uns ihre Türen und lassen uns an der Entwicklung teilhaben. Dieser Austausch erfolgt kontinuierlich und regelmäßig. Auf diese Weise können wir Trends wie die schärfere Gangart vorhersehen. Um in Le Mans einen Gewinn von fünf Sekunden pro Runde zu erzielen, müssen die Autos die Reifen stärker belasten - deshalb haben wir uns auf die Haltbarkeit konzentriert und unsere gesteckten Ziele erreicht. Unsere Pneus glänzen weiter durch höchste Zuverlässigkeit, obwohl die Performance der Prototypen gestiegen ist.

Werden die Top-Teams unterschiedliche Reifentypen wählen?
Matthieu Bonardel: Das haben wir nicht zu entscheiden - aber wir beraten die Teams intensiv. Sie können frei wählen, ob sie weiche, mittlere oder harte Laufflächenmischungen bevorzugen. Das hängt stark von den Strategien der Teams für die einzelnen Autos ab. Am Ende des Vortests entschieden sich Audi und Peugeot für unterschiedliche Reifentypen. Die Haltbarkeit dieser verschiedenen Typen hängt von den Streckenbedingungen ab - ist aber immer so hoch, dass du nach 15 Runden noch keinen Unterschied entdecken wirst.