Der 13,629 Kilometer "Circuit des 24 Heures" gilt als eine der faszinierendsten Rennstrecken der Welt, auf der keine Testfahrten möglich sind. Die neun Audi-Piloten über die wichtigsten Streckenabschnitte – in alphabetischer Reifenfolge von B wie Bernhard bis T wie Tréluyer.
Eine Runde in Le Mans
Timo Bernhard über die Dunlop-Schikane:
Es ist schon, bei Start und Ziel an der
Haupttribune vorbeizufahren. Rechts hat man die Crew und die Boxengasse mit der
Boxentafel, auf die man achten muss. Links ist die vollbesetzte Haupttribüne. Da
sieht man die Begeisterung der Fans für dieses Rennen. Die erste Kurve geht fast
voll. Das Schwierige ist, dass man direkt danach anbremsen muss, um in die Dunlop-
Schikane einzulenken. Man muss noch in der Kurve bremsen, deshalb wird das Heck
recht leicht. Die Schikane an sich ist sehr langsam. Man darf nicht zu sehr über die
Randsteine abkürzen. Das ist zwar schneller, aber man kann sich einen
Reifenschaden einfangen oder den Frontsplitter beschädigen.
Dindo Capello über die S du Tertre Rouge:
Die S-Kurven von Tertre Rouge sind die
ersten Kurven nach dem Übergang vom Bugatti-Kurs auf die lange Rennstrecke. Der
Asphalt wechselt an dieser Stelle. Man fühlt das recht stark. Man nähert sich dieser
Kurve mit rund 250 km/h. Man muss bremsen und zwei Gänge herunterschalten.
Beim Einlenken in die erste Linkskurve befindet sich eine große Bodenwelle, die das
Auto unruhig machen kann. Man darf nicht zu aggressiv über die Randsteine auf der
Innenseite fahren, weil man leicht die Aufhängungen oder eine Felge beschädigen
kann. Optimal ist es, so nah wie möglich an den Randstein zu fahren, denn da ist die
Bodenwelle am wenigsten zu spüren.
Romain Dumas über Tertre Rouge:
Diese Kurve ist nicht so einfach, wie sie
aussieht. Man kommt ziemlich schnell an und man muss viel Schwung aus der Kurve
mitnehmen, weil anschließend eine lange Gerade folgt. Wir erinnern uns alle noch daran, was Mike (Rockenfeller) vor zwei Jahren an dieser Stelle passiert ist. Die
Randsteine am Kurvenäußeren sind nicht flach, sondern ziemlich aggressiv. Wenn
man zu stark über sie fahrt, kann man das Auto verlieren – und die
Streckenbegrenzung ist angesichts der hohen Geschwindigkeit nicht weit entfernt.
Wie in den Porsche-Kurven muss man in dieser Kurve im Rennen immer etwas
Sicherheitsreserven einplanen. Denn wenn man hier einen Fehler macht, ist das
Rennen beendet.
Marcel Fässler über die Hunaudières-Gerade:
Die Hunaudieres-Gerade ist sehr
lang. Besonders nachts hat man das Gefühl, sie will eigentlich nie enden. Vor allem
wenn man alleine unterwegs ist und man vorne und hinten kein Auto hat, fühlt sich
das extrem lange an. Die Gerade selber ist eigentlich nicht so anspruchsvoll, wie
man sie sich immer vorstellt. Aber man muss natürlich immer voll konzentriert
sein, denn die Geschwindigkeits-Unterschiede zwischen den Prototypen und den GTAutos
sind doch recht groß. In die Schikanen hinein ist es schwierig, den Speed
schon mitzunehmen, weil man in Le Mans mit sehr wenig Abtrieb fahrt. In der
zweiten Schikane ist der Ausgang trickreich. Vor allem wenn es feucht ist, ist es da
eine ziemlich heikle Angelegenheit.
Tom Kristensen über Mulsanne:
Man kommt mit nahezu Höchstgeschwindigkeit
an. Kurz vor der Kurve ist ein kleiner Knick und eine Bodenwelle – und zwar ziemlich
genau an der Stelle, an der man bremsen muss. Deshalb kann das Auto beim
Bremsen recht unruhig werden. Die Kurve nimmt man im zweiten Gang, am
Ausgang kann man etwas über die Randsteine fahren. Charakteristisch ist, dass man
von der breiten Hundaudieres-Gerade kommt, auf der man sogar die Flachen rechts
und links neben der Fahrbahn benutzen kann, und in Mulsanne plötzlich auf einen
viel schmaleren Streckenteil einbiegt, auf dem es sehr schwierig ist, ein Auto, das
vor dir fahrt, zu überholen.
André Lotterer über Indianapolis:
Indianapolis ist eine gute Kurve, die sehr viel
Spaß macht und für viele Fahrer eine der Lieblingskurven ist. Man kommt mit sehr
hohem Speed an und fahrt mit über 300 km/h voll in die Kurve hinein. Man bremst
erst in der Kurve und spürt dabei die hohen Fliehkräfte. Man bekommt sehr viel
Feedback vom Auto. In die folgende Links darf man nicht zu schnell fahren, denn
man kann dort leicht raus rutschen. Es kann hier passieren, dass man bis nach
Arnage warten muss, wenn man ein langsameres Auto überholen mochte.
Allan McNish über Arnage:
Man kommt aus einer sehr schnellen Passage mit über
300 km/h Geschwindigkeit nach Arnage und muss dort für die Rechtskurve auf rund
80 km/h bremsen. Das ist nicht nur für das Auto schwierig, sondern auch für dich im
Kopf. Die Bremsen sind vom Anbremsen der Kurve davor ziemlich heis. Der Asphalt ist oft ziemlich rutschig. Wenn man einen Fehler macht, landet man schnell in den
Leitplanken, weil die Auslaufzone sehr klein ist. Der Kurvenausgang ist nicht mehr
so schwierig wie früher, weil die Bodenwellen geglättet wurden und die Strecke
etwas breiter ist. Aber man muss noch immer aufpassen, dass das Heck auf den
Randsteinen nicht ausbricht. Man muss präzise sein und so früh wie möglich
beschleunigen.
Mike Rockenfeller über die Porsche-Kurven:
Die Porsche-Kurven in Le Mans sind
meine absolute Lieblingspassage. Man kommt mit Höchstgeschwindigkeit an und
bremst nur ganz wenig. Beim Anbremsen ist es etwas wellig. Man braucht ein sehr
neutrales und gutes Auto, speziell auf der Vorderachse beim Einlenken. Das sind
Kurven, wo du mit etwas Risiko und Mut noch Zeit herausholen kannst, was im
Rennen im Verkehr aber schwierig ist. Da fährt man außen auf dem Gummiabrieb an
den anderen vorbei. Dabei kann man viel Zeit verlieren oder auch gewinnen. Von
daher ist es eine ganz wichtige Stelle. Da merkt man, ob ein Auto aerodynamisch
funktioniert oder nicht.
Benoît Treluyer über die Ford-Schikane:
Die Schikane sieht ganz simpel aus, ist
aber in Wirklichkeit eine schwierige Kurve. Der erste Teil der Schikane ist recht
schnell. Das Anbremsen ist sehr interessant. Man lenkt in Höhe der Boxeneinfahrt
ein und kann innen ziemlich zugig über die Randsteine fahren. Am Ausgang des
zweiten Teils kommt es darauf an, gute Traktion zu finden, um möglichst viel
Geschwindigkeit mit auf die Start-Ziel-Gerade mitzunehmen. Dabei darf man nicht
zu sehr über die Randsteine räubern, weil man den Splitter oder andere Teile am
Auto beschädigen kann. Entscheidend ist, die enorme Kraft des TDI-Motors richtig
auf den Boden zu bringen, ohne zu sehr abzukürzen. Den richtigen Rhythmus zu
finden, ist nicht einfach. Aber es macht Spaß.
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