Dass das Hauptrennen der GP2 in Valencia es in sich haben sollte, war bereits vor dem Start klar, als mehrere Piloten, darunter auch Meisterschaftsfavorit Davide Valsecchi, mit Rückversetzungen in der Startaufstellung belegt wurden, weil sie im Qualifying Gegner blockiert hatten. Als es dann endlich losging, setzte sich Pole-Setter James Calado erwartungsgemäß vom Feld ab. Hinter ihm ging es jedoch hoch her - der zweitplatzierte Felipe Nasr erwischte keinen guten Start, wodurch sowohl Giedo van der Garde als auch Esteban Gutierrez an ihm vorbeischlüpften. Weiter hinten im Feld kam es zum Kontakt zwischen Jolyon Palmer und Max Chilton - auch Tom Dillmann war in den Vorfall verwickelt, alle Beteiligten konnten das Rennen aber fortsetzen, wenngleich Palmer früh seinen Frontflügel wechseln musste.

Melker als Erster draußen

Dicht hinter die Top-4 reihte sich in der turbulenten Anfangsphase derweil eine Verfolger-Gruppe um Fabio Leimer, Marcus Ericsson, Luiz Razia und Rio Haryanto. Für den ersten Ausfall des Rennens sorgte dann in Runde zwei ein Abflug von Nigel Melker in Turn zwölf. Auch an der Spitze wollte so schnell keine Ruhe einkehren: Nasr fiel im dritten Umlauf hinter Leimer und Ericsson und wurde kurzzeitig langsamer, sodass er zudem Mühe bekam, sich gegen den von hinten nahenden Razia zu verteidigen. Im Rückstau hinter diesem Duell lauerten bereits Haryanto und Cecotto, was kurze Zeit später eine haarsträubende Szene provozierte.

Haryanto und Cecotto sorgten beinahe für einen Horrorunfall, Foto: GP2 Series
Haryanto und Cecotto sorgten beinahe für einen Horrorunfall, Foto: GP2 Series

Auf der zweiten Gegengeraden lieferten sich die beiden ein knallhartes Duell, kurze Berührung bei Vollgas inklusive - zwischen den Carlin-Piloten, die Mauer und Cecotto, der sich letztendlich an seinem Gegner vorbeiquetschte, hätte dabei nicht einmal mehr ein Blatt Papier gepasst. Vor den zwei Streithähnen wurde dann auch Nasr von Razia in einen Fehler gezwungen, wodurch der DAMS-Pilot eine weitere Position zurückfiel. Als dann in Kurve eins auch noch Cecotto mit einem sehenswerten Manöver an ihm vorbei ging und sich P7 schnappte, wurde die Situation für den Brasilianer kaum besser.

Während an den Boxen Ocean-Pilot Victor Guerin mit Problemen kämpfte, kamen Nasr, Dillmann und Chilton alle dicht aufeinandergefolgt zum Service herein - das schlechteste Ende erwischte dabei Dillmann, der als Letzter der drei Fahrer wieder auf die Strecke kam. Für Action sorgte auch Gutierrez, der sich verbremste und dabei noch leicht Van der Garde anschob, wodurch beide hinter Leimer zurückfielen. Der Holländer in Caterham-Diensten entschied sich anschließend dafür, sofort an die Box zu kommen und blieb bei seiner Rückkehr auf die Strecke trotz eines Problems beim Wechsel des rechten Hinterreifens und der Tatsache, dass ihm beim Losfahren beinahe ein Ingenieur eines anderen Teams vors Auto gelaufen wäre, der die Boxenstraße überqueren wollte, vor einer engen Verfolgergruppe um Cecotto, Stephane Richelmi und Daniel de Jong.

Lotus verpennt Calados Taktik

Für die nächste Schrecksekunde sorgte der abgefallene Heckflügel von Tom Dillmann - nachdem dieser mitten auf der Ideallinie lag und ihm zuerst noch einige Autos ausweichen konnten, nahm Rodolfo Gonzalez das Teil voll mit - dabei beschädigte sich der Caterham-Fahrer nicht nur seinen eigenen Frontflügel, auch verteilte er so eine Menge Karbonsplitter auf dem Asphalt, wodurch erstmals das Safety-Car auf die Strecke gerufen wurde. Just in diesem Moment waren die Verfolger um Leimer schon in die Box gekommen, der Führende Calado jedoch auf der Strecke geblieben. Als der Lotus-Pilot sich hinter dem Schrittmacherfahrzeug einsortieren musste, ahnte er bereits, welch immensen Zeitverlust im Vergleich zu seinen direkten Konkurrenten das nach sich ziehen würde.

Am Hafen von Valencia jagte ein Zwischenfall den nächsten, Foto: GP2 Series
Am Hafen von Valencia jagte ein Zwischenfall den nächsten, Foto: GP2 Series

Wütend aufs Lenkrad schlagend und mit dem Team schimpfend, sah er hinter dem Safety-Car handlungsunfähig eingeklemmt seine Siegchancen schwinden - zuvor hatte der Brite bereits eindrucksvolle 15 Sekunden Vorsprung herausgefahren, nun fand er sich mit, nach dem noch fälligen Boxenstopp, umgerechnet fast einer Runde Rückstand in aussichtsloser Lage wieder. Hinter ihm reihten sich vor dem Re-Start Leimer, Gutierrez, Ericsson und Razia ein, die jedoch alle schon ihren Pflichtstopp absolviert hatten. Zu einer kuriosen Szene kam es dabei auch zwischen Razia und dem hinter ihm liegenden Van der Garde. Der Holländer war nicht mit der Pace des Brasilainers hinter dem Safety-Car zufrieden, wies ihn wild mit den Händen fuchtelnd an, doch endlich mehr Gas zu geben, um auf die Spitze aufzuschließen.

Als das Safety-Car dreizehn Runden vor dem Ende wieder hereinkam überschlugen sich im wahrsten Sinne des Wortes die Ereignisse: Während der Re-Start ganz vorne geordnet vonstatten ging, befand sich Chilton bereits vor der Start- und Ziellinie leicht neben der Strecke. Das eng zusammengeschobene Feld schaffte es gerade einmal eine halbe Runde weit, ehe es erneut im großen Stile krachte. Valsecchi war vor der Brücke an Stallkollege Nasr vorbegegangen - dieser beschädigte sich dabei scheinbar sein Auto und hielt in äußerst langsamer Fahrt das Feld dahinter auf. Palmer war in diesem Getümmel dann viel zu optimistisch und krachte in Fabrizio Crestani, dessen Lazarus-Bolide spektakulär abhob und sich überschlug - der Italier bleib dabei aber zum Glück unverletzt.

Crestani überschlug sich, Foto: GP2 Series
Crestani überschlug sich, Foto: GP2 Series

Als Folge des Unfalls kam auch das Safety-Car sofort wieder auf die Strecke - noch bevor dieses jedoch das Feld einfangen und beruhigen konnte, sorgte Van der Garde mit dem nächsten großen Verbremser am Ende der langen Geraden für Aufsehen, traf bei seinem Ausritt glücklicherweise aber keine Gegner - anschließend steuerte er abermals die Boxen an und zog frische Reifen auf, fiel dadurch aber weit zurück. Nasr hatte es nach seinem Problem ebenso zurück zu seiner Mannschaft geschafft - vor seiner Box musste er das Rennen dann aber aufgeben und aussteigen.

Neun Runden vor dem Ende bog das Safety-Car wieder ab, woraufhin Calado, der seinen noch ausstehenden Pflichtstopp nach wie vor herauszögerte, erneut das Tempo angab. Hinter im kollidierten noch vor dem Überfahren der Safety-Car-Linie in der letzten Kurve Gutierrez und Leimer. Profiteur des Zwischenfalls war Razia, der dadurch auf Platz zwei vorkam und auf Grund der schlechten Lotus-Taktik bei Calado nun wie der kommende Sieger aussah. Seinen Platz an der Sonne konnte er etwas übervorsichtig aber nicht lange verteidigen. Gutierrez setzte am Ende der langen Geraden alles auf eine Karte und holte sich die verlorene Position mit einem sehenswerten Manöver und stehenden Vorderrädern zurück.

Dreimal Safety-Car

Kurze Zeit später ging auch Ericsson an Razia vorbei, dem dann Leimer im Nacken saß. Während sich die Fans noch auf die vielen Überholvorgänge konzentrierten, kam zum dritten und letzten Mal am Samstag das Safety-Car auf die Piste. Diesmal wurde mit Giancarlo Serenelli der andere Lazarus-Pilot abgeräumt - Schuld war Unfallgegner Gonzalez, der seinen Kontrahenten unsanft in die Mauer am Streckenrand beförderte. Immerhin Calado nützte die erneute Rennpause - er vollzog endlich seinen noch fälligen Stopp und konnte so den Schaden des früheren Taktik-Patzers minimieren, da diesmal ein Großteil der Verfolger hinter das Safety-Car zurückgefallen waren, während die Führenden dieses schon passiert hatten, bevor es die Box verlassen konnte.

Stefano Coletti holte den letzten Punkt, Foto: GP2 Series
Stefano Coletti holte den letzten Punkt, Foto: GP2 Series

Der Lotus-Pilot fand sich dadurch immerhin auf P10 und mit frischen Reifen ausgestattet auf der Strecke wieder. Sein Ziel war anschließend klar: Irgendwie den Vorteil des frischeren Gummis nützen, um noch auf Rang acht und die damit verbundene Pole für das Sonntagsrennen zu kommen. Da ob der vielen chaotischen Szenen parallel aber die Uhr ablief, bleiben ihm für dieses Unterfangen nur noch dreieinhalb Minuten, als das Safety-Car schlussendlich zum dritten und letzten Mal Platz machte. Diesmal lief der Re-Start vernünftiger ab, lediglich Nathanael Berthon verschlief ihn etwas und musste die vor ihm fahrenden Piloten wegziehen lassen. Brisanz in das Duell um P8 brachte dann die Meldung über eine Unsafe-Release-Strafe für Cecotto. Der Addax-Fahrer war kurz vor Schluss Achter - damit war klar, dass es hinter ihm zwischen Valsecchi und Calado um die Sprint-Pole gehen wurde.

Der Brite in Lotus-Diensten kam dem italienischen Meisterschaftsleader dann zwar noch gefährlich nahe, abfangen konnte er ihn bis zur Zielflagge aber nicht mehr. Ganz vorne gewann derweil Gutierrez das Rennen, 1,6 Sekunden vor Ericsson. Mit sechs Sekunden Rückstand belegte Razia P3, noch vor Leimer, Haryanto, Berthon und Chilton. Hinter Valsecchi und Calado schnappte sich Stefano Coletti als Zehnter den letzten Punkt. In der Meisterschaft führt weiterhin Valsecchi mit 145 Zählern vor Razia, der 20 Punkte weniger hat. Gutierrez schob sich mit dem Sieg und den Zusatzpunkten für seine schnellste Rennrunde in Valencia in der Wertung auf Platz drei vor - der Mexikaner kommt nun auf 87 Zähler.