Liebe Motorsport-Magazin.com-Leser,

wegen der Absage des Deutschland GPs war die Pause leider etwas länger. Ich wäre gerne schneller wieder im Cockpit gesessen, vor allem nach dem Wochenende in Silverstone. Pole Position und Sieg in Lauf eins waren super! Und das, obwohl die Vorzeichen nicht gut waren: Ich reiste mit einer Lebensmittelvergiftung nach Silverstone, die ich mir zuvor in Paris eingefangen habe. Wir waren bei 40 Grad in einem chinesischen Restaurant essen und der Fisch war wohl nicht die cleverste Wahl. Mir ging es wirklich nicht gut. Aber sobald man im Cockpit sitzt, hat man seine Gedanken wo anders, da geht alles von alleine - als wenn nichts wäre.

Der Zweikampf mit Emil Bernstorff war sehr spannend. Ich habe gegen Rennende gemerkt, dass er immer schneller wurde. Bei mir ging es in die andere Richtung. Deshalb war es unglaublich schwierig, ihn hinter mir zu halten. Ich habe alles versucht, was ich in den Jahren zuvor gelernt habe und das hat ganz gut funktioniert. Das war ein sehr besonderer Sieg für mich: Nicht 'nur' vorne weggefahren und dann irgendwann über die Ziellinie fahren, sondern während des gesamten Rennens richtig hart dafür arbeiten.

Marvin Kirchhöfer holte in Silverstone seinen zweiten Saisonsieg, Foto: GP3 Series
Marvin Kirchhöfer holte in Silverstone seinen zweiten Saisonsieg, Foto: GP3 Series

In Rennen zwei ging leider nicht so viel. Ich hatte einen guten Start, aber dann hat die Pace nicht gepasst. Wir hatten etwas am Auto probiert, weil gegen Ende des ersten Rennens die Balance nicht perfekt war. Es war leider nicht die richtige Richtung, aber daran haben wir jetzt zwischen den Rennen gearbeitet.

Deshalb komme ich auch gerade wieder aus Paris. Paris ist fast schon meine zweite Heimat. In diesem Jahr habe ich dort wohl schon drei Wochen verbracht. Aber inzwischen fühle ich mich dort schon sehr wohl, alles ist vertraut. Man weiß, wo was ist. Ich bin gerne dort.

Im Simulator kann nichts kaputt gehen

Wenn ich dort ankomme, fahre ich manchmal gar nicht erst ins Hotel, sondern gleich zu meinem Ingenieur. Er wohnt in der Nähe des Teams und dann haben wir nicht weit in den Workshop. Der eigentliche Test im Simulator dauert nur einen Nachmittag, zuvor sind aber meist noch Teammeetings. Den Simulator teile ich mir dann mit meinen beiden Teamkollegen. Natürlich schaut man auch Mal auf die Zeiten der anderen, aber es ist schwer, sie zu vergleichen: Es gibt keine Tracklimits, die bestraft werden, außerdem fährt man anders über die Kerbs. Im Simulator ist das anders als auf der Rennstrecke.

Dafür kann man das Limit ohne wirkliche Konsequenzen finden. Man dreht sich öfter oder schlägt sogar ein, aber es passiert ja nichts. Es sieht nicht einmal schlimm aus, weil es kein Schadensmodell wie bei den meisten Computerspielen gibt. Da könnte sogar ein Motorsport-Magazin.com-Redakteur keinen Schaden anrichten ;)

Mit einer Playstation oder einer Xbox ist es aber auf keinen Fall zu vergleichen. Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht zu allem, was man in einem Geschäft kaufen kann. Der Simulator bewegt sich, man hat nicht nur einen Controller oder ein Lenkrad in der Hand, sondern man sitzt in einem echten Monocoque. Das ganze Feeling ist anders. Auch die Strecken sind eins zu eins so, wie man sie dann fährt.

Gedrückte Stimmung im Team

Wegen des Todes von Jules Bianchi herrschte im Team eine gedrückte Stimmung. Jules war sehr eng mit ART verbunden. Es ist sehr traurig, was passiert ist, aber leider nicht zu ändern. Die Formel 1 und auch die Nachwuchsserien GP2 und GP3 sind sehr, sehr sicher. Die Fahrer hier sind deutlich erfahrener, als beispielsweise in der Formel 3. Es gibt kaum Formel-Rookies. Das ganze System ist extrem sicher, speziell im Rahmen der Formel 1. Ein gewisses Restrisiko ist immer dabei, aber man denkt darüber nicht wirklich nach.

Sicherheitsbedenken hat Kirchhöfer nicht, Foto: GP3 Series
Sicherheitsbedenken hat Kirchhöfer nicht, Foto: GP3 Series

Angst habe ich nicht, wenn ich ins Auto steige - das sollte man auch nicht haben. Aber Respekt. Mich reizt die Geschwindigkeit, nicht die Gefahr. Mein Reiz ist es, andere im Zweikampf zu besiegen und schnell zu fahren. Das Thema Sicherheit läuft für mich eher im Hintergrund. Man spricht auch mit Fahrerkollegen kaum darüber.

So traurig die Nachrichten von Jules waren, jetzt gilt es, den Fokus wieder auf das Racing zu richten. Mit Budapest habe ich noch eine Rechnung offen. Mit der Strafe aus Hockenheim und Pech im Qualifying lief es dort im letzten Jahr nicht wirklich rund, obwohl ich die Strecke eigentlich mag und wir dort auch schnell waren. Die Vorbereitung lief gut - und diesmal habe ich auch ganz sicher keinen Fisch in Paris gegessen.