Dass sich Hockenheim-Sieger Lewis Hamilton nach dem Rennen bei seinem Teamkollegen Heikki Kovalainen ausdrücklich und sehr herzlich dafür bedankte, dass der ihn bei seiner Aufholjagd auf dem Weg zurück an die Spitze nicht aufgehalten, sondern praktisch sofort freiwillig vorbei gelassen hatte, war Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die den Silbernen gerne bei jeder Gelegenheit ans Bein pinkeln.

Verbotene Stallorder, garantiert habe man Kovalainen über Funk aufgefordert, seinen Teamkollegen vorbeizulassen, die Vorwürfe waren schnell bei der Hand... Vor allem, weil sich Kovalainen direkt nach dem Rennen auch ziemlich deutlich ärgerte und zumindest in die finnischen Fernsehkameras und Radiomikrofone etwas zischte, was so klang wie, "wenn man nicht einmal mehr Rennen fahren darf..."

Ron Dennis bedankte sich beim Teamplayer Kovalainen., Foto: Sutton
Ron Dennis bedankte sich beim Teamplayer Kovalainen., Foto: Sutton

Wobei sich bei etwas genauerer Betrachtung vieles relativiert: Der Aussage von Ron Dennis, man habe Kovalainen über den Funk nur informiert, dass Hamilton hinter ihm wesentlich schneller sei, ist durchaus Glauben zu schenken. So dumm, eine offene - verbotene - Order auszusprechen, ist man bei McLaren sicher nicht. Und dass die Formel 1 heute zumindest in der Beziehung ein Teamsport ist, dass ein Fahrer in so einem Fall schon weiß, wie er sich zu verhalten hat, nämlich dem chancenreicheren Teamkollegen nicht im Wege zu stehen, ist eine Tatsache. Bei den heutigen Summen, die Hersteller und Sponsoren investieren, kann es sich einfach niemand mehr leisten, sich in so einer Situation selbst auf den Füßen zu stehen, dadurch der Konkurrenz einen möglichen Sieg zu schenken.

Auch Nick Heidfeld ließ in Kanada seinen Teamkollegen Robert Kubica problemlos vorbei, als der angesichts seiner Strategie mit frischen Reifen hinter dem Mönchengladbacher aus der Box kam, sich aber absolut keinen Zeitverlust leisten konnte, auch im Mittelfeld passieren solche Dinge immer wieder, ohne dass sie überhaupt groß registriert werden.

Das mag dem einen oder anderen Renn-Puristen immer noch zu weit gehen, ist aber aus der Realität nicht mehr wegzudenken und durch keine Regel der Welt zu verhindern. Mit Aktionen wie jener berühmt-berüchtigten von Ferrari 2002 in Österreich, als Rubens Barrichello kurz vor dem Ziel Michael Schumacher den Sieg überlassen musste, als die beiden in einer frühen Phase der WM ungefährdet an der Spitze des Rennens lagen, hat diese Form von "Hilfe" nicht viel bis gar nichts zu tun.

In diesem Fall kommt noch ein anderer Aspekt dazu. Einer, den auch Kovalainen nach dem ersten Ärger anerkannte, als er zugab, dass die gesamten Strategie-Entscheidungen des Teams wohl doch gar nicht so falsch gewesen seien. Was sich in diesem Fall nicht nur mit entsprechendem "Briefing" durch das Team erklären ließ, sondern durchaus auch durch eigenes Nachdenken von Kovalainen, dessen Laune sicher auch deshalb so schlecht war, weil er im Rennen von Anfang an doch wieder deutlich langsamer gewesen war als Hamilton.

Am Ende konnten beide jubeln., Foto: Sutton
Am Ende konnten beide jubeln., Foto: Sutton

Denn da musste er auch zu dem Schluss kommen, dass eine "normale" Vorgehensweise von McLaren-Mercedes für ihn in Wirklichkeit noch schlechter gewesen wäre: Hätten die Silbernen ganz klassisch beide Fahrer in der Safety-Car-Phase an die Box geholt, Hamilton nicht weiterfahren lassen, dann hätte sich Kovalainen hinter Hamilton anstellen müssen und mindestens zehn Sekunden zusätzlich verloren und damit noch zwei Plätze mehr...

Insofern hätte eigentlich sogar der Brite mehr Grund gehabt, sich zu beschweren. Ihn hätte die Idee der McLaren-Mercedes-Gehirne an der Boxenmauer bei etwas unglücklicherem Verlauf sogar den an sich sicheren Sieg kosten können, so verlangte sie von ihm zumindest einen Kraftakt, der bei konventionellem Vorgehen nicht nötig gewesen wäre. Dass man im Vertrauen auf die eigene Stärke, auf den Speed von Hamilton, eine Strategie wählte, die beide Fahrer so weit nach vorn bringen sollte wie möglich, war sicherlich etwas riskant. Mehr aber auch nicht...